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Marc Buhl hat einen unterhaltsamen und raffinierten Kriminalroman aus der Welt der Bücher geschrieben: Eine packende Geschichte mit pikanten Verwicklungen und bösen Intrigen, in der nach und nach ein wahnwitziges Komplott enthüllt wird. Ein Buch, mit großem Genuss zu lesen, das den Leser von einer deutschen Universitätsstadt ins Weimar der Goethezeit entführt. Ein spannender Roman, der allerhand Unglaubliches über den strahlenden Dichterfürsten Goethe und seinen "gefährlichen" Freund Jakob Michael Reinhold Lenz enthüllt, auch jene berühmte "Eseley" in Weimar, über deren wahren Hintergrund die Forschung immer noch rätselt.…mehr

Produktbeschreibung
Marc Buhl hat einen unterhaltsamen und raffinierten Kriminalroman aus der Welt der Bücher geschrieben: Eine packende Geschichte mit pikanten Verwicklungen und bösen Intrigen, in der nach und nach ein wahnwitziges Komplott enthüllt wird. Ein Buch, mit großem Genuss zu lesen, das den Leser von einer deutschen Universitätsstadt ins Weimar der Goethezeit entführt. Ein spannender Roman, der allerhand Unglaubliches über den strahlenden Dichterfürsten Goethe und seinen "gefährlichen" Freund Jakob Michael Reinhold Lenz enthüllt, auch jene berühmte "Eseley" in Weimar, über deren wahren Hintergrund die Forschung immer noch rätselt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2003

Tod in der Forschungslücke
Goethe und Lenz im Clinch: Marc Buhls Germanistenkrimi

Auch im germanistischen Seminar ist das Schöne nur des Schrecklichen Anfang. Das erweist sich spätestens bei der Themenfindung für die Doktorarbeit. Der Weimarer Dichterfürst, man stelle sich vor, wird zum Krimihelden. Warum eigentlich nicht? Es ist bekannt, daß Goethe keineswegs begeistert war, als sein ehemaliger Freund und Dichterkollege Lenz ihm 1776 nach Weimar folgte. An die bewegten Straßburger Zeiten erinnert zu werden mußte für den arrivierten Höfling peinlich und nachgerade gefährlich sein. Da lag es nahe, den ungebetenen Gast, der sich wie ein Schatten auf Goethes Weimarer Karriere zu legen begann, möglichst rasch wieder loszuwerden. Jene Liebschaften, Briefe und Dichtungen, die mit Lenz wiederaufzutauchen drohten, entstammten einer überwunden geglaubten Lebensphase. Wie aber schafft man sich den Schatten vom Halse, den die eigene Vergangenheit wirft?

Das ungleiche Paar ist ein spekulatives Lieblingsthema biographisch interessierter Germanisten. Zum letzten Male kreuzten sich in jenem Weimarer Sommer zwei Lebenslinien; die eine rapide aufsteigend zum deutschen Dichterolymp, die andere kurz vor dem freien Fall. Als Lenz im Spätherbst Weimar wieder verließ, war er eine gebrochene Existenz. Daß er seinen unfreiwilligen Abgang nach einer "Eseley", wie Goethe rätselhaft andeutet, auch der Intrige des einstigen Freundes verdankte, daran hegt die Forschung keinen Zweifel. Waren Goethes lebensgeschichtliche "Häutungen" immer wieder mit Opfern verbunden, so zählt der arme Lenz fraglos zu den bedeutendsten.

Wie weit man mit dieser Täter-Opfer-Dramaturgie kommen kann, versucht der Freiburger Autor Marc Buhl in seinem Debütroman auszuloten. In den letzten Jahren sind verbrecherische Machenschaften im akademischen Milieu zur literarischen Modeerscheinung geworden. Das mag in gewisser Weise mit dem zähen universitären Gremienalltag zusammenhängen oder, noch direkter, mit der spärlichen Stellenfluktuation. Zwar wird die Konkurrenz auf dem Gebiete des Geistigen eher selten mit handgreiflicher Gewalt ausgetragen, doch besonders zimperlich pflegen die Literaturwissenschaftler in ihrem Revierverhalten nun auch wieder nicht zu sein.

Der Autor des "Roten Domino", dem intime Kenntnisse des germanistischen Betriebs nicht abzusprechen sind, verortet sein Konfliktszenario in der wohlgesetzten Distanz des altehrwürdigen Kulturstädtchens Weimar. Buhls Germanistenkrimi übernimmt von der angelsächsischen "Campus novel" die Einkleidung und das Milieu der Rahmengeschichte, vom historischen Roman dagegen Figuren, Stoff und Methode. Seine kriminelle Phantasie entzündet sich nicht so sehr an den akademischen Machtspielen der Gegenwart, sondern an einer Forschungslücke. Der Roman ist eine Art Hypothesen-Studie über die Beziehung der beiden Dichter, an deren Bruchstelle ein so verdächtiges Schweigen herrscht. Was also geschah wirklich zwischen Goethe und Lenz? Die Frage wird zum Katapult, das aus der Routine des Seminarbetriebs ins Abenteuer führt.

Eine Freiburger Germanistin, im Roman trägt sie den Namen Bettina Böhler, hat sich für ihre Doktorarbeit just dieses Thema vorgenommen. Sie gräbt sich förmlich ein in die Werke von Lenz, vergleicht seine Lyrik der Straßburger Zeit mit jener Goethes durch eine detaillierte Analyse von Wortfeldern und Motiven. (Richtig, Buhl gibt ihr einen Linguisten zum Doktorvater.) Sie stutzt, schöpft Verdacht, begibt sich auf eine Forschungsreise in russische Archive und nach Weimar. Als sie nicht zurückkehrt, schalten ihre besorgten Eltern nicht etwa die Polizei oder einen Privatdetektiv ein, sondern den "Promotionsberater" Udo Stahl. Dieser, selbst ein verhinderter Professor, kann im Univiertel eine gutgehende Praxis mit zwei Angestellten von den Arbeitsschwierigkeiten zahlungskräftiger Doktoranden unterhalten. Stahl und seine Mitarbeiter bibliographieren, konzipieren, redigieren, zur Not aber schreiben sie die Arbeiten ihrer Schützlinge auch ganz.

Im Falle der verschwundenen Bettina ist freilich das gegenteilige Vorgehen gefordert, nicht Synthese, sondern Analyse. Worum ging es bei ihrem Vergleich der beiden Autoren, was war die unausgesprochene These? Stahl muß Bettinas Recherchen im Zeitraffertempo noch einmal durchlaufen und ihr Leben "lesen wie einen Text". Die Bücherbestände des germanistischen Seminars, die Notizen auf dem heimischen Schreibtisch, die abgespeicherten Kapitel auf der Computerfestplatte - Stahl durchstöbert und beschnüffelt jede Kleinigkeit. So mag er aussehen, der insgeheime Wunschtraum endloser Nachmittage im Lesesaal: Daß der ziellose eigene Fleiß einen solchen akribischen Beobachter fände, daß auf all die Exzerpte, Notizen, Signaturen einmal jener Blick fallen würde, in dem sie bedeutungsvoll erscheinen.

Dieser Blick ist es, der den Unterschied ausmacht zwischen einer Doktorarbeit und einem Verbrechen. Und zwischen einem Thesenroman und einer spannenden Kriminalgeschichte. Der Amateurdetektiv Stahl beschreibt eine Abwesende, deren Spur sich in Texten verliert. Als habe Buhl dieser Konstruktion nicht getraut, zieht er seiner Romanhandlung noch zwei weitere Zeitebenen ein. Abwechselnd zum Hauptgeschehen wird in knappen Episoden die Geschichte der Plünderung Weimarer Archivbestände durch die russische Besatzungsarmee nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt, bei der - wir ahnten es - auch der als verschollen geltende Briefwechsel zwischen Goethe und Lenz nach Rußland gelangte. Als sei dies der Hilfestellung nicht genug, muß Buhl, dem Doktorvater sei's geklagt, auch noch die Erlebnisse von Goethe und Lenz während des Sommers 1776 vor dem Leser ausbreiten. Briefe und Tagebuchnotizen, selbst die Gedankenwelt beider Akteure wird mit forciertem Einsatz erlebter Rede ans Licht gezerrt, um zu beweisen, daß und warum Goethe seinem Busenfreund ans Leder wollte. Verloren geht dabei jener "suspense", der nur im Sog des Abwesenden aufkeimt.

Gäbe es sie, diese Briefe, diese Chronik einer ruchlosen Unterdrückung und Enteignung des Schwächeren durch den Machtmenschen, sie wären vielleicht ein kleiner Skandal. Der große Goethe als männerliebender Plagiator, derlei mag seine Bewunderer in helle Aufregung versetzen. Aber ist es ein Grund, fleißige Doktorandinnen aus dem Weg zu räumen? Die behauptete germanistische Brisanz seiner Version ist Buhl offenbar wichtiger als das kriminalistische Spannungsmoment. Dabei demonstriert er gerade in den Recherche-Kapiteln, daß er flott und dicht erzählen kann. Im Nachwort verweist der Autor auf einige Forschungsarbeiten, die seine Konstruktion stützen könnten; es lebe die Literaturliste. Die Kraft des Bösen verblaßt, und die Seminarbibliothek wächst.

ALEXANDER HONOLD

Marc Buhl: "Der rote Domino". Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2002. 280 S., geb., 19,80 [Euro].

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