Bewegtes Leben mit zwei Weltkriegen
Charlotte von Bieberstein führt uns Lesende, über die Geschichte ihres Großvaters Dr. Walter Hultsch, zurück in die deutsche Vergangenheit ab Ende des 19ten Jahrhunderts. Das Buch ist gefühlvoll biografisch mit Elementen eines Tagebuchs geschrieben. Gut
gefallen haben mir die begleitenden Fotos und Bilddokumente zu den Episoden, die den Eindruck des…mehrBewegtes Leben mit zwei Weltkriegen
Charlotte von Bieberstein führt uns Lesende, über die Geschichte ihres Großvaters Dr. Walter Hultsch, zurück in die deutsche Vergangenheit ab Ende des 19ten Jahrhunderts. Das Buch ist gefühlvoll biografisch mit Elementen eines Tagebuchs geschrieben. Gut gefallen haben mir die begleitenden Fotos und Bilddokumente zu den Episoden, die den Eindruck des Geschriebenen verbildlichen. An einigen Stellen, gerade wenn es um die Liebe zu seiner Frau Hilde und seinen Kindern geht, spitzt sich die Gefühlswelt des Protagonisten Walter durch und man bekommt Einblicke in den Menschen Walter Hultsch. Insgesamt sind seine Beobachtungen des Erlebten eher sachlich, fast distanziert geschildert und von seinem bildungsbürgerlichen Hintergrund geprägt.
Die Erzählung beginnt mit der unbeschwerten Kindheit Walters in der Familie. Er wächst in behüteten Verhältnissen auf, geliebt von seiner Familie und umgeben von Kultur, Kunst, Musik und Gesprächen mit bekannten Persönlichkeiten. Geldsorgen spielen in der wohlhabenden Familie keine Rolle. So gerät auch die Bildung des jungen Walters nach den Wünschen der Familie und er mündet ein in ein Studium der Rechtswissenschaften in Dresden und München. Lebhaft sind die Schilderungen, wie er das Semester in München genießt mit seinen Begegnungen der Boheme der Stadt und berühmte Personen, wie Ringelnatz. Auch schließt er sich nun einer studentischen Verbindung an und beginnt nationalistische Strömungen zu erkennen. Der Beginn des 1. Weltkriegs, die Fronterlebnisse und der Fall des Kaiserreichs prägen den jungen Mann. Er kann jedoch seinen beruflichen Weg fortsetzen, der in zu Polizei und Spionageabwehr führt. Das Kennenlernen seiner späteren Frau Hilde ist romantisch und gefühlvoll erzählt – durch diese kleinen Einblicke in seine Gefühlswelt empfand ich ihn als sehr sympathischen jungen Mann. Im 2. Weltkrieg, in dem er wiederum eingesetzt wurde blieb ihm zumindest ein Russland-Einsatz erspart. Bereits früh wandte er sich von Hitler ab und schildert ihn als linkischen, unsicheren Menschen. Während des Nazi-Regimes unterstützte er an verschiedenen Stellen im Rahmen seiner Möglichkeiten und brachte sich dadurch durchaus in Gefahr. Sehr intensiv fand ich die Freude über das Überleben und dem Wiederfinden der Familie im zerbombten Dresden. Vorhersehbar aufgrund des familiären Hintergrunds und den Verbindungen der Familie, fand ich den nahezu reibungslosen Start in ein erfolgreiches Leben nach dem Krieg. So habe ich dazu gelernt, dass sich Walter Hultsch in der DDR unermüdlich einsetzte für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, welche (nach seinem Tod) diese letzte Phase eines erfüllten, von geschichtlichen Ereignissen geprägten, Lebens abrundet.
Fazit: Für mich war das Buch eine sehr gut zu lesende Zeitreise, die durch zahlreiche, politisch geprägte, Ereignisse die Grundsteine für unsere heutige Demokratie gelegt haben. Dr. Walter Hultsch war dabei sicher eines der vielen kleinen Steinchen im Mosaik der deutschen Geschichte.