Friedrich Wilhelm August Schmidt (1764-1838), genannt Schmidt von Werneuchen ist dem Gedächtnis der Nachwelt durch Goethes Parodie Musen und Grazien in der Mark und durch Fontanes Porträt in den Wanderungen erhalten. Schmidts Gedichte jedoch, die in eigentümlicher Naivität vor allem die Sehnsucht nach ländlichem Glück zum Gegenstand haben, sind kaum noch bekannt. Zu seinem 250. Geburtstag 2014 widmete ihm die Stadt Werneuchen, in der er 1795 Pfarrer wurde, eine viel beachtete Ausstellung.In der Reihe Märkischer Dichtergarten hatte Günter de Bruyn 1981 den natursüchtigen Märker wiederentdeckt und herausgegeben. Jetzt wendet er sich erneut jenem "Sandpoeten" zu, den die Literaturwissenschaft leider noch immer - und zu Unrecht - kaum zur Kenntnis zu nehmen scheint.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2017Ein Dichter wird betrachtet
Ortswechsel: "Der Sandpoet" von Günter de Bruyn
Ein Pfarrerssohn aus der Mark Brandenburg, vater- und heimatlos seit dem neunten Lebensjahr, abhängig von Gönnern, die das Kind nach Berlin ins Waisenhaus schicken: Was sollte aus dem 1764 geborenen Friedrich Wilhelm August Schmidt schon werden? Um wie etwa der neun Jahre ältere Karl Philipp Moritz sein Elend höchst eindrucksvoll in Literatur zu überführen, fehlte es ihm nicht nur an literarischem Vermögen, auch sein Unglück war, bei näherem Hinsehen, nicht gar so groß. Denn die Stiftung, die das Waisenhaus unterhielt, in dem Schmidt untergekommen war, sorgte auch für eine solide Schulbildung, finanzierte das Studium des Jungen in Halle und verschaffte ihm am Ende sogar eine der begehrten Pfarrstellen, wiederum in der Mark.
"Nachdem Schmidt mit seinem Einzug in Werneuchen sein Ziel, wieder auf dem Lande zu wohnen, erreicht hatte, konnte er hier nun sein Leben nach seinen Wünschen gestalten: einfach, genügsam, naturnah, in schuldloser Abhängigkeit", so fasst es mehr als zweihundert Jahre später Günter de Bruyn zusammen, und diese Sätze, sie finden sich in einem neuen Bändchen über Schmidt, haben es in sich. Nicht nur, weil sie sofort an vergleichbare Strömungen der Gegenwart erinnern, die sich in den sagenhaften Erfolgen von dem Landleben gewidmeten Zeitschriften und Büchern ebenso niederschlagen wie im verbreiteten Erwerb von Häusern in der Uckermark. Sondern auch, weil sie ein zweifelhaftes Licht auf denjenigen werfen könnten, dem sie gelten, wenn es um die Frage geht, warum wir uns heute noch an ihn erinnern.
Denn Schmidt, bald zur besseren Unterscheidung mit dem Zusatz "von Werneuchen" auftretend, publizierte eine Vielzahl von Gedichten, die eben dieses Landleben schilderten, und Genügsamkeit als Lebenseinstellung hat, wenn sie mit literarischer Produktion einhergeht, nicht den besten Ruf. Nur dass Schmidt, anders als seine tändelnden Vorgänger, die das Land priesen, aber kaum kannten, genau hinsah und zusammentrug, was ihm in Werneuchen begegnete, von der Spinne bis zum Stint im Bach.
Günter de Bruyn hat bereits 1981 in der verdienstvollen Buchreihe "Märkischer Dichtergarten" den Band "Einfalt und Natur" publiziert, eine Auswahl von Schmidts Gedichten. Damals lebte er noch in Berlin. Nun, längst in ländlicher Einsamkeit lebend, charakterisiert er Schmidt in einem schmalen, reich bebilderten Band, stilistisch glänzend und mit großer Präzision. Seinem Verständnis für den "Sandpoeten" scheint der Ortswechsel nicht geschadet zu haben.
spre
Günter de Bruyn: "Der Sandpoet".
Frankfurter Buntbücher Band 60. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2017. 32 S., br., Abb., 8,- [Euro].
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Ortswechsel: "Der Sandpoet" von Günter de Bruyn
Ein Pfarrerssohn aus der Mark Brandenburg, vater- und heimatlos seit dem neunten Lebensjahr, abhängig von Gönnern, die das Kind nach Berlin ins Waisenhaus schicken: Was sollte aus dem 1764 geborenen Friedrich Wilhelm August Schmidt schon werden? Um wie etwa der neun Jahre ältere Karl Philipp Moritz sein Elend höchst eindrucksvoll in Literatur zu überführen, fehlte es ihm nicht nur an literarischem Vermögen, auch sein Unglück war, bei näherem Hinsehen, nicht gar so groß. Denn die Stiftung, die das Waisenhaus unterhielt, in dem Schmidt untergekommen war, sorgte auch für eine solide Schulbildung, finanzierte das Studium des Jungen in Halle und verschaffte ihm am Ende sogar eine der begehrten Pfarrstellen, wiederum in der Mark.
"Nachdem Schmidt mit seinem Einzug in Werneuchen sein Ziel, wieder auf dem Lande zu wohnen, erreicht hatte, konnte er hier nun sein Leben nach seinen Wünschen gestalten: einfach, genügsam, naturnah, in schuldloser Abhängigkeit", so fasst es mehr als zweihundert Jahre später Günter de Bruyn zusammen, und diese Sätze, sie finden sich in einem neuen Bändchen über Schmidt, haben es in sich. Nicht nur, weil sie sofort an vergleichbare Strömungen der Gegenwart erinnern, die sich in den sagenhaften Erfolgen von dem Landleben gewidmeten Zeitschriften und Büchern ebenso niederschlagen wie im verbreiteten Erwerb von Häusern in der Uckermark. Sondern auch, weil sie ein zweifelhaftes Licht auf denjenigen werfen könnten, dem sie gelten, wenn es um die Frage geht, warum wir uns heute noch an ihn erinnern.
Denn Schmidt, bald zur besseren Unterscheidung mit dem Zusatz "von Werneuchen" auftretend, publizierte eine Vielzahl von Gedichten, die eben dieses Landleben schilderten, und Genügsamkeit als Lebenseinstellung hat, wenn sie mit literarischer Produktion einhergeht, nicht den besten Ruf. Nur dass Schmidt, anders als seine tändelnden Vorgänger, die das Land priesen, aber kaum kannten, genau hinsah und zusammentrug, was ihm in Werneuchen begegnete, von der Spinne bis zum Stint im Bach.
Günter de Bruyn hat bereits 1981 in der verdienstvollen Buchreihe "Märkischer Dichtergarten" den Band "Einfalt und Natur" publiziert, eine Auswahl von Schmidts Gedichten. Damals lebte er noch in Berlin. Nun, längst in ländlicher Einsamkeit lebend, charakterisiert er Schmidt in einem schmalen, reich bebilderten Band, stilistisch glänzend und mit großer Präzision. Seinem Verständnis für den "Sandpoeten" scheint der Ortswechsel nicht geschadet zu haben.
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Günter de Bruyn: "Der Sandpoet".
Frankfurter Buntbücher Band 60. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2017. 32 S., br., Abb., 8,- [Euro].
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