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Produktdetails
  • Verlag: Patmos Verlag
  • Seitenzahl: 816
  • Abmessung: 225mm
  • Gewicht: 1178g
  • ISBN-13: 9783491724075
  • ISBN-10: 3491724074
  • Artikelnr.: 24221330
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.1999

Da lacht der Lama

TIBET. Was ist er doch für ein Schelm, dieser Dalai Lama. Lächelt immer freundlich, predigt aller Welt Liebe, Toleranz und Gewaltlosigkeit, aber nur um uns alle einzulullen in unserer naiven Gutgläubigkeit, während er doch in Wahrheit darauf aus ist, andere Zivilisationen, vor allem westliche, mit der tibetischen Form des Buddhismus zu unterwandern, einem "im Kern atavistischen, fundamentalistischen, sexistischen und kriegerischen Kulturentwurf, der eine globale Buddhokratie anstrebt". So sehen es jedenfalls die Autoren dieses mit wissenschaftlichem Anspruch daherkommenden dicken Wälzers und werfen allen, die das nicht wahrhaben wollen, Blindheit vor. Starker Tobak in geballter Ladung. Der tibetische Buddhismus berufe sich zwar ständig auf die "westlichen Werte" von Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenrechten, Gleichberechtigung der Geschlechter und Humanismus, schreiben Victor und Victoria Trimondi, stelle sie jedoch tatsächlich grundsätzlich in Frage, denn wenn der "pazifistische Vorhang" des "Mitgefühls" weggezogen werde, erschienen "auf der tibetisch-buddhistischen Bühne Geisterglaube, Sexualmagie, politischer und ritueller Mord, Kriegsideologien, Folterungen, apokalyptische Visionen, Menschenverachtung und eine zutiefst frauenfeindliche Kultur". Wenn das alles richtig wäre, hätten die chinesischen Kommunisten eigentlich gut daran getan, Tibet zu besetzen und mit all dem aufzuräumen. Merkwürdig nur, dass die Mehrheit der Tibeter sich partout nicht von der Herrschaft des angeblich atavistischen Mönchregimes "befreit" fühlen will, der tibetischen Form des Buddhismus weiter anhängt und den Dalai Lama auch vierzig Jahre nach seiner Flucht immer noch als ihren geistlichen und politischen Führer ansieht. Da scheint irgendetwas nicht zu stimmen mit den Schlussfolgerungen der Autoren, auch wenn sie sich noch so große Mühe geben mit der ausführlichen Beschreibung der diversen tantrischen Praktiken und anderer geheimer Rituale früherer Zeiten, die den Tibetern von heute wahrscheinlich genauso fremd sind wie Christen mittelalterliche Teufelsaustreibungen oder mit allerlei grausamen Folterwerkzeugen erzwungene "Geständnisse" von "Hexen" in Inquisitionsprozessen. Außerdem scheinen die Verfasser die Bedeutung des tibetischen Buddhismus als relativ kleiner Religionsgemeinschaft im Vergleich zu den viel größeren Zweigen anderer buddhistischer Glaubensrichtungen maßlos zu überschätzen. Ausgerechnet vom tibetischen Lamaismus sollen Pläne zur Unterwanderung anderer Länder mit dem Endziel der Weltherrschaft geschmiedet werden? Geradezu infam ist jener Abschnitt in dem Buch, in welchem die Trimondis dem Dalai Lama quasi Mitschuld an den Verbrechen der japanischen Aum-Sekte und ihres Gurus Shoko Asahara geben. Der Dalai Lama würde, wenn man ihm von den Thesen des Autorenpaares (ihre richtigen Namen lauten Herbert und Mariana Röttgen) berichtete, so laut lachen wie lange nicht mehr. Und er lacht gerne. (Victor und Victoria Trimondi: Der Schatten des Dalai Lama. Sexualität, Magie und Politik im tibetischen Buddhismus. Patmos Verlag, Düsseldorf 1999. 816 Seiten, Abbildungen, 58,- Mark.)

KLAUS NATORP

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