Daniel, der im grauen Barcelona der Franco-Ära aufwächst, betritt zusammen mit seinem Vater eine geheimnisvolle Bibliothek, den "Friedhof der vergessenen Bücher". Hier darf er ein Buch auswählen. "Der Schatten des Windes" ist der Titel, den er sich greift. Der Autor ist ein gewisser Julian Carax. Daniel ist fasziniert von der Geschichte, die er liest. Er macht sich auf die Suche nach dem Autor, möchte mehr wissen über diesen Menschen. Doch was als neugieriges Spiel beginnt, wird rasch zur Bedrohung: Ein Mann mit einer Ledermaske taucht auf. Er ist hinter Daniels Buch her ...
Souverän, zupackend und mit unerschöpflichem Einfallsreichtum erzählt Carlos Ruiz Zafon die Geschichte von Daniel Sempere, dessen Welt aus den Fugen gerät, als er die Schicksalsbahn eines geheimnisvollen Buches kreuzt. Mit ihm tritt der Leser in einen Kosmos abenteuerlich verknüpfter Lebensläufe.
Als der junge Daniel, von seinem Vater geführt, den geheimen "Friedhof der Vergessenen Bücher" betritt, ahnt er nicht, daß in diesem unwirklich scheinenden Labyrinth sein Leben eine drastische Wende nehmen wird. Er darf sich ein Buch auswählen, für das er allein die Verantwortung trägt. Das Buch, das er sich greift, Der Schatten des Windes von einem gewissen Julian Carax, wird ihn sein ganzes zukünftiges Leben nicht mehr loslassen.
Daniel, der allein mit seinem Vater im grauen Barcelona der Franco-Ära aufwächst, ist fasziniert von der Geschichte, die er liest. Er macht sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Autor, will wissen, wer dieser Mensch war, was ihm widerfahren ist, warur noch so wenige Exemplare seiner Bücher erhalten sind. Was als neugieriges Spiel beginnt, wird rasch zur Bedrohung, als ein Mann mit narbiger Ledermaske auftaucht, der hinter Daniels Exemplar her ist. Das Unheimliche bekommt beängstigend konkrete Gestalt.
Daniels Leben gerät mehr und mehr in den Bann des mysteriösen Autors, von dem keiner weiß, warum jemand all seine Bücher bis aufs letzte Exemplar zu vernichten sucht. Alle Menschen, denen Daniel begegnet, auch die Frauen, in die er sich verliebt, scheinen nur Figuren in diesem großen Spiel zu sein. Sie alle haben es darauf abgesehen, Daniel in die Irre zu führen. Aus seinem Lieblingsroman wächst ihm die Realität entgegen, und es ist, als ob die vergangene Geschichte sich in seinem eigenen Leben wiederhole, das von den Schatten furchtbarer Ereignisse verdunkelt zu werden droht.
Vor dem Hintergrund eines gespenstisch schimmernden Barcelona inszeniert Zafón einen dicht gewobenen Spannungsroman, der jenseits aller gängigen Romangattungen souverän und mit Witz eine fesselnde, packende Geschichte erzählt.
Souverän, zupackend und mit unerschöpflichem Einfallsreichtum erzählt Carlos Ruiz Zafon die Geschichte von Daniel Sempere, dessen Welt aus den Fugen gerät, als er die Schicksalsbahn eines geheimnisvollen Buches kreuzt. Mit ihm tritt der Leser in einen Kosmos abenteuerlich verknüpfter Lebensläufe.
Als der junge Daniel, von seinem Vater geführt, den geheimen "Friedhof der Vergessenen Bücher" betritt, ahnt er nicht, daß in diesem unwirklich scheinenden Labyrinth sein Leben eine drastische Wende nehmen wird. Er darf sich ein Buch auswählen, für das er allein die Verantwortung trägt. Das Buch, das er sich greift, Der Schatten des Windes von einem gewissen Julian Carax, wird ihn sein ganzes zukünftiges Leben nicht mehr loslassen.
Daniel, der allein mit seinem Vater im grauen Barcelona der Franco-Ära aufwächst, ist fasziniert von der Geschichte, die er liest. Er macht sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Autor, will wissen, wer dieser Mensch war, was ihm widerfahren ist, warur noch so wenige Exemplare seiner Bücher erhalten sind. Was als neugieriges Spiel beginnt, wird rasch zur Bedrohung, als ein Mann mit narbiger Ledermaske auftaucht, der hinter Daniels Exemplar her ist. Das Unheimliche bekommt beängstigend konkrete Gestalt.
Daniels Leben gerät mehr und mehr in den Bann des mysteriösen Autors, von dem keiner weiß, warum jemand all seine Bücher bis aufs letzte Exemplar zu vernichten sucht. Alle Menschen, denen Daniel begegnet, auch die Frauen, in die er sich verliebt, scheinen nur Figuren in diesem großen Spiel zu sein. Sie alle haben es darauf abgesehen, Daniel in die Irre zu führen. Aus seinem Lieblingsroman wächst ihm die Realität entgegen, und es ist, als ob die vergangene Geschichte sich in seinem eigenen Leben wiederhole, das von den Schatten furchtbarer Ereignisse verdunkelt zu werden droht.
Vor dem Hintergrund eines gespenstisch schimmernden Barcelona inszeniert Zafón einen dicht gewobenen Spannungsroman, der jenseits aller gängigen Romangattungen souverän und mit Witz eine fesselnde, packende Geschichte erzählt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.10.2003Das Phantombuch
Carlos Ruiz Zafóns praller Roman „Der Schatten des Windes”
„Ich erinnere mich noch genau an den Morgen, an dem mich mein Vater zum ersten Mal zum Friedhof der Vergessenen Bücher mitnahm. Die ersten Sommertage des Jahres 1945 rieselten dahin, und wir gingen durch die Straßen eines Barcelonas, auf dem ein aschener Himmel lastete und dunstiges Sonnenlicht auf die Rambla de Santa Mónica filterte.” Ein Roman, der mit solchen Sätzen beginnt und dazu noch „Der Schatten des Windes” heißt – kann man ihm widerstehen? Wohl kaum. Zumindest nicht ein Leser, der von Zeit zu Zeit gerne literarisch regrediert und daher anfällig ist für die Reize eines Jugendbuches für Erwachsene.
Daniel heißt der Ich-Erzähler, und er ist zehn Jahre alt, als er sich in einer Sammelstelle für alle Bücher, die keine Leser mehr finden, den Roman „Der Schatten des Windes” von Julián Carax aussuchen darf. Von dem Werk, das er noch am selben Tag verschlingt, ist er so fasziniert, dass er unbedingt mehr, als der Klappentext verrät, über den um die Jahrhundertwende geborenen Autor wissen und vor allem alles von ihm lesen will. Das aber erweist sich trotz jahrelanger Recherchen als überaus schwierig: Carax ist unter rätselhaften Umständen verschollen, und seine Bücher sind europaweit aus allen Buchhandlungen und Bibliotheken verschwunden. Je besessener sich der kindliche, dann halbwüchsige und erwachsene Leser in seine Suche verstrickt, desto unheimlicher wird sie. Ein Mann, der dem Teufel, der in „Der Schatten des Windes” auftritt, gleicht, beginnt ihn zu verfolgen, und in Daniels Leben scheinen sich Ereignisse, die schon für Carax fatal waren, zu wiederholen.
Die Tradition, in die sich „Der Schatten des Windes” einreihen will, hat ihre großen Namen und reicht weit zurück ins 19. Jahrhundert. „Die Frau in Weiß” von Wilkie Collins, „Die Geheimnisse von Paris” von Eugène Sue und „Das Phantom der Oper” von Gaston Leroux gehören ihr ebenso an wie manche Romane von Ray Bradbury und Joan Aiken. Carlos Ruiz Zafón eifert diesen Meistern nach, er erreicht sie nicht ganz, aber er ist ein überaus gelehriger Schüler. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er die Handlung nicht über so viele Jahre ausgedehnt, sondern auf die Kindheit der Hauptfigur konzentriert hätte: „Der Schatten des Windes” ist ein Knabentraum, und aus der Perspektive eines Knaben geschildert, besitzt der Roman auf den ersten hundert Seiten eine poetische Qualität, die er später verliert. Die Stoffmassen, die Zafón bewegt, veranlassen ihn zudem zu mehreren, nicht immer glücklich inszenierten Rückblenden. Von der Neigung, dramatische Geschehnisse etwas zu oft in heftige Gewitter zu verlegen, einmal abgesehen, ist sein Sinn für Effekte aller Art aber sehr sicher. Zafón kann, wie es sich in dem von ihm gewählten Genre gehört, Spannung und Horror zu erzeugen; die Dialoge, die Daniel mit seinem treuen Freund Fermin führt, beweisen des Autors beträchtlichen Sinn für Dialogwitz und dramaturgisch geschickte Stimmungswechsel.
Trotz seiner Orientierung an bewährten Mustern und seiner skrupellosen Absicht, nichts als unterhalten zu wollen, besitzt der Roman aber durchaus eine literarische Originalität. Sie beruht auf der klugen Wahl von Ort und Zeit der Handlung. Als „große Zauberin”, als „Hexe”, die ihren Einwohnern die Seele raubt, wird das durch Bürgerkrieg und Franquismus versehrte Barcelona der Nachkriegszeit von den Figuren bezeichnet. Es sind vor allem die düsteren Aspekte der urbanen Physiognomie, die ihn faszinieren. „Der Schatten des Windes” führt in einen verfallenen Belle Epoque-Palast und in verwinkelte großbürgerliche Wohnungen, in die feuchten, dunklen Unterkünfte der Armen, in ein Altersheim, das einer Vorhölle gleicht, und auf den riesigen städtischen Friedhof. Die geheime Hauptfigur des Romans ist die Stadt, in der er spielt. Auf der imaginären Landkarte der gehobenen Sensations- und Schauerliteratur hat dank Zafón nun auch Barcelona einen Platz erhalten.
CHRISTOPH HAAS
CARLOS RUIZ ZAFÓN: Der Schatten des Windes. Roman. Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2003. 529 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Carlos Ruiz Zafóns praller Roman „Der Schatten des Windes”
„Ich erinnere mich noch genau an den Morgen, an dem mich mein Vater zum ersten Mal zum Friedhof der Vergessenen Bücher mitnahm. Die ersten Sommertage des Jahres 1945 rieselten dahin, und wir gingen durch die Straßen eines Barcelonas, auf dem ein aschener Himmel lastete und dunstiges Sonnenlicht auf die Rambla de Santa Mónica filterte.” Ein Roman, der mit solchen Sätzen beginnt und dazu noch „Der Schatten des Windes” heißt – kann man ihm widerstehen? Wohl kaum. Zumindest nicht ein Leser, der von Zeit zu Zeit gerne literarisch regrediert und daher anfällig ist für die Reize eines Jugendbuches für Erwachsene.
Daniel heißt der Ich-Erzähler, und er ist zehn Jahre alt, als er sich in einer Sammelstelle für alle Bücher, die keine Leser mehr finden, den Roman „Der Schatten des Windes” von Julián Carax aussuchen darf. Von dem Werk, das er noch am selben Tag verschlingt, ist er so fasziniert, dass er unbedingt mehr, als der Klappentext verrät, über den um die Jahrhundertwende geborenen Autor wissen und vor allem alles von ihm lesen will. Das aber erweist sich trotz jahrelanger Recherchen als überaus schwierig: Carax ist unter rätselhaften Umständen verschollen, und seine Bücher sind europaweit aus allen Buchhandlungen und Bibliotheken verschwunden. Je besessener sich der kindliche, dann halbwüchsige und erwachsene Leser in seine Suche verstrickt, desto unheimlicher wird sie. Ein Mann, der dem Teufel, der in „Der Schatten des Windes” auftritt, gleicht, beginnt ihn zu verfolgen, und in Daniels Leben scheinen sich Ereignisse, die schon für Carax fatal waren, zu wiederholen.
Die Tradition, in die sich „Der Schatten des Windes” einreihen will, hat ihre großen Namen und reicht weit zurück ins 19. Jahrhundert. „Die Frau in Weiß” von Wilkie Collins, „Die Geheimnisse von Paris” von Eugène Sue und „Das Phantom der Oper” von Gaston Leroux gehören ihr ebenso an wie manche Romane von Ray Bradbury und Joan Aiken. Carlos Ruiz Zafón eifert diesen Meistern nach, er erreicht sie nicht ganz, aber er ist ein überaus gelehriger Schüler. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er die Handlung nicht über so viele Jahre ausgedehnt, sondern auf die Kindheit der Hauptfigur konzentriert hätte: „Der Schatten des Windes” ist ein Knabentraum, und aus der Perspektive eines Knaben geschildert, besitzt der Roman auf den ersten hundert Seiten eine poetische Qualität, die er später verliert. Die Stoffmassen, die Zafón bewegt, veranlassen ihn zudem zu mehreren, nicht immer glücklich inszenierten Rückblenden. Von der Neigung, dramatische Geschehnisse etwas zu oft in heftige Gewitter zu verlegen, einmal abgesehen, ist sein Sinn für Effekte aller Art aber sehr sicher. Zafón kann, wie es sich in dem von ihm gewählten Genre gehört, Spannung und Horror zu erzeugen; die Dialoge, die Daniel mit seinem treuen Freund Fermin führt, beweisen des Autors beträchtlichen Sinn für Dialogwitz und dramaturgisch geschickte Stimmungswechsel.
Trotz seiner Orientierung an bewährten Mustern und seiner skrupellosen Absicht, nichts als unterhalten zu wollen, besitzt der Roman aber durchaus eine literarische Originalität. Sie beruht auf der klugen Wahl von Ort und Zeit der Handlung. Als „große Zauberin”, als „Hexe”, die ihren Einwohnern die Seele raubt, wird das durch Bürgerkrieg und Franquismus versehrte Barcelona der Nachkriegszeit von den Figuren bezeichnet. Es sind vor allem die düsteren Aspekte der urbanen Physiognomie, die ihn faszinieren. „Der Schatten des Windes” führt in einen verfallenen Belle Epoque-Palast und in verwinkelte großbürgerliche Wohnungen, in die feuchten, dunklen Unterkünfte der Armen, in ein Altersheim, das einer Vorhölle gleicht, und auf den riesigen städtischen Friedhof. Die geheime Hauptfigur des Romans ist die Stadt, in der er spielt. Auf der imaginären Landkarte der gehobenen Sensations- und Schauerliteratur hat dank Zafón nun auch Barcelona einen Platz erhalten.
CHRISTOPH HAAS
CARLOS RUIZ ZAFÓN: Der Schatten des Windes. Roman. Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2003. 529 Seiten, 24,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2003Labyrinth ohne Ausgang
Durch den Wind: Carlos Ruiz Zafóns Roman buhlt um Leserliebe
Es gibt einen spanischen Schriftsteller, der schreibt spannende Geschichten im Dutzend, in denen es vor farbenprächtig ausgeschmückten Mantel-und-Degen-Kulissen vor allem um zweierlei geht, nämlich um die Macht der Bücher und die der Liebe, und wozu diese beiden uns verleiten. In seinem "Club Dumas" etwa gerät ein Bücherjäger auf seiner Suche nach bibliophilen Kostbarkeiten nicht nur an ein verschollen geglaubtes Kapitel der "Drei Musketiere", sondern auch in einen Zirkel, dessen zwielichtige Mitglieder für ihre Verbrechen mit Vorliebe in die Rollen berühmter Romanfiguren schlüpfen. Der Autor versteht seinen Roman als Hommage an die Literatur, doch damit ihm die Leser in all den Zitaten und Querverweisen auch brav bei der Stange bleiben, erzählt er ihnen vordergründig eine Detektivgeschichte. Der Dichter heißt Arturo Pérez-Reverte, ist Mitglied der Königlich-Spanischen Akademie für Sprache, in seiner Heimat ein Bestsellerautor und auch bei uns kein Unbekannter. Seine Motive sind ihm in Fleisch und Blut übergegangen: Bereits als Knabe lernte er fechten, später erbte er die riesige Bibliothek seines Großvaters.
Es scheint, als habe sein Schriftstellerkollege und Landsmann Carlos Ruiz Zafón diesen Bücherraum besichtigt - oder zumindest die Werke von Pérez-Reverte verschlungen in der Hoffnung, dessen Stil und somit Erfolg eines Tages imitieren zu können. Epigonentum muß nichts Schlechtes sein, solange ein Autor sich das richtige Idole aussucht. Bei Carlos Ruiz Zafón jedoch ist dies fraglich. Zwar ist er mit neununddreißig Jahren ein wenig jünger als sein Vorbild, und auch seine Geschichte spielt in der etwas jüngeren Vergangenheit, nämlich im Barcelona der vierziger und fünfziger Jahre, aber ansonsten läßt er sich sehr wohl mit Pérez-Reverte vergleichen. Ob damit allerdings auch Bestsellerqualitäten einhergehen, wird sich weisen; der Insel Verlag hofft es und macht in seiner Werbekampagne auf die Mund-zu-Mund-Propaganda aufmerksam, die dem Roman in Spanien fünfzehn Auflagen beschert und die spanischen Leser in eine regelrechte "Zafónmanie" versetzt habe.
Andere Länder, andere Lese-Sitten. Im Zentrum von Ruiz Zafóns soeben auf deutsch erschienenem Roman "Der Schatten des Windes" steht eine Bibliothek und ein Buch. Die Handlung scheint zunächst verworren, ist aber schon bald vorhersehbar. Der zehnjährige Daniel wird von seinem Vater zum "Friedhof der vergessenen Bücher" geführt, wo er sich ein Buch aussuchen soll, für das er Verantwortung übernehmen muß. Daniel adoptiert den "Schatten des Windes", den Roman des rätselhaften Autors Julián Carax, der vor einigen Jahren spurlos verschwunden ist - und all seine Bücher mit ihm. Ruiz Zafón erzählt, wie Daniel zusammen mit seinem Herzensbuch erwachsen wird, und wie sich alles, was er im Laufe der Jahre über Julián Carax herausbekommt, auf seltsame Weise in seinem eigenen Leben spiegelt. Er wird verfolgt, bedroht, er verliebt sich in ein Mädchen, dessen Schicksal ebenfalls mit Carax verknüpft ist, er ringt um die Rettung des geliebten Autors und bezahlt diesen Einsatz fast mit dem Leben.
Diese Éducation sentimentale erzählt Carlos Ruiz Zafón mit mehr Talent als Tempo, wenngleich man rasch den Eindruck gewinnt, die Detektivgeschichte gehöre eher in ein Jugendbuchprogramm. Dennoch ließe man sich durchaus davon unterhalten, wäre da nicht jener ärgerliche großliterarische Gestus, mit dem der Autor uns unentwegt Banalitäten serviert. Frauen lächeln "bitter" und schauen "flehend", Männer küssen, "ohne nachzudenken", Herzen schlagen "bis zum Hals". Dem Gefühlsüberschwang und der jugendlichen Impulsivität des Ich-Erzählers kann dieser Ton nicht geschuldet sein, da dieser sich als Erwachsener erinnert. Sätze wie "Die Wut, die in ihren Augen loderte, verbrannte mich", sind keine Ausrutscher. Am Ende seufzt Daniel gar " hinter seinem traurigen Lächeln, das ihn durchs Leben verfolgt".
So vernarrt ist Carlos Ruiz Zafón in seine Figuren, daß ihm die Romanhandlung darüber entgleitet. Dem Versuch der psychologischen Feinzeichnung steht allzu grobe Drastik gegenüber. Die Liebe zu Bea, die Daniel angeblich aufwühlt ("ich stürzte mich auf ihre Lippen"), bleibt ebenso papieren wie die Enthüllung des Geheimnisses von Julián Carax. Ruiz Zafón, der sich zwischen seiner Story und einer diffusen Liebeserklärung an die Literatur nicht recht entscheiden kann, zerfließen am Ende auch die Rätsel, die er uns aufgeben will. Die gelungenste Figur ist die des Fermín Romero de Torres, den Daniel als Bettler von der Straße aufliest und der im Antiquariat seines Vaters zu Nutzen und neuer Lebensfreude findet; die gelungensten Passagen sind jene, die ein längst überbautes, altes Barcelona auferstehen lassen, eine gotisch anmutende Geisterstadt. Will der Leser sich einen letzten Rest Vergnügen an diesem überladenen Roman bewahren, muß er bis zum Schluß fest daran glauben, das dieses Buch sich wirklich "einen Weg zu seinem Herzen" bahnen will. Sonst sollte er dieses Labyrinth besser gar nicht erst betreten.
FELICITAS VON LOVENBERG
Carlos Ruiz Zafón: "Der Schatten des Windes". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Peter Schwaar. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2003. 527 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Durch den Wind: Carlos Ruiz Zafóns Roman buhlt um Leserliebe
Es gibt einen spanischen Schriftsteller, der schreibt spannende Geschichten im Dutzend, in denen es vor farbenprächtig ausgeschmückten Mantel-und-Degen-Kulissen vor allem um zweierlei geht, nämlich um die Macht der Bücher und die der Liebe, und wozu diese beiden uns verleiten. In seinem "Club Dumas" etwa gerät ein Bücherjäger auf seiner Suche nach bibliophilen Kostbarkeiten nicht nur an ein verschollen geglaubtes Kapitel der "Drei Musketiere", sondern auch in einen Zirkel, dessen zwielichtige Mitglieder für ihre Verbrechen mit Vorliebe in die Rollen berühmter Romanfiguren schlüpfen. Der Autor versteht seinen Roman als Hommage an die Literatur, doch damit ihm die Leser in all den Zitaten und Querverweisen auch brav bei der Stange bleiben, erzählt er ihnen vordergründig eine Detektivgeschichte. Der Dichter heißt Arturo Pérez-Reverte, ist Mitglied der Königlich-Spanischen Akademie für Sprache, in seiner Heimat ein Bestsellerautor und auch bei uns kein Unbekannter. Seine Motive sind ihm in Fleisch und Blut übergegangen: Bereits als Knabe lernte er fechten, später erbte er die riesige Bibliothek seines Großvaters.
Es scheint, als habe sein Schriftstellerkollege und Landsmann Carlos Ruiz Zafón diesen Bücherraum besichtigt - oder zumindest die Werke von Pérez-Reverte verschlungen in der Hoffnung, dessen Stil und somit Erfolg eines Tages imitieren zu können. Epigonentum muß nichts Schlechtes sein, solange ein Autor sich das richtige Idole aussucht. Bei Carlos Ruiz Zafón jedoch ist dies fraglich. Zwar ist er mit neununddreißig Jahren ein wenig jünger als sein Vorbild, und auch seine Geschichte spielt in der etwas jüngeren Vergangenheit, nämlich im Barcelona der vierziger und fünfziger Jahre, aber ansonsten läßt er sich sehr wohl mit Pérez-Reverte vergleichen. Ob damit allerdings auch Bestsellerqualitäten einhergehen, wird sich weisen; der Insel Verlag hofft es und macht in seiner Werbekampagne auf die Mund-zu-Mund-Propaganda aufmerksam, die dem Roman in Spanien fünfzehn Auflagen beschert und die spanischen Leser in eine regelrechte "Zafónmanie" versetzt habe.
Andere Länder, andere Lese-Sitten. Im Zentrum von Ruiz Zafóns soeben auf deutsch erschienenem Roman "Der Schatten des Windes" steht eine Bibliothek und ein Buch. Die Handlung scheint zunächst verworren, ist aber schon bald vorhersehbar. Der zehnjährige Daniel wird von seinem Vater zum "Friedhof der vergessenen Bücher" geführt, wo er sich ein Buch aussuchen soll, für das er Verantwortung übernehmen muß. Daniel adoptiert den "Schatten des Windes", den Roman des rätselhaften Autors Julián Carax, der vor einigen Jahren spurlos verschwunden ist - und all seine Bücher mit ihm. Ruiz Zafón erzählt, wie Daniel zusammen mit seinem Herzensbuch erwachsen wird, und wie sich alles, was er im Laufe der Jahre über Julián Carax herausbekommt, auf seltsame Weise in seinem eigenen Leben spiegelt. Er wird verfolgt, bedroht, er verliebt sich in ein Mädchen, dessen Schicksal ebenfalls mit Carax verknüpft ist, er ringt um die Rettung des geliebten Autors und bezahlt diesen Einsatz fast mit dem Leben.
Diese Éducation sentimentale erzählt Carlos Ruiz Zafón mit mehr Talent als Tempo, wenngleich man rasch den Eindruck gewinnt, die Detektivgeschichte gehöre eher in ein Jugendbuchprogramm. Dennoch ließe man sich durchaus davon unterhalten, wäre da nicht jener ärgerliche großliterarische Gestus, mit dem der Autor uns unentwegt Banalitäten serviert. Frauen lächeln "bitter" und schauen "flehend", Männer küssen, "ohne nachzudenken", Herzen schlagen "bis zum Hals". Dem Gefühlsüberschwang und der jugendlichen Impulsivität des Ich-Erzählers kann dieser Ton nicht geschuldet sein, da dieser sich als Erwachsener erinnert. Sätze wie "Die Wut, die in ihren Augen loderte, verbrannte mich", sind keine Ausrutscher. Am Ende seufzt Daniel gar " hinter seinem traurigen Lächeln, das ihn durchs Leben verfolgt".
So vernarrt ist Carlos Ruiz Zafón in seine Figuren, daß ihm die Romanhandlung darüber entgleitet. Dem Versuch der psychologischen Feinzeichnung steht allzu grobe Drastik gegenüber. Die Liebe zu Bea, die Daniel angeblich aufwühlt ("ich stürzte mich auf ihre Lippen"), bleibt ebenso papieren wie die Enthüllung des Geheimnisses von Julián Carax. Ruiz Zafón, der sich zwischen seiner Story und einer diffusen Liebeserklärung an die Literatur nicht recht entscheiden kann, zerfließen am Ende auch die Rätsel, die er uns aufgeben will. Die gelungenste Figur ist die des Fermín Romero de Torres, den Daniel als Bettler von der Straße aufliest und der im Antiquariat seines Vaters zu Nutzen und neuer Lebensfreude findet; die gelungensten Passagen sind jene, die ein längst überbautes, altes Barcelona auferstehen lassen, eine gotisch anmutende Geisterstadt. Will der Leser sich einen letzten Rest Vergnügen an diesem überladenen Roman bewahren, muß er bis zum Schluß fest daran glauben, das dieses Buch sich wirklich "einen Weg zu seinem Herzen" bahnen will. Sonst sollte er dieses Labyrinth besser gar nicht erst betreten.
FELICITAS VON LOVENBERG
Carlos Ruiz Zafón: "Der Schatten des Windes". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Peter Schwaar. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2003. 527 S., geb., 24,90 [Euro].
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"Sie werden alles liegenlassen und nicht aufhören, bevor Sie fertig geworden sind!"
Joschka Fischer in LESEN!
Joschka Fischer in LESEN!
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Sebastian Handke hat großen Spaß an diesem Roman, der von einem Buchhändler in Barcelona erzählt - auch wenn er nach der Lektüre mit einem kleinen Kater zu kämpfen hat: "Aber der Rausch war es wert." Seiner Meinung muss man sich aber auf den Roman einlassen, was manchem Leser sicher nicht ganz leicht fällt: "Zafons filmische Verbindung dieser Szenerie mit der visuellen Sprache des Schauerromans verleiht der Geschichte einen dunklen Zauber, dem man sich allerdings hinzugeben bereit sein muss." So kann man an den Ingredienzien dieses Romans erst einmal schwer schlucken oder spöttelnd reagieren - doch angesichts der Schmökerqualitäten des Romans sind solche Zuckungen nach Handkes Meinung nach ein paar Seiten sowieso irrelevant. Denn da ist man schon in die stimmige Atmosphäre des Buches hineingezogen, in die "trübe, gotische Stadt der großen Barcelona-Romane von Merce Rodoreda".
© Perlentaucher Medien GmbH
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