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Im Niemandsland zwischen archaischer und materialistischer Weltordnung entbrennt eine tödliche Familienfehde: In einem Dorf auf Kreta tötet der Bauer Dikeos den Geldverleiher Servos. Sein Sohn Grigoris verliert das psychische Gleichgewicht und fällt in den Schlaf der Rinder, ein Schlaf mit geöffneten Augen, der die Sinne auf unerträgliche Weise schärft.

Produktbeschreibung
Im Niemandsland zwischen archaischer und materialistischer Weltordnung entbrennt eine tödliche Familienfehde: In einem Dorf auf Kreta tötet der Bauer Dikeos den Geldverleiher Servos. Sein Sohn Grigoris verliert das psychische Gleichgewicht und fällt in den Schlaf der Rinder, ein Schlaf mit geöffneten Augen, der die Sinne auf unerträgliche Weise schärft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.1997

Den Seidenraupen lauschen
Jorgi Jatromanolakis erzählt von kretischen Provinzquerelen

"Der Schlaf der Rinder", eine historische Erzählung aus dem Kreta um 1930, beginnt mit einer kraftvollen Exposition: Servos, ein Händler und Geldverleiher, wird im Weinberg seines Schuldners Dikeos tot aufgefunden. Dikeos, der Mörder, entweicht für neun Tage in die Berge. Das ist die rituell fixierte Trauerzeit, welche die Gefahr von Selbstjustiz und Rache verringern soll, dem Täter aber auch die Verpflichtung auferlegt, sich den Behörden zu stellen. Dikeos stellt sich, wird verurteilt und stirbt im Gefängnis. Die Blutrache bleibt dennoch nicht aus: Dikeos' Sohn, der die Leiche fand, wird drei Jahre und drei Monate später von Servos' Sohn erstochen.

All das erfährt man gleich zu Anfang, ein Krimi ist nicht beabsichtigt. Alle Spannung in dieser Geschichte von Mord und Rache konzentriert sich auf die psychischen und sozialen Reaktionen der Figuren, vor allem auf Grigors, den Sohn des Mörders. Unter dem Schock des Geschehens verfällt Grigors in einen "Schlaf außerhalb des Auges", in den "Schlaf der Rinder". In diesem psychischen Erstarrungszustand bei äußerster Schärfung der Sinne hört er die Geräusche der Seidenraupen in Servos' drei Kilometer entferntem Haus, kann durch geschlossene Türen schauen und über die Landschaft hinfliegen und unterhält mit seinem Vater eine wortlose Kommunikation. Kurz, in ihm leben die Mächte von Ritual und Mythos weiter. Der Autor schildert das in Szenen von starker poetischer Intensität. Sie allein lohnen die Lektüre des Romans.

Jorgi Jatromanolakis, Professor für klassische Philologie in Athen, hat für seine "Istoria" - so der Titel der Originalausgabe - zwei renommierte Preise bekommen. Eine englische Ausgabe liegt vor, weitere Übersetzungen sind in Vorbereitung. In der Schilderung von Mensch und Landschaft erfüllt "Der Schlaf der Rinder" die Erwartungen, die diese Fama erweckt. Kaum dagegen in seinen historisch-politischen Partien.

Der zweite Teil des Romans verliert sich in die Schilderung sozialer und parteipolitischer Querelen. Die reizvolle Spannung zwischen archaischem Ritual und dörflicher Kommunalpolitik verflacht, und der Leser fragt sich, was ihn die Querelen einer vergangenen Provinzwelt angehen. So beweist auch der als Lesehilfe gedachte Anhang "Auszug aus der modernen griechischen Geschichte", daß Jatromanolakis' literarische Kraft nicht ausreicht, mythische und moderne Welt zu verschmelzen. HARALD HARTUNG

Jorgi Jatromanolakis: "Der Schlaf der Rinder". Roman. Aus dem Neugriechischen übersetzt von Norbert Hauser. Bruckner & Thünker Verlag, Köln und Basel 1996. 191 S., geb., 38,- DM.

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