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Das Gedächtnis trügt. Erinnern und Vergessen sind grundlegende Prozesse menschlichen Lebens. Sie sind damit zugleich entscheidende, bisher aber kaum beachtete Faktoren für das Zustandekommen der Mehrzahl historischer Quellen. Johannes Fried konfrontiert deshalb die Ergebnisse der modernen Gedächtnis- und Hirnforschung mit ausgewählten Beispielen aus der Geschichte, um den Schleier der Erinnerung zu lüften. Sein heftig diskutierter Beitrag zu einer historischen Memorik liegt nun endlich auch in einer preisgünstigen Studienausgabe vor.

Produktbeschreibung
Das Gedächtnis trügt. Erinnern und Vergessen sind grundlegende Prozesse menschlichen Lebens. Sie sind damit zugleich entscheidende, bisher aber kaum beachtete Faktoren für das Zustandekommen der Mehrzahl historischer Quellen. Johannes Fried konfrontiert deshalb die Ergebnisse der modernen Gedächtnis- und Hirnforschung mit ausgewählten Beispielen aus der Geschichte, um den Schleier der Erinnerung zu lüften. Sein heftig diskutierter Beitrag zu einer historischen Memorik liegt nun endlich auch in einer preisgünstigen Studienausgabe vor.
Autorenporträt
Johannes Fried ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Frankfurt. Er war von 1996 bis 2000 Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands. 1995 erhielt er für sein Werk "Der Weg ins Mittelalter" den Preis des Historischen Kollegs.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.04.2012

Trügerische Erinnerung und
historische Wahrheit
Alles falsch: das Datum ebenso wie die Umstände. Als sich Karl Löwith 1940 in seiner Autobiographie „Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933“ an Max Webers Münchner Vortrag „Wissenschaft als Beruf“ erinnerte, datierte er ihn in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. In Wirklichkeit fand der am 8. November 1917 statt. Kurt Eisner, schrieb Löwith, sei bereits ebenso ermordet gewesen wie Gustav Landauer, als ihn „Webers Wort wie eine Erlösung“ traf. Jahrzehnte später bekräftigte der Philosoph seine einstige Darstellung, ergänzte, dass er gerade aus dem Krieg heimgekehrt sei, als er, ganz unter dem Eindruck von Spenglers Buch „Der Untergang des Abendlandes“ stehend, Max Webers Vortrag hörte.
„Alles, was sich bloß der Erinnerung verdankt, hat prinzipiell als falsch zu gelten.“ Für Johannes Fried ist die Episode um Löwith eine von vielen, die uns aufhorchen lassen sollte. Zeigt sie doch besonders anschaulich die Verformungskräfte des Gedächtnisses, das „immer wieder ein in sich zwar stimmiges, gleichwohl sachlich verändertes Vergangenheitsbild konstruiert“. Acht Jahre ist es her, dass der mittlerweile emeritierte Professor für Mittelalterliche Geschichte der Universität Frankfurt mit seiner großen Studie „Der Schleier der Erinnerung“ einen „bahnbrechenden Beitrag zur kritischen Historie“ (Jan Assmann) lieferte. Frieds Plädoyer für eine historische Memorik machte vor dem Hintergrund moderner Hirnforschung und ihrer Einsicht von der Plastizität des Gehirns auf ein grundlegendes quellen- und erkenntniskritisches Problem aufmerksam, das nichts von seiner Brisanz eingebüßt hat. Immer wieder neu auf dem Prüfstand stehen die Fragen, wie wir uns erinnern und was wir von der Vergangenheit eigentlich wissen.
Einfacher, fast möchte man sagen, zu einfach, klingt das in Johannes Frieds Nachwort zur Taschenbuchausgabe. Dort heißt es, dass die Memorik durchweg auf die Sicherung schlichter Sachverhalte, auf das Wer?, Was?, Wann? oder Wie? des Geschehens ziele.
Florian Welle
Johannes Fried:
Der Schleier der Erinnerung. Verlag C. H. Beck,München 2012. 512 Seiten,19,95 Euro.
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