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"Die Grundlage meines Geschäfts beruht auf Hoffnung". Seymour ist einer der wichtigsten Schlepper an der Küste Libyens und schickt verzweifelte Menschen, die den Weg durch die Sahara geschafft haben, aufs offene Meer, von denen aber nur ein Teil die italienische Küste erreicht. Sein Business ist äußerst lukrativ, doch sein Gewissen lässt sich nur noch mit Drogen ruhigstellen. Von den Konflikten mit der Küstenwache und der Konkurrenz zunehmend abgestoßen, beschließt er, nur noch eine letzte Überfahrt zu organisieren. Dann erkennt er unter den Passagieren Mahida, seine Jugendliebe ...

Produktbeschreibung
"Die Grundlage meines Geschäfts beruht auf Hoffnung". Seymour ist einer der wichtigsten Schlepper an der Küste Libyens und schickt verzweifelte Menschen, die den Weg durch die Sahara geschafft haben, aufs offene Meer, von denen aber nur ein Teil die italienische Küste erreicht. Sein Business ist äußerst lukrativ, doch sein Gewissen lässt sich nur noch mit Drogen ruhigstellen. Von den Konflikten mit der Küstenwache und der Konkurrenz zunehmend abgestoßen, beschließt er, nur noch eine letzte Überfahrt zu organisieren. Dann erkennt er unter den Passagieren Mahida, seine Jugendliebe ...
Autorenporträt
Stéphanie Coste ist im Senegal und in Djibouti aufgewachsen. Ihr Debütroman Der Schleuser wurde mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt heute in Lissabon.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die zwischen Senegal und Djibouti aufgewachsene französische Autorin Stephanie Coste hat sich in ihrem Debütroman einiges vorgenommen, wenn sie die dramatische Flucht über das Mittelmeer vollständig aus Sicht eines Schleusers zu erzählen versucht, meint Rezensent Jobst Welge. Und das Experiment gelingt auch nur mäßig, fährt der Kritiker fort, der anhand von Schleuser Seyoum, in den Neunzigern selbst aus Eritrea geflohen, zwar ein wenig über die hierzulande wenig bekannte Geschichte Eritreas erfährt - aber definitiv nicht genug. Auch der zweite Erzählstrang, der von Seyoums Arbeit als Menschenhändler an der libyschen Küste erzählt, kann den Rezensenten nicht ganz überzeugen: Die Sprache, die Coste ihrem Helden verleiht, ein Mix aus Umgangssprache, Vulgarismen, Reflexionen und Pathos, scheint Welge wenig glaubwürdig. Mehr als die Erkenntnis, dass auch Schleuser möglicherweise keine einfachen Lebensgeschichten haben, nimmt er deshalb aus dem Roman nicht mit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2023

Letzte Überfahrt
Stéphanie Costes Romandebüt "Der Schleuser"

Mit ihrem ersten Roman geht diese Autorin eine Wette ein: Ist es möglich, das Drama der Fluchtbewegungen über das Mittelmeer konsequent aus der Perspektive eines Schleusers zu schildern und dabei nicht nur das korrupte Gewinnstreben, die zynische Abgebrühtheit dieser Figur zu zeigen, sondern auch einen Restbestand von Menschlichkeit?

Stéphanie Coste, derzeit in Portugal lebend, hat ihre Kindheit zwischen Senegal und Djibouti verbracht, die Probleme im benachbarten Eritrea waren ihr früh vertraut. Der Roman ist bis auf einen kurzen Epilog von der Erzählstimme Seyoums geprägt, der seine mächtige Stellung als Menschenhändler an der libyschen Küste gegen harte Konkurrenz verteidigt. Seyoum scheint all dem nur standhalten zu können, indem er sich mit großen Mengen Khat und Alkohol betäubt.

Die Grundidee des Romans besteht darin, dass die einzelnen Kapitel zwischen zwei Zeit- und Raumebenen alternieren: Auf der einen Seite sind es einige Tage der Gegenwart von 2015 im libyschen Küstenort Zuwara, auf der anderen Seite sind es Rückblicke in das Eritrea der Neunziger und des frühen neuen Jahrtausends - und allmählich wird klar, dass Seyoum einst selbst Flüchtling war. Seine oppositionellen Eltern wurden durch die Schergen von Isayas Afewerki (im Roman in der eher im Französischen gebräuchlichen Form "Afeworki") ermordet, der 1993 Eritrea in die Unabhängigkeit von Äthiopien führte, bald zum ruchlosen Diktator wurde, Tausende von Toten in weiteren Kriegen mit Äthiopien zu verantworten hat - und heute auf der Seite Putins agiert.

Über die genauen Verhältnisse in Eritrea erfährt man letztlich nicht sehr viel. Coste nutzt die eritreische Vergangenheit Seyoums vor allem als emotional aufwühlendes Element. Eines Tages trifft der Schleuser seine Jugendliebe Madiha wieder, mit der er einst aus dem Land hatte fliehen wollen - und die nun mit neuem Partner und Kind sich ausgerechnet auf dem Boot befindet, dass Seyoum für die letzte Überfahrt nach Lampedusa vorgesehen hat. Bei dieser Konstruktion ist es der Autorin erkennbar darum zu tun, die erst als gefühlskalt gezeichnete Titelfigur komplexer zu gestalten und einen anderen Blick auf das Thema zu eröffnen, der so in der medialen Berichterstattung nicht vorkommt. Dabei gelingt es Coste mitunter, die menschliche Dramatik effektvoll in Szene zu setzen. Allerdings ist die Entscheidung, alles durch die Wahrnehmung und Kenntnisse von Seyoum zu filtern, in literarischer Hinsicht problematisch. Einerseits ist dessen Rede ganz sozialrealistisch durch Umgangssprache und ordinäre Flüche gekennzeichnet. Andererseits gibt er ständig Reflexionen von sich, die als Rollenprosa wenig glaubwürdig sind und eher auf pathologisierende Einschätzungen und indirekte Charakterisierungen der Autorin schließen lassen: "Ich weiß nicht einmal mehr, was das Wort Integrität bedeutet." Wer redet so oder sagt "Dieses Abdriften macht mich apathisch und dennoch bereit, zuzuschlagen"? Schließlich überrascht uns Seyoum mit oft recht schrägen bildlichen Vergleichen, und gegen Ende wird die Sprache pathetisch-expressionistisch: "Ich bin ein Reiter der Nacht und der Meere."

"Der Schleuser" mag, wie der Verlag hervorhebt, "ein preisgekrönter Bestseller aus Frankreich" sein. Dass dieser Roman die hierzulande wenig bekannte Geschichte Eritreas schlaglichtartig beleuchtet - eines Landes, dessen über die libysche Route und mithilfe der dort konzentrierten kriminellen Akteure sich aufmachende Menschen eine der größten nach Europa strebenden Flüchtlingsgruppen ausmachen -, ist in jedem Fall verdienstvoll. Katharina Triebner-Cabald hat sich redlich bemüht, für die meist kurzen Sätze und den Tonfall Seyoums im Deutschen eine Entsprechung zu finden. Dieser alleinigen Erzählstimme, die oft in hölzerne Wendungen verfällt oder bemüht von der "Tür zu meinem inneren Chaos" spricht, hat die Autorin aber zu viel aufgebürdet. Die Erkenntnis, dass ein Schleuser womöglich ein Mensch mit einer unglücklichen Geschichte ist, ist wiederum zu wenig für einen Roman. JOBST WELGE

Stéphanie Coste:

"Der Schleuser". Roman.

Aus dem Französischen von Katharina Triebner-Cabald. Austernbank Verlag, 2023. 129 S., geb., 19,- Euro.

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