Vorwort des Herausgebers Maria Mayer – eine vergessene Dichterin aus dem Passauer Land – Zur Erinnerung an ihren 125. Geburtstag am 17. Dezember 2022 – „Passau, du schöne Stadt, allerschönste Stadt, Stadt der schimmernden Wasser, der grünen Hügel, ein Gedicht der Landschaft, heute das unvergleichlich farbenstrahlende Gemälde, morgen nordisch geheimnisvoll verhüllt, umwölkt.“ Dieser dichterische Preisgesang auf die Schönheit der Dreiflüssestadt stammt von der heute weitgehend vergessenen Schriftstellerin Maria Mayer, die seit ihrer Schulzeit am „Institut der Engl. Fräulein (Niedernburg)“ vorwiegend in Passau gelebt hat und nach ihrem Tod auf dem Friedhof St. Severin ihre letzte Ruhestätte fand. Hans Carossa, Romano Guardini und viele andere schätzten ihr literarisches Werk, Alfred Kubin, der das Umschlagbild für eines ihrer Bücher gestaltete, Georg Philipp Wörlen, der die junge Dichterin anno 1930 portraitierte, zählten zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. Aus Anlass ihres 125. Geburtstages soll mit dieser Buchausgabe wieder einmal an Maria Mayer erinnert werden. Maria Mayer wurde am 17. Dezember 1897 in Hauzenberg geboren, wo ihr Großvater Otto Wirthensohn schon seit Jahren als Lehrer und Schulleiter tätig war. Eines seiner sieben Kinder, Auguste Wirthensohn, war die Mutter der späteren Dichterin. Der Vater, Paul Mayer, war Postbeamter und stammte aus der Münchener Architektenfamilie Reiffenstuel. „Mariele“ wuchs nach der Scheidung ihrer Eltern bei den Großeltern Wirthensohn im Hauzenberger Schulhaus auf, als deren „achtes Kind“, wie sie später schrieb. Nach der Pensionierung zog der Großvater mit Frau und Enkelin nach Leizesberg (Gemeinde Schaibing, heute Marktgemeinde Untergriesbach), wo er ein wunderschönes Haus mit großem Garten geerbt hatte. In Hauzenberg und Leizesberg erfuhr Maria Mayer damit die prägendsten Eindrücke ihrer Kindheit, in der Hauzenberger Schule, wo sie die Woche über bei ihrer Tante Marie Wirthensohn in die Schule ging und bei dieser im Schulhaus lebte, und in Leizesberg, bei den Großeltern, wo sie jeweils den Sonntag und die Ferien verbringen durfte. 1909 zogen die Großeltern mit der Enkelin Mariele nach Passau um, dort besuchte Maria Mayer die Höhere Töchterschule zu Niedernburg und machte schon damals frühzeitig durch formvollendete Aufsätze auf sich aufmerksam. Als 20jährige verließ sie ihre Heimat und ging als Schriftleiterin der Blätter „Echo vom Niederrhein“ und „Duisburger Volkszeitung“ nach Duisburg. In dieser frühen Zeit bereits entstanden und erschienen ihre ersten größeren Buchveröffentlichungen, vorwiegend solche mit religiösen Stoffen („Das Fest der Mütter“, „Die Heilige Messe“, „Von unsrer lieben Fraue“, „Als Jesus klein war“), aber auch heimatliche Erzählungen, Skizzen und Schilderungen aus Niederbayern, die z. B. in den Büchern „Aus meinem Kinderland“ und „Am Heimatbrunnen“ zusammengefasst wurden. Das Bändchen „Märchenseele“ (1926) enthielt Legenden und Geschichten aus beiden Stoffkreisen, wobei die heimatlichen Texte aus dem Bayerischen Wald und Passau, aber auch vom Niederrhein und aus dem Münsterland zum Schönsten gehören, was die Dichterin hervorgebracht hat. Insgesamt betrachtet, kann man die 1920er Jahre als ihre besten und auch dichterisch produktivsten bezeichnen. Seit 1928 lebte die Schriftstellerin Maria Mayer wieder in Passau, zunächst in der Mariahilfstraße 3, später in Geschwendthannet Haus-Nummer 7. Von hier aus redigierte sie das „Kinderland“, die Beilage der weitverbreiteten Zeitschrift der Katholischen Schulorganisation „Elternhaus – Schulhaus – Kirche“ Düsseldorf. In dieser Zeit schrieb sie auch weiterhin feinsinnige Geschichten, Schilderungen, Skizzen und Gedichte, die im literarischen Nachlass aufbewahrt sind. Einige Textproben davon sind anfangs der 1930er Jahre in den „Heimatglocken“, der Beilage der Passauer „Donau-Zeitung“, und in den „Ostbairischen Grenzmarken“ erschienen. Geplante selbstständige Buchveröffentlichungen gab es aber nicht mehr, Neuauflagen ihrer seit Jahren vergriffenen Bücher kamen nicht zustande. Dies hing natürlich auch mit der Literaturpolitik des NS-Regimes zusammen, aber ebenso mit dem sich zunehmend verschlechternden Gesundheitszustand der Dichterin. Maria Mayer litt an einem schweren Nervenleiden und starb am 3. Juni 1946 in Mainkofen. (s. dazu meinen Aufsatz: Hinterlassene Rätsel und Geheimnisse. Zum 75. Todestag der Schriftstellerin Maria Mayer (1897-1946). – In: Edith Rabenstein (Hg.), Passauer Almanach 17, Chronik des Jahres 2021 zu Kultur, Natur, Gesellschaft, Universität, Religion, Geschichte und Wirtschaft. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 2021, S. 82-91). Persönlichkeit und Werk der Autorin wurden schon frühzeitig positiv gewürdigt, zunächst vor allem von Schriftstellern und Kritikern außerhalb der niederbayerischen Welt, die auf die ersten Veröffentlichungen der jungen Dichterin aufmerksam geworden waren. Eines der schönsten Urteile stammt von dem österreichischen Erzähler, Lyriker und Übersetzer Richard von Schaukal, der am Ende der 1920er Jahre die eigenständige dichterische Kraft Maria Mayers geradezu hymnisch pries und bilderreich kennzeichnete: „Es gibt unter uns eine junge Dichterin, Maria Mayer in Passau, der ich in ihrer lieblichen Unberührtheit verehrungsvoll den Kranz reiche. Ich sehe weit und breit nichts, was ihr an holder, einfältig-lauterer Sprachgewalt, die aus dem frömmsten Herzen fließt, zu vergleichen wäre … Sie ist eine begnadete Begabung. Ihr erblüht die Welt wie jenem seligen und beseligenden Schulmeisterlein Wuz aus jeder Maulwurfsgrube, und ihrer treuen, warmen, feinen Art entströmt ein Deutsch, das schlichtgeschmeidig wie der Grashalm sich in jedem leisen Lüftchen der Stimmung wiegt. Wer noch Ohren hat zu hören, freue sich des natürlichen Wohlklangs gewachsener Worte.“ Gerade diesem letzten Satz von Schaukals ist unbedingt zuzustimmen, eben auch im Jahre 2022. Nach dem Tod der Dichterin erinnerten die „Heimatglocken“ bzw. die „Passauer Neue Presse“ mehrmals an die früh vergessene Autorin, so unter anderem Pater Peter Büffel 1946 und 1947, Prof. Dr. theol. Alois Winklhofer 1949 und Franz Morawek 1965. Aus Anlass des 100. Geburtstags von Maria Mayer 1997 erschienen ihre beiden schönsten Heimatbücher mit Bezug zur Stadt Passau und zum Passauer Land zusammen in einer Neuausgabe unter dem Titel „Am Heimatbrunnen / Aus meinem Kinderland. Erinnerungen an Hauzenberg und Leizesberg“. Edition Töpfl, Tiefenbach bei Passau. Der bekannte zeitgenössische Schriftsteller Bernhard Setzwein beurteilte 1998 diese 1. Auflage folgendermaßen: … ein „Bändchen, in dem man eine empfindsame Autorin kennenlernt, deren Sensualität sie später an einem ernsthaften Nervenleiden erkranken ließ. […] In diesen frühen Erzählungen aber hat sie noch ganz die Heiterkeit und das sonnige Gemüt einer Autorin, die in erzählerischen Miniaturen Bauernhochzeiten und Gemüsegärten, frühe Lesefreuden und Brunnenplätschern anschaulich zu schildern weiß.“ – 2008, zehn Jahre später, konnte ich, wiederum in der Edition Töpfl, eine erweiterte und überarbeitete zweite Auflage dieses Buches herausbringen. Am 17. Dezember 2022 steht der 125. Geburtstag von Maria Mayer im niederbayerischen Literaturkalender. Zu diesem Datum lege ich das vorliegende Auswahlbändchen mit Geschichten, Legenden und Kernsprüchen der Dichterin vor. Ich widme es dem dankbaren Andenken an zwei meiner guten Freunde, die anno 2022 gestorben sind: Armin Töpfl († 21. März 2022), Gründer der Edition Töpfl Tiefenbach, hat viele Jahre lang als engagierter Verleger mehrere meiner Veröffentlichungen herausgebracht; das Maria-Mayer-Bändchen „Am Heimatbrunnen / Aus meinem Kinderland“ war 1997 mein erstes Buch in seinem Verlag! – R.I.P. Franz Salzinger († 3. Okt. 2022), jahrzehntelang verdienstvoller Deutschlehrer am Gymnasium Leopoldinum Passau und durch seine Frau Helga (geb. Wirthensohn) verwandtschaftlich mit der Dichterin und ihrer Familie verbunden, hat mich stets unermüdlich und kenntnisreich bei meinen Maria-Mayer-Forschungen unterstützt und mir zahllose wertvolle Hinweise gegeben sowie bisher unveröffentlichte Texte der Maria Mayer für diese Buchausgabe zu Verfügung gestellt. R.I.P. Für die finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung danke ich herzlichst der Dr. Hans-Karl Fischer Stiftung der Universität Passau, insbesondere Herrn Steuerberater Frank O. Mantel, Passau. Ein besonders herzliches Dankeschön gebührt Martina und Dr. phil. Herbert W. Wurster (Giglmörn) für ihre Unterstützung bei der Aufklärung einiger sprachlicher Rätsel zum gepflegten Altbairisch der Dichterin. Osterholzen, 17. Dezember 2022, am 125. Geburtstag von Maria Mayer Dr. phil. Hans Göttler (al. GöttlerHans / al. GeddlaHans)