Erst ist da nur der Schmerz, als Maja sich mit der Stichsäge die Daumenspitze absägt. Dann kommt die Wut, weil ihr Vater glaubt, sie hätte es mit Absicht getan. Aber sie ist doch kein Psycho! Oder doch? Hat sie womöglich dieselbe Krankheit wie ihre Mutter? Die leidet am Asperger-Syndrom und versteht daher nicht, wie andere Leute ticken. Kann Maja sich deshalb nicht vorstellen, dass ein cooler Typ wie Justin sich in sie verliebt? Solche Fragen können schmerzhafter sein als ein fehlendes Stück Daumen, doch Maja stellt sie. Nur so kann sie sich über die Irrtümer in ihrem Leben klar werden. Ein berührendes Jugendbuch über eine Identitätssuche, das Erwachsenwerden und die erste Liebe.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
In Jenny Jägerfelds Roman "Der Schmerz, die Zukunft, meine Irrtümer und ich" richtet sich ihre Protagonistin Maja in ihrer Außenseiterrolle ein, für ihre Altersgenossen hat sie nur Hohn und Spott übrig, immer wieder muss sie körperliche Qualen ausstehen, die immer auch ihre seelischen spiegeln, berichtet Magdalena Hamm. Majas Eltern sind seit ihrem dritten Lebensjahr getrennt, ihr Vater ist ein Hallodri, ihre Mutter endlos distanziert, dass sie unter dem Asperger-Syndrom leidet, findet Maja erst kurz vor dem Ende des Buches heraus, verrät die Rezensentin. Jägerfeld schildert Majas Krise mit einem eindringlichen Realismus, der ihrer Arbeit als Psychologin und Sexualtherapeutin zu verdanken ist, und der schwerlich irgendwen kalt lassen wird, lobt Hamm.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.12.2014Liebe und Farben
Das eigene Leben finden
Krankheit und Tod sind sehr präsent in der Jugendliteratur der letzten Jahre, auch ungewöhnliche Krankheiten wie zum Beispiel das Asperger-Syndrom, das in gleich zwei preisgekrönten Jugendromanen Thema ist. Das Faszinierende dabei sind die unterschiedlichen Sichtweisen der jeweiligen Protagonistinnen. In ihrem Roman Schwarzweiß hat viele Farben , der in den USA ein großer Erfolg ist und mit dem renommierten National Book Award ausgezeichnet wurde, lässt die Autorin Kathryn Erskine die zehnjährige, am Asperger-Syndrom leidende Caitlin ihre Geschichte selbst in ihrer ganz eigenen, knappen und distanzierten Sprache schildern. Im Roman Der Schmerz, die Zukunft, meine Irrtümer und ich (mit dem „August“, dem wichtigsten Preis für Jugendliteratur in Schweden ausgezeichnet) von Jenny Jägerfeld hingegen erzählt die sechzehnjährige Tochter von ihrer herzzerreißenden Suche nach Nähe zu ihrer am Asperger-Syndrom erkrankten Mutter. Furios beginnt Maja mit den Worten „Das Blut spritzte“ und schildert ihren Unfall im Kunstunterricht, als sie sich beim Bauen eines Regals für ihre Mutter die Daumenspitze absägt. In dieser kraftvollen, mit subtilem Sarkasmus gespickten Sprache geht es weiter, und der Leser lernt Maja sehr schnell kennen und lieben. In ihrer Schule ist sie eine Außenseiterin, zieht sich schräg an und hat keine Freundinnen. Nur für Enzo, ihren Kinderfreund aus der Nachbarschaft, empfindet sie eine tiefe verlässliche Freundschaft. Ihre Eltern haben sich getrennt, als Maja drei Jahre alt war. Sie lebt mit dem Vater, einem Journalisten, in Stockholm, die Mutter arbeitet in Norrköping an der Universität. Viel Nähe oder gar Zärtlichkeit hat Maja von ihrer Mutter nie erfahren, aber ihre absolute Verlässlichkeit, mit der sie jedes zweite Wochenende für ihre Tochter frei hält, entschädigt Maja für diese mangelnde Nestwärme. So findet sie es merkwürdig, dass die Mutter nicht erreichbar ist, als der Vater sie nach Majas Unfall informieren will. Als sie am Wochenende in Norrköping ankommt und das Haus leer vorfindet, weiß sie, dass etwas passiert sein muss. Und nun beginnt eine verzweifelte Suche nach ihrer Mutter, die – wie sich heraus stellt – nach der Diagnose „Asperger- Syndrom“ zusammengebrochen war und in ein Sanatorium gebracht wurde. Auch für Maja ist diese Wahrheit schmerzlich, aber sie hilft ihr sich selbst und ihre erste Liebe zu finden.
Ganz anders nähert sich Kathryn Erskine dem Thema in Schwarzweiß hat viele Farben . Am Anfang erfährt der Leser von der Ich-Erzählerin Caitlin in Andeutungen vom Amoklauf in der Schule ihres älteren Bruders Devon, bei dem dieser ums Leben kam. „Ich schließe die Augen und erinnere mich an einzelne Fetzen des Tages-als-unser-Leben-auseinandergebrochen-ist. Als wir an diesem Abend aus dem Krankenhaus zurückkamen, ohne Devon.“ Während Caitlins Vater seinen Schmerz über den Tod seines Sohnes Devon hinausschreit, nennt Caitlin ihren großen Bruder von nun an lapidar Devon-der-tot-ist und sucht nach einer Lösung für ihre Trauer, die sie nicht versteht. Immer war es Devon gewesen, der ihr die Welt erklärte und sie beschützte. Denn in ihrer Welt ist alles schwarz oder weiß, Zwischentöne verwirren sie, und die gut gemeinten Gesprächsangebote der Erwachsenen kann sie nicht ertragen. Hilfe findet sie eher in Büchern, vor allem in ihrem geliebten Wörterbuch. Dort entdeckt sie das Wort „Abschließen“, das ihr eine eigene Lösung eröffnet, Abschied von ihrem Bruder zu nehmen. Und sie erfährt die Bedeutung von Mitgefühl, als sie den siebenjährigen Michael kennen lernt, der seine Mutter, eine Lehrerin, bei dem Attentat verloren hat. Zusammen mit ihm entdeckt sie die Schönheit der Farben.
Beiden Autorinnen (und ihren großartigen Übersetzerinnen) gelingt es auf unterschiedliche Weise doch ähnlich berührend, glaubwürdig und literarisch herausragend zu zeigen, wie sehr diese Krankheit das Leben der Betroffenen selbst und das ihrer nächsten Angehörigen prägt.
HILDE ELISABETH MENZEL
Jenny Jägerfeld: Der Schmerz, die Zukunft, meine Irrtümer und ich. Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Hanser 2014. 286 Seiten, 14,90 Euro. (ab 14 Jahre)
Kathryn Erskine: Schwarzweiss hat viele Farben. Deutsch von Ingrid Ickler. Knesebeck 2014. 224 Seiten. 14,95 Euro. (ab 12 Jahre)
In ihrer Welt ist alles
schwarz und weiß,
Zwischentöne verwirren sie
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Das eigene Leben finden
Krankheit und Tod sind sehr präsent in der Jugendliteratur der letzten Jahre, auch ungewöhnliche Krankheiten wie zum Beispiel das Asperger-Syndrom, das in gleich zwei preisgekrönten Jugendromanen Thema ist. Das Faszinierende dabei sind die unterschiedlichen Sichtweisen der jeweiligen Protagonistinnen. In ihrem Roman Schwarzweiß hat viele Farben , der in den USA ein großer Erfolg ist und mit dem renommierten National Book Award ausgezeichnet wurde, lässt die Autorin Kathryn Erskine die zehnjährige, am Asperger-Syndrom leidende Caitlin ihre Geschichte selbst in ihrer ganz eigenen, knappen und distanzierten Sprache schildern. Im Roman Der Schmerz, die Zukunft, meine Irrtümer und ich (mit dem „August“, dem wichtigsten Preis für Jugendliteratur in Schweden ausgezeichnet) von Jenny Jägerfeld hingegen erzählt die sechzehnjährige Tochter von ihrer herzzerreißenden Suche nach Nähe zu ihrer am Asperger-Syndrom erkrankten Mutter. Furios beginnt Maja mit den Worten „Das Blut spritzte“ und schildert ihren Unfall im Kunstunterricht, als sie sich beim Bauen eines Regals für ihre Mutter die Daumenspitze absägt. In dieser kraftvollen, mit subtilem Sarkasmus gespickten Sprache geht es weiter, und der Leser lernt Maja sehr schnell kennen und lieben. In ihrer Schule ist sie eine Außenseiterin, zieht sich schräg an und hat keine Freundinnen. Nur für Enzo, ihren Kinderfreund aus der Nachbarschaft, empfindet sie eine tiefe verlässliche Freundschaft. Ihre Eltern haben sich getrennt, als Maja drei Jahre alt war. Sie lebt mit dem Vater, einem Journalisten, in Stockholm, die Mutter arbeitet in Norrköping an der Universität. Viel Nähe oder gar Zärtlichkeit hat Maja von ihrer Mutter nie erfahren, aber ihre absolute Verlässlichkeit, mit der sie jedes zweite Wochenende für ihre Tochter frei hält, entschädigt Maja für diese mangelnde Nestwärme. So findet sie es merkwürdig, dass die Mutter nicht erreichbar ist, als der Vater sie nach Majas Unfall informieren will. Als sie am Wochenende in Norrköping ankommt und das Haus leer vorfindet, weiß sie, dass etwas passiert sein muss. Und nun beginnt eine verzweifelte Suche nach ihrer Mutter, die – wie sich heraus stellt – nach der Diagnose „Asperger- Syndrom“ zusammengebrochen war und in ein Sanatorium gebracht wurde. Auch für Maja ist diese Wahrheit schmerzlich, aber sie hilft ihr sich selbst und ihre erste Liebe zu finden.
Ganz anders nähert sich Kathryn Erskine dem Thema in Schwarzweiß hat viele Farben . Am Anfang erfährt der Leser von der Ich-Erzählerin Caitlin in Andeutungen vom Amoklauf in der Schule ihres älteren Bruders Devon, bei dem dieser ums Leben kam. „Ich schließe die Augen und erinnere mich an einzelne Fetzen des Tages-als-unser-Leben-auseinandergebrochen-ist. Als wir an diesem Abend aus dem Krankenhaus zurückkamen, ohne Devon.“ Während Caitlins Vater seinen Schmerz über den Tod seines Sohnes Devon hinausschreit, nennt Caitlin ihren großen Bruder von nun an lapidar Devon-der-tot-ist und sucht nach einer Lösung für ihre Trauer, die sie nicht versteht. Immer war es Devon gewesen, der ihr die Welt erklärte und sie beschützte. Denn in ihrer Welt ist alles schwarz oder weiß, Zwischentöne verwirren sie, und die gut gemeinten Gesprächsangebote der Erwachsenen kann sie nicht ertragen. Hilfe findet sie eher in Büchern, vor allem in ihrem geliebten Wörterbuch. Dort entdeckt sie das Wort „Abschließen“, das ihr eine eigene Lösung eröffnet, Abschied von ihrem Bruder zu nehmen. Und sie erfährt die Bedeutung von Mitgefühl, als sie den siebenjährigen Michael kennen lernt, der seine Mutter, eine Lehrerin, bei dem Attentat verloren hat. Zusammen mit ihm entdeckt sie die Schönheit der Farben.
Beiden Autorinnen (und ihren großartigen Übersetzerinnen) gelingt es auf unterschiedliche Weise doch ähnlich berührend, glaubwürdig und literarisch herausragend zu zeigen, wie sehr diese Krankheit das Leben der Betroffenen selbst und das ihrer nächsten Angehörigen prägt.
HILDE ELISABETH MENZEL
Jenny Jägerfeld: Der Schmerz, die Zukunft, meine Irrtümer und ich. Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Hanser 2014. 286 Seiten, 14,90 Euro. (ab 14 Jahre)
Kathryn Erskine: Schwarzweiss hat viele Farben. Deutsch von Ingrid Ickler. Knesebeck 2014. 224 Seiten. 14,95 Euro. (ab 12 Jahre)
In ihrer Welt ist alles
schwarz und weiß,
Zwischentöne verwirren sie
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"'Der Schmerz, die Zukunft, (meine) Irrtümer und ich' ist einer der stärksten Adoleszenzromane der letzten Zeit. ... Trotz abgesägtem Daumen und ernsten Problemen ein herrlich-skurriles Vergnügen." Christine Lötscher, Zürcher Tagesanzeiger, 11.02.14
"Mit Galgenhumor und scharfer Feder formuliert die Autorin ein psychologisches Porträt von besonderer Glaubwürdigkeit. Ein berührender Jugendroman." Deutschlandfunk, 05.04.14
"Mit Galgenhumor und scharfer Feder formuliert die Autorin ein psychologisches Porträt von besonderer Glaubwürdigkeit. Ein berührender Jugendroman." Deutschlandfunk, 05.04.14