Eine Serie von mysteriösen Todesfällen beschäftigt die italienische Polizei. In einem süditalienischen Badeort verschwinden oder sterben elf Kurgäste, sie alle sind mittleren Alters und vermögend, alle leiden an Heuschnupfen und sind Ausländer. Dachte man zunächst noch an Unglücksfälle oder Selbstmorde, so verdichtet sich - nach Einschaltung der Interpol - doch der Verdacht, einem größeren organisierten Verbrechen auf der Spur zu sein.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.09.2006Band 37
Vom Himmel in die Hölle
Stanislav Lems „Der Schnupfen”
Der alternde Haudegen ist eine der Lieblingsfiguren der Spannungsliteratur, und sein Lebensgefühl ist ein Longdrink eigener Art: Man nehme reichlich resignative Erfahrung, gebe einen kräftigen Schuss Todesangst hinzu und versüße das Ganze mit einem Tropfen sirupdicker Wut, dem Vorgeschmack eines letzten gewalttätigen Aufbäumens. Säure, Bitternis und Süße müssen in einem solchen Kerl, der seine flotten Jahre hinter sich, die Lethargie des Alters aber noch vor sich hat, gekonnt gemixt sein.
Lem lässt einen fünfzigjährigen amerikanischen Ex-Astronauten als Ich-Erzähler vor den Leser treten. Zweimal hat der inzwischen zur Korpulenz neigende Hüne die Erde aus einer Umlaufbahn gesehen, den Mond durfte er allerdings nicht betreten und in das Projekt, das für ihn die Aura großer Zukunft atmete, die Mars-Planung der Nasa, wurde er nicht mehr aufgenommen. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist der ausgemusterte Weltraumfahrer im Auftrag einer US-amerikanischen Detektei nach Europa gekommen. Ein knappes Dutzend seiner Landsleute scheinen mit Drogen in Wahnsinn und Tod getrieben worden zu sein. Halb als Köder, halb als Ermittler macht er sich auf den Weg von Neapel nach Paris.
Ein Zeitspiel beginnt. Zur Krise des Lebensalters, zur Verlorenheit im Strom der Zeitgeschichte tritt als dritte Zeiterfahrung die abenteuerliche Reise. Auf dem Flughafen von Rom bricht das Unheil wie aus dem Nichts über ihn herein. Im Inferno eines Terroranschlags gelingt es ihm, nicht nur sich selbst, sondern auch ein halbwüchsiges Mädchen zu retten. Als Bewahrer junger Weiblichkeit, als Ritter, der die Prinzessin schützt, dient er einer Zukunft, die sich bereits anschickt, ihn als ein Auslaufmodell des technischen Fortschritts hinter sich zu lassen. Diese altmodische Grandiosität tröstet eine Weile. Denn in Paris hält die Handlung tagelang den Atem an. Der Astronaut räsoniert mit Mathematikern, Informatikern, Kriminalisten über Zufall und Kausalität, über die komplizierte Mechanik der Zeitläufte. Und obwohl die klugen Kerle das Rätsel der verrückt gewordenen Amerikaner nicht lösen können, so scheint es doch in einer weiten Reflexions-Schleife beruhigend geborgen.
Dann aber holt das Schicksal zu seinem zweiten Schlag aus. Und ohne Umschweife zielt es nun auf jenes Kontinuum aus Körperempfinden, Weltwahrnehmung und Bescheidwissen, in dem sich unser Held jahrelang wie ein Fisch im Wasser fühlte. Allein in einem Hotelzimmer geht der alte Recke in die letzte Runde seiner Reise. Der wahre Trip beginnt. Das Medium aller Medien, das sich selbsttätig erneuernde Gegenwartsgefühl, beginnt sich in etwas Feindseliges zu verwandeln. Und gekettet an einen Heizkörper erlebt der Astronaut das biedere Hier und Jetzt als ein psychedelisches Inferno, gegen das sogar die giftige Atmosphäre des Mars ein Hort der Gemütlichkeit gewesen wäre.
GEORG KLEIN
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Vom Himmel in die Hölle
Stanislav Lems „Der Schnupfen”
Der alternde Haudegen ist eine der Lieblingsfiguren der Spannungsliteratur, und sein Lebensgefühl ist ein Longdrink eigener Art: Man nehme reichlich resignative Erfahrung, gebe einen kräftigen Schuss Todesangst hinzu und versüße das Ganze mit einem Tropfen sirupdicker Wut, dem Vorgeschmack eines letzten gewalttätigen Aufbäumens. Säure, Bitternis und Süße müssen in einem solchen Kerl, der seine flotten Jahre hinter sich, die Lethargie des Alters aber noch vor sich hat, gekonnt gemixt sein.
Lem lässt einen fünfzigjährigen amerikanischen Ex-Astronauten als Ich-Erzähler vor den Leser treten. Zweimal hat der inzwischen zur Korpulenz neigende Hüne die Erde aus einer Umlaufbahn gesehen, den Mond durfte er allerdings nicht betreten und in das Projekt, das für ihn die Aura großer Zukunft atmete, die Mars-Planung der Nasa, wurde er nicht mehr aufgenommen. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist der ausgemusterte Weltraumfahrer im Auftrag einer US-amerikanischen Detektei nach Europa gekommen. Ein knappes Dutzend seiner Landsleute scheinen mit Drogen in Wahnsinn und Tod getrieben worden zu sein. Halb als Köder, halb als Ermittler macht er sich auf den Weg von Neapel nach Paris.
Ein Zeitspiel beginnt. Zur Krise des Lebensalters, zur Verlorenheit im Strom der Zeitgeschichte tritt als dritte Zeiterfahrung die abenteuerliche Reise. Auf dem Flughafen von Rom bricht das Unheil wie aus dem Nichts über ihn herein. Im Inferno eines Terroranschlags gelingt es ihm, nicht nur sich selbst, sondern auch ein halbwüchsiges Mädchen zu retten. Als Bewahrer junger Weiblichkeit, als Ritter, der die Prinzessin schützt, dient er einer Zukunft, die sich bereits anschickt, ihn als ein Auslaufmodell des technischen Fortschritts hinter sich zu lassen. Diese altmodische Grandiosität tröstet eine Weile. Denn in Paris hält die Handlung tagelang den Atem an. Der Astronaut räsoniert mit Mathematikern, Informatikern, Kriminalisten über Zufall und Kausalität, über die komplizierte Mechanik der Zeitläufte. Und obwohl die klugen Kerle das Rätsel der verrückt gewordenen Amerikaner nicht lösen können, so scheint es doch in einer weiten Reflexions-Schleife beruhigend geborgen.
Dann aber holt das Schicksal zu seinem zweiten Schlag aus. Und ohne Umschweife zielt es nun auf jenes Kontinuum aus Körperempfinden, Weltwahrnehmung und Bescheidwissen, in dem sich unser Held jahrelang wie ein Fisch im Wasser fühlte. Allein in einem Hotelzimmer geht der alte Recke in die letzte Runde seiner Reise. Der wahre Trip beginnt. Das Medium aller Medien, das sich selbsttätig erneuernde Gegenwartsgefühl, beginnt sich in etwas Feindseliges zu verwandeln. Und gekettet an einen Heizkörper erlebt der Astronaut das biedere Hier und Jetzt als ein psychedelisches Inferno, gegen das sogar die giftige Atmosphäre des Mars ein Hort der Gemütlichkeit gewesen wäre.
GEORG KLEIN
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