Der Vater erschießt die Mutter, zielt auf die Tochter, drückt nicht ab, bringt sich dann selbst um. Der Schrei der Sanduhr ist die Geschichte eines Mädchens, das zwischen einem dominanten Vater arabischer Herkunft und einer strengen katholischen Mutter bis zu seinem zehnten Lebensjahr aufgewachsen ist und dabei vernachlässigt und mißhandelt wurde. Später wird es von Schuldgefühlen geplagt. Als junge Frau verliebt sie sich ausgerechnet in einen gewalttätigen arabischen Schriftsteller, den sie auch heiratet. Die Trennung von ihm ist eine erste Befreiung von dem Trauma ihrer Kindheit. Chloe Delaume erzählt hier die eigene Geschichte, schnell, knapp, manchmal radikal verkürzt, dann wieder ruhig, lakonisch. Rhythmus und Musikalität bestimmen ihren Stil. Dieser ungewöhnliche poetische Text ist ein Beispiel für die Kraft von Literatur.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Thomas Laux hatte sich schon gefreut, dass unter Frankreichs Autorinnen die Literatur der "narzisstisch überdrehten oder ins Pornografische gewendete Selbstfindungsprogramme" erst mal ausgedient hatte. Allerdings war ihm die Lektüre von Chloe Delaume zweitem Buch nicht angenehmer, zumal er feststellen musste, dass "gewisse Sedimentformen" dieser schrillen Töne offenbar überlebt haben. Nicht, dass die junge Autorin libanesischer Herkunft kein Talent hätte - im Gegenteil. Nur vergeude sie es leider an "kompromisslosen Formwillen" und "psychoanalytischen Aplomb". Ein autobiografisch gefärbter "Bericht über Leid und Befreiung" eines ungeliebten Kindes, den der Rezensent in seiner Maniriertheit beinahe unerträglich fand.
© Perlentaucher Medien GmbH
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