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Der Zionismus als Projekt literarischer Imagination und nicht als Projekt praktischer Politik.Theodor Herzls (1860-1904) Karriere könnte man wie einen Entwicklungsroman erzählen: Ein junger Mann zieht in die Hauptstadt und macht dort Erfahrungen, die sein Denken so verändern, dass er schließlich die Welt verändert. Oder man könnte einen Bildungsroman erzählen: Ein Wiener Kaffeehausliterat wird zum engagierten Schriftsteller und dann zum politischen Führer einer weltumspannenden Bewegung, deren Folgen noch immer Schlagzeilen machen.Tatsächlich war Theodor Herzl - gebürtiger Ungar,…mehr

Produktbeschreibung
Der Zionismus als Projekt literarischer Imagination und nicht als Projekt praktischer Politik.Theodor Herzls (1860-1904) Karriere könnte man wie einen Entwicklungsroman erzählen: Ein junger Mann zieht in die Hauptstadt und macht dort Erfahrungen, die sein Denken so verändern, dass er schließlich die Welt verändert. Oder man könnte einen Bildungsroman erzählen: Ein Wiener Kaffeehausliterat wird zum engagierten Schriftsteller und dann zum politischen Führer einer weltumspannenden Bewegung, deren Folgen noch immer Schlagzeilen machen.Tatsächlich war Theodor Herzl - gebürtiger Ungar, österreichischer Staatsangehöriger und deutscher Bildungsbürger - ein säkularer assimilierter Jude, der seine literarischen Ambitionen mit politischen Mitteln verwirklichte. Denn Herzl begriff den Antisemitismus seiner Zeit als ein national-politisches Problem, das nach einer national-politischen Lösung verlangte. Diese Lösung fand er im zionistischen Projekt, das er in Propagandaschriften mit großem rhetorischen und narrativen Geschick artikulierte. Diese Schriften, vielfach übersetzt und in vielen Auflagen erschienen, wurden zu den folgenreichsten Veröffentlichungen der europäisch-jüdischen Geschichte - und Herzl selber wurde zu einem der bedeutendsten engagierten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.Zum 150. Geburtstag Theodor Herzls am 2. Mai 2010
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2010

Theodor Herzls Wink aus dem Ghetto

In der "Traumdeutung" erinnert Sigmund Freud an einen Traum von der "Sorge um die Zukunft der Kinder, denen man ein Vaterland nicht geben kann". Den Tagrest zur "Judenfrage" verdankte sich dem Schauspiel "Das neue Ghetto", das Freud 1897 in Wien aufgeführt sah. Ein jüdischer Rechtsanwalt versucht sich darin im Duell gegen antisemitische Beschimpfungen eines Rittmeisters zu verteidigen. Doch er wird tödlich verwundet und kann nur noch mit Bühnenpathos seinen letzten Wunsch verkünden: "Ich will - hinaus! Hinaus - aus - dem Ghetto!"

Der Verfasser des Stücks war der Rechtsanwalt Theodor Herzl, der wie Freud in der Wiener Berggasse wohnte, nur ein paar Häuser entfernt. In einem Essay zu seinem 150. Geburtstag am 2. Mai entwickelt die Journalistin Stefana Sabin jetzt knapp Herzls Wegweisung aus dem Ghetto ("Der Schriftsteller als Politiker". Theodor Herzl und das zionistische Engagement. Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 32 S., br., 9,90 [Euro]). Dabei war besonders ein Ereignis für den ungarischen Juden mit österreichischer Staatsbürgerschaft und deutscher kultureller Prägung entscheidend: Die Affäre um Alfred Dreyfus, der sich 1894 im französischen Generalstab gegen den Vorwurf des Landesverrates zu verantworten hatte. Verurteilt und verbannt wurde er jedoch aufgrund seiner jüdischen Herkunft. Die journalistische Berichterstattung über diesen Fall machte Herzl berühmt, seine Feuilletons erschienen 1895 unter dem Titel "Das Palais Bourbon". "Mit Dreyfus' Säbel im Hof der Ècole Militaire" - so Sabin - "zerbrach auch Herzls Glaube an die Assimilation."

Die empörende Rechtsbeugung in diesem Prozess machte Herzl zum Zionisten. Von nun an deklarierte er das jüdische Problem als ein nationales, das eine politische Lösung verlange. In seiner höchst erfolgreichen und in viele Sprachen übersetzen Schrift "Der Judenstaat" (1896) sowie auf dem im Folgejahr von ihm organisierten ersten zionistischen Weltkongress in Basel forderte er eine Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina. Von der Palästina-Reise Kaiser Wilhelms II. 1898 bis zur Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 begleitete dieses Programm ein halbes Jahrhundert von Verhandlungen. Das politische Tauziehen flankierte Herzls Roman "Altneuland" (1902), der nicht für die literarische Qualität, wohl aber um seiner politischen Wirkung willen als eines der großen Bücher des 20. Jahrhunderts zu gelten hat.

Der raffinierte Titel, also das Altland der Väter als politisches Neuland zu begreifen und umgekehrt, lautet in der hebräischen Übersetzung "Tel Aviv" ("Frühlingshügel") und gab der Stadt ihren Namen. Leider hat die konfliktreiche Geschichte der letzten Jahrzehnte die Naivität dieses zwischen Weltschmerz und Pionierromantik changierenden Textes erwiesen. Herzl träumt vom Aufbau eines wirtschaftlich florierenden Staates, dessen Aufstieg von religiösen und ethnischen Differenzen unberührt bleiben und der ohne Militär auskommen könne. Das "primitive" Volk der Palästinenser werde sich den aufgeklärten europäischen Juden dann schon anschließen. Was aus seinen Plänen werden würde, konnte Herzl nicht ahnen. Er starb 1904, "als Agitator weltberühmt", wie er es im Tagebuch richtig einschätzte.

ALEXANDER KOSENINA

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Voll des Lobes ist Oliver Pfohlmann angesichts von Stefana Sabins instruktivem Essay über den Schriftsteller und Journalisten Theodor Herzl, den Urvater des modernen politischen Zionismus. Mit Interesse liest der Rezensent nicht nur, dass Herzls Vorstellungen vom jüdischen Staat in Palästina "völlig säkular" waren und sich vor allem auf wirtschaftlichen Fortschritt konzentrierten. Er erfährt zudem zu seiner Überraschung, dass der Schriftsteller insbesondere in seinem Roman "Altneuland" von 1902 als Vorreiter des sozialistischen Realismus zu erkennen ist, wie die Autorin einleuchtend darlege.

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