Mehr als nur ein Schulroman: Ein Roman über das Leben.
Kurt Gerber ist ein begabter Schüler und steht kurz vor der Reifeprüfung. Einziges Problem: Der herrschsüchtige und sadistische Professor Kupfer quält ihn ständig mit seinem schwachen Fach Mathematik. Kupfer unterrichtet aber nicht nur Mathematik, sondern ist auch noch der Klassenlehrer und nutzt jede Gelegenheit, die Schüler zu demütigen.
Aber nicht nur die Schule belastet Gerber: Seine erste Liebe ist eben gescheitert und sein Vater ist todkrank. Und natürlich will Gerber seinem Vater eine Enttäuschung ersparen. So bleibt ihm nur, den ungleichen Kampf mit dem übermächtigen Professor Kupfer aufzunehmen ...
Das ist kein Schulroman mehr, das ist ein hellsichtiger, überwacher, visionärer Durchblick ins Gesamtbild unseres Daseins. das Rätsel Schule wird nach allen Richtungen hin in das größere Rätsel Leben eingebaut.
Max Brod
Kurt Gerber ist ein begabter Schüler und steht kurz vor der Reifeprüfung. Einziges Problem: Der herrschsüchtige und sadistische Professor Kupfer quält ihn ständig mit seinem schwachen Fach Mathematik. Kupfer unterrichtet aber nicht nur Mathematik, sondern ist auch noch der Klassenlehrer und nutzt jede Gelegenheit, die Schüler zu demütigen.
Aber nicht nur die Schule belastet Gerber: Seine erste Liebe ist eben gescheitert und sein Vater ist todkrank. Und natürlich will Gerber seinem Vater eine Enttäuschung ersparen. So bleibt ihm nur, den ungleichen Kampf mit dem übermächtigen Professor Kupfer aufzunehmen ...
Das ist kein Schulroman mehr, das ist ein hellsichtiger, überwacher, visionärer Durchblick ins Gesamtbild unseres Daseins. das Rätsel Schule wird nach allen Richtungen hin in das größere Rätsel Leben eingebaut.
Max Brod
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2002Der blinde Lauf ins Verderben
Die Geschichte des Schülers Gerber trägt das Gepräge des Scheiterns von Anfang an. Kurt Gerber, der intelligente, aber, wie alle intelligenten Schüler, keineswegs übertrieben fleißige Realgymnasiast, bekommt es in seinem in jeder Hinsicht letzten Jahr mit einem Gegner zu tun, dem göttliche Macht verliehen ist - sofern man das Mitbestimmen über das Schicksal anderer als etwas Göttliches bezeichnen will.
Daß sich dies so wenig segensreich auswirkt, tut dem Attribut keinen Abbruch: "Gott Kupfer", wie der Mathematik- und Klassenlehrer Artur Kupfer von den Schülern nicht etwa wegen seiner Güte genannt wird, "sieht alles, merkt alles, weiß alles". Zu seiner enormen Wachsam- und Scharfsinnigkeit aber kommt etwas hinzu, das den Kampf Gerbers gegen diese Lehrkraft aussichtslos macht: die von Mitleid oder sonstigen nachsichtigen Regungen vollständig freie Freude am Schikanieren, ja am Quälen von jungen Menschen.
So etwas gibt es und ist eigentlich auch menschlich, sofern auch das Grausame zum Menschen gehört. Unzählig viele Schüler werden das schon erlebt und dabei wohl auch die Tatsache verflucht haben, daß sie einem Menschenschinder ausgeliefert sind. In Gerbers Fall aber kommt hinzu, daß er das Verhängnis, in das er rennt, nicht sieht. Der Vater, dem Kupfer eine Kostprobe seiner Veranlagung gegeben hat - "Solche Früchtchen kriege ich noch klein!", als ginge es gar nicht um Erziehung und Bildung -, rät dem Sohn schon im voraus, aber vergebens dazu, die Schule zu wechseln.
So nimmt das Schicksal seinen ungerechten Lauf; Gerber will sich einem Zweikampf stellen, über dessen Ernst der Leser frühzeitig unterrichtet wird: "Dieser Gerber! Kupfer freute sich auf ihn wie ein Kind auf ein neues Spielzeug: er wollte ihn ruinieren." Daß der Ruin kommt, liegt aber auch am jungmännerhaften Trotz dessen, der der möglicherweise irrigen Meinung ist, man müsse auch einen so empörend ungleichen Kampf wie diesen aufnehmen. Kupfer schikaniert ihn nach Belieben - durch willkürliches Erteilen ungenügender Noten oder, was auch nicht angenehmer ist, Ignorieren seines guten Willens. Dieser muß denn auch genauso bald erlahmen wie die Gegenwehr, die Gerber zumindest anfangs noch zu leisten versucht.
Er hat es aber nicht nur mit Kupfer, sondern auch mit einem Klassensystem zu tun, das Solidarität und Anteilnahme als Schwäche auslegt. Und die Energie, die nötig gewesen wäre, sich denen dauerhaft anzuschließen, die ihm noch hätten helfen können, verschwendet er an eine aussichtslose Liebelei, über die seine Mitschüler sich nur lustig machen. Sehr erschwerend kommt schließlich hinzu, daß sein eigener Vater ihn unter Druck setzt und, unterstützt von einer ängstlichen Mutter, buchstäblich droht, an einem Herzanfall zu sterben für den Fall, daß Kurt durchs Abitur fällt.
Daß dies ausbleibt und Gerber bestanden hätte, macht die Tragik von Friedrich Torbergs 1930 erstmals und 1954 in einer Neufassung erschienenem Roman "Der Schüler Gerber" aus, dessen Größe aber noch in etwas anderem liegt: Es bleibt dem Leser überlassen, die Schuld an diesem subtil ausgeleuchteten Schülerdrama nicht nur Gott Kupfer in die Schuhe zu schieben, sondern auch Gerbers Ungeschicklichkeit.
Und es bleibt offen, ob Schule und Leben mehr miteinander gemein haben, als redensartlich zum Ausdruck kommt. Gerber ist der Auffassung, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, und sieht in der Schule nur ein leeres Exzerzitium: "Ich glaube, man täte ihr zuviel Ehre an, wenn man ihretwegen auf ein Leben verzichten wollte, das Gott sei Dank nichts mit ihr gemein hat." Aber - auch das läßt Torberg grandios in der Schwebe - ob der Fenstersturz, zu dem sich Gerber nach, wie er wähnt: nicht bestandener Abiturprüfung wie in einer Halluzination entschließt, nicht doch eine Widerlegung dieser allzu selbstgewissen Auffassung ist, das ist eine Frage, die jeder Schüler nur für sich beantworten kann.
EDO REENTS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Geschichte des Schülers Gerber trägt das Gepräge des Scheiterns von Anfang an. Kurt Gerber, der intelligente, aber, wie alle intelligenten Schüler, keineswegs übertrieben fleißige Realgymnasiast, bekommt es in seinem in jeder Hinsicht letzten Jahr mit einem Gegner zu tun, dem göttliche Macht verliehen ist - sofern man das Mitbestimmen über das Schicksal anderer als etwas Göttliches bezeichnen will.
Daß sich dies so wenig segensreich auswirkt, tut dem Attribut keinen Abbruch: "Gott Kupfer", wie der Mathematik- und Klassenlehrer Artur Kupfer von den Schülern nicht etwa wegen seiner Güte genannt wird, "sieht alles, merkt alles, weiß alles". Zu seiner enormen Wachsam- und Scharfsinnigkeit aber kommt etwas hinzu, das den Kampf Gerbers gegen diese Lehrkraft aussichtslos macht: die von Mitleid oder sonstigen nachsichtigen Regungen vollständig freie Freude am Schikanieren, ja am Quälen von jungen Menschen.
So etwas gibt es und ist eigentlich auch menschlich, sofern auch das Grausame zum Menschen gehört. Unzählig viele Schüler werden das schon erlebt und dabei wohl auch die Tatsache verflucht haben, daß sie einem Menschenschinder ausgeliefert sind. In Gerbers Fall aber kommt hinzu, daß er das Verhängnis, in das er rennt, nicht sieht. Der Vater, dem Kupfer eine Kostprobe seiner Veranlagung gegeben hat - "Solche Früchtchen kriege ich noch klein!", als ginge es gar nicht um Erziehung und Bildung -, rät dem Sohn schon im voraus, aber vergebens dazu, die Schule zu wechseln.
So nimmt das Schicksal seinen ungerechten Lauf; Gerber will sich einem Zweikampf stellen, über dessen Ernst der Leser frühzeitig unterrichtet wird: "Dieser Gerber! Kupfer freute sich auf ihn wie ein Kind auf ein neues Spielzeug: er wollte ihn ruinieren." Daß der Ruin kommt, liegt aber auch am jungmännerhaften Trotz dessen, der der möglicherweise irrigen Meinung ist, man müsse auch einen so empörend ungleichen Kampf wie diesen aufnehmen. Kupfer schikaniert ihn nach Belieben - durch willkürliches Erteilen ungenügender Noten oder, was auch nicht angenehmer ist, Ignorieren seines guten Willens. Dieser muß denn auch genauso bald erlahmen wie die Gegenwehr, die Gerber zumindest anfangs noch zu leisten versucht.
Er hat es aber nicht nur mit Kupfer, sondern auch mit einem Klassensystem zu tun, das Solidarität und Anteilnahme als Schwäche auslegt. Und die Energie, die nötig gewesen wäre, sich denen dauerhaft anzuschließen, die ihm noch hätten helfen können, verschwendet er an eine aussichtslose Liebelei, über die seine Mitschüler sich nur lustig machen. Sehr erschwerend kommt schließlich hinzu, daß sein eigener Vater ihn unter Druck setzt und, unterstützt von einer ängstlichen Mutter, buchstäblich droht, an einem Herzanfall zu sterben für den Fall, daß Kurt durchs Abitur fällt.
Daß dies ausbleibt und Gerber bestanden hätte, macht die Tragik von Friedrich Torbergs 1930 erstmals und 1954 in einer Neufassung erschienenem Roman "Der Schüler Gerber" aus, dessen Größe aber noch in etwas anderem liegt: Es bleibt dem Leser überlassen, die Schuld an diesem subtil ausgeleuchteten Schülerdrama nicht nur Gott Kupfer in die Schuhe zu schieben, sondern auch Gerbers Ungeschicklichkeit.
Und es bleibt offen, ob Schule und Leben mehr miteinander gemein haben, als redensartlich zum Ausdruck kommt. Gerber ist der Auffassung, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, und sieht in der Schule nur ein leeres Exzerzitium: "Ich glaube, man täte ihr zuviel Ehre an, wenn man ihretwegen auf ein Leben verzichten wollte, das Gott sei Dank nichts mit ihr gemein hat." Aber - auch das läßt Torberg grandios in der Schwebe - ob der Fenstersturz, zu dem sich Gerber nach, wie er wähnt: nicht bestandener Abiturprüfung wie in einer Halluzination entschließt, nicht doch eine Widerlegung dieser allzu selbstgewissen Auffassung ist, das ist eine Frage, die jeder Schüler nur für sich beantworten kann.
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