16 Autorinnen und Autoren erzählen in dieser einzigartigen Anthologie Geschichten um und über den Fußball in Brasilien. Über die Träume, Hoffnungen und Wünsche, die sich mit ihm verbinden. Über die zauberhafte Magie des Balls, die Unvorhersehbarkeiten eines Spielverlaufs, der Härten, Ungerechtigkeiten und Überraschungen birgt, über sagenhafte Aufstiege und bittere Enttäuschungen. Die Erzählungen zeigen, dass Fußball das Terrain großer Gefühle ist, aber auch leise und einfühlsame Töne zulässt. Und dass auch Fußballnieten durchaus imstande sind, ein glückliches Leben zu führen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2014Gegen den Strich gebürstet
Als Luiz Ruffato vor einem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse sprach, tat er etwas ziemlich Unerhörtes. Er geißelte sein Heimatland in seiner Festrede als scheinheilig, ignorant, rassistisch, homophob, gewalttätig und feige, wie die Zeitung "O Globo" aufgeregt nach Brasilien übermittelte. Das muss man sich erst mal trauen bei so einem Anlass, aber weil Ruffato einer der prominentesten Kritiker der brasilianischen Zustände ist, kam das auch nicht völlig überraschend. Ruffato ist Schriftsteller, und er liebt den Fußball. So, wie es ihm fremd wäre, Brasilien über seine Klischees zu transportieren, ist auch sein Sammelband "Der schwarze Sohn Gottes" widerspenstig angelegt. Hier wird der Brasilianer liebster Sport kräftig gegen den Strich gebürstet.
Für Ruffato bringt der Fußball nicht das Schöne, sondern oft das Schlechte im Menschen hervor - oder macht ihn blind für das Wesentliche. In den 16 von ihm kompilierten Geschichten treten unter anderem auf: ein Volksheld, der dem Kokain verfallen ist, ein Trainerstar mit "diebischer Gesinnung" und anderen Lastern, dazu diverse Fälle von Verrat, Verfall und zerstörten Familienbanden - der Ball, der doch eigentlich die Welt sein soll, wie es in der drastisch-schaurigen Geschichte von Eliane Brum über die Zerstörung des Paradieses heißt, bringt in diesem Band manches Übel über sie. Und wenn es doch einmal um das Spiel als solches geht, hat das auch nicht zwingend etwas mit Kunst oder Magie zu tun - wann wurde der brasilianische Fußball schon einmal, wie bei Ronaldo Correia de Brito, in der Figur eines Schlachters erzählt, der in der Elf seines Betriebs kickt: "Während ich auf das Fleisch wartete, verglich ich das Hantieren des Fleischers mit seinem Spiel auf dem Rasen. Seine Hände, Arme und Beine in lebhaftem Schwung, seine präzise Art, ein Schwanzstück zu zerteilen, es von dem an einem Eisenhaken hängenden Kadaver zu trennen, sich zwischen den aufgereihten, grobschlächtigen Körpern bis zum Tor durchzuschlängeln, den Ball am Fuß zu führen, die Verteidigungslinien des Gegners zu durchstoßen und den Ball zu versenken."
In Tagen, in denen einen das Bild von den Brasilianern als buntem Volk karnevalesker Sambakicker bis in den Schlaf verfolgt, ist dieses Buch ein willkommenes Gegenmittel. "Ein Tor der Worte" heißt die Geschichte, die Ruffato selbst beigesteuert hat - hochverdientes 1:0 für sein Team.
camp.
Luiz Ruffato (Hg.): Der schwarze Sohn Gottes. 16 Fußballgeschichten aus Brasilien. Assoziation A, 184 Seiten, 16 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als Luiz Ruffato vor einem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse sprach, tat er etwas ziemlich Unerhörtes. Er geißelte sein Heimatland in seiner Festrede als scheinheilig, ignorant, rassistisch, homophob, gewalttätig und feige, wie die Zeitung "O Globo" aufgeregt nach Brasilien übermittelte. Das muss man sich erst mal trauen bei so einem Anlass, aber weil Ruffato einer der prominentesten Kritiker der brasilianischen Zustände ist, kam das auch nicht völlig überraschend. Ruffato ist Schriftsteller, und er liebt den Fußball. So, wie es ihm fremd wäre, Brasilien über seine Klischees zu transportieren, ist auch sein Sammelband "Der schwarze Sohn Gottes" widerspenstig angelegt. Hier wird der Brasilianer liebster Sport kräftig gegen den Strich gebürstet.
Für Ruffato bringt der Fußball nicht das Schöne, sondern oft das Schlechte im Menschen hervor - oder macht ihn blind für das Wesentliche. In den 16 von ihm kompilierten Geschichten treten unter anderem auf: ein Volksheld, der dem Kokain verfallen ist, ein Trainerstar mit "diebischer Gesinnung" und anderen Lastern, dazu diverse Fälle von Verrat, Verfall und zerstörten Familienbanden - der Ball, der doch eigentlich die Welt sein soll, wie es in der drastisch-schaurigen Geschichte von Eliane Brum über die Zerstörung des Paradieses heißt, bringt in diesem Band manches Übel über sie. Und wenn es doch einmal um das Spiel als solches geht, hat das auch nicht zwingend etwas mit Kunst oder Magie zu tun - wann wurde der brasilianische Fußball schon einmal, wie bei Ronaldo Correia de Brito, in der Figur eines Schlachters erzählt, der in der Elf seines Betriebs kickt: "Während ich auf das Fleisch wartete, verglich ich das Hantieren des Fleischers mit seinem Spiel auf dem Rasen. Seine Hände, Arme und Beine in lebhaftem Schwung, seine präzise Art, ein Schwanzstück zu zerteilen, es von dem an einem Eisenhaken hängenden Kadaver zu trennen, sich zwischen den aufgereihten, grobschlächtigen Körpern bis zum Tor durchzuschlängeln, den Ball am Fuß zu führen, die Verteidigungslinien des Gegners zu durchstoßen und den Ball zu versenken."
In Tagen, in denen einen das Bild von den Brasilianern als buntem Volk karnevalesker Sambakicker bis in den Schlaf verfolgt, ist dieses Buch ein willkommenes Gegenmittel. "Ein Tor der Worte" heißt die Geschichte, die Ruffato selbst beigesteuert hat - hochverdientes 1:0 für sein Team.
camp.
Luiz Ruffato (Hg.): Der schwarze Sohn Gottes. 16 Fußballgeschichten aus Brasilien. Assoziation A, 184 Seiten, 16 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main