Jean Roscoff versteht die Welt nicht mehr. Eigentlich wollte er mit seinem Buch Der Seher von Étampes eine Hommage auf einen unbekannten afroamerikanischen Dichter schreiben, stattdessen hat er den größten Literaturskandal in der jüngeren Geschichte Frankreichs ausgelöst. Im Internet wütet ein heftiger Shitstorm, Presse und Rundfunk machen dem pensionierten Akademiker mit Hang zu Alkohol, Nostalgie und Fettnäpfchen öffentlich den Prozess. Der Vorwurf: kulturelle Aneignung. Denn seit Roscoff in den 1980er-Jahren als löwenmähniger Postpunk auf die Straße ging, haben sich die ideologischen Koordinaten des linken Antirassismus verschoben. Was einst progressiv war, gilt heute als reaktionär.
Wie ein Seismograf für gesellschaftliche Erdbeben verzeichnet Abel Quentin die neuesten Verwerfungen im unwegsamen Terrain der Moral. Mit satirischem Scharfsinn seziert er die Dynamiken des digitalen Meinungskampfes und entwirft ein bissiges Porträt der Medienwelt. Vor allem aber nimmt er seine Figuren beim Wort, folgt ihnen durch ihre höchst unterschiedlichen Milieus und interessiert sich - immer scharfzüngig, nie gnadenlos - für ihr Hadern mit der Welt, den anderen und sich selbst.
Wie ein Seismograf für gesellschaftliche Erdbeben verzeichnet Abel Quentin die neuesten Verwerfungen im unwegsamen Terrain der Moral. Mit satirischem Scharfsinn seziert er die Dynamiken des digitalen Meinungskampfes und entwirft ein bissiges Porträt der Medienwelt. Vor allem aber nimmt er seine Figuren beim Wort, folgt ihnen durch ihre höchst unterschiedlichen Milieus und interessiert sich - immer scharfzüngig, nie gnadenlos - für ihr Hadern mit der Welt, den anderen und sich selbst.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Zufriedener kann man nicht sein: Rezensent Dirk Fuhrig freut sich riesig über Abel Quentins "Gesellschafts- und Mediensatire", die der "anti-woke Roman der Saison" sei. Quentin erzählt die Geschichte eines "alten, weißen" Literaten, der ein letztes Forschungsprojekt startet: Er will die Geschichte eines schwarzen Dichters erzählen, der als Kommunist aus den McCarthy-USA nach Frankreich kam. Doch weder Hautfarbe noch Herkunft sind für Rascoff - selbst Sozialist und engagierter Gegner von Diskriminierung - wichtig, vielmehr will er den Dichter in seiner Universalität darstellen. Und genau damit gerät er in die Zange der Progressiven, die ihm vom Rassismus bis zur kulturellen Aneignung alles Mögliche unterstellen. Fuhrig ist begeistert von Quentins Fähigkeit, diese Hysterie zu beschreiben und den Opportunismus des intellektuellen Milieus herauszustellen. Er kann es kaum fassen, wie Quentin es wagt, mit Stereotypen wie besserwisserischen Lesben oder affektierten Lektorinnen, verschulten und feigen Kleinverlegern oder gierigen Medienanwälten zu arbeiten, und dieser Mut des Autors veranlasst ihn schließlich, diesem "hervorragenden" Buch ein dickes Lob auszusprechen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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