Sich mit der Eisenbahn-Architektur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zu befassen, hat etwas Abenteuerliches. Die Welt, in die der Betrachter eintritt, ist voller Zeichen, Symbole, Sagengestalten, Dämonen und Götter, die von Anfang an im "Siegeszug der Eisenbahn" präsent waren. Wer aus großer Distanz den gesamten Komplex überblickt, die Landschaft mit den Bahntrassen und Schienensträngen, den Brücken und Tunnels, den Bahnhöfen mit den Betriebsgebäuden, darin die rollenden Züge sieht: dem mag die ganze Eisenbahn wie eine Inszenierung erscheinen, in der von Menschheitsträumen erzählt wird, vom Reisen und vom Erfahren der Welt, vom überwinden des Raumes und vom Sieg über die von der Natur gesetzten Grenzen. Seit jeher sah man das Ganze und seine Teile bildhaft, immer nahm man das einzelne Bauwerk, das man vor sich sah, auch in seinem Zeichencharakter wahr. Das zeigt ein Blick auf die wiederkehrenden alten und starken Symbole, auf Rad, Flügel, Fahne, Burg, Tor und Bogen, auf die alten Götter als Repräsentanten von Kräften und als Mittler zwischen lebendigen Vorstellungen und ihren unbewußten Gründen. Wie stark diese aus der Tiefe wirkenden Kräfte sind, zeigt sich in jener Göttergestalt, in der der Wunsch nach schneller Fortbewegung und nach Gewinn bildhaft erscheint, Hermes-Merkur. Er ist es auch, der Höhe und Tiefe verbindet. Es ist bemerkenswert, daß dieser Gott, obgleich seit sechzehnhundert Jahren aus dem Kultgeschehen verbannt, auf seinem angestammten Gebiet weiter herrscht und auch gegenwärtig gerufen wird, wo man sich seines Patronsnats zu versichern wünscht. Das Abenteuerliche besteht also eigentlich darin, daß es sich bei der Betrachtung dieser Architektur damanls wie heute um eine Reise ins Innere handelt und also um ein Zwiegespräch, das der Mensch mit sich selbst führt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.