Im Anschluß an die gemeinsame Reise mit Thierry Vernet von Genf nach Afghanistan - eindrücklich geschildert in dem Reisebericht Die Erfahrung der Welt - durchquert Nicolas Bouvier in seinem Fiat Topolino alleine den indischen Subkontinent, um sich im März 1955 vorübergehend auf Ceylon, dem "Smaragd am Halse" Indiens, niederzulassen. Nicht ganz freiwillig wird diese Reiseetappe zum Moment des Innehaltens. Einsam, geschwächt von Krankheiten und träge vom feuchtheißen Klima der Insel, sind seine Sinne für die Wahrnehmung der kleinen Dinge in unmittelbarer Umgebung geschärft. Zunehmend gerät die Reise zur geistigen Gratwanderung eines Mannes, der mit westlichem Blick hin- und hergeworfen zwischen Faszination und Schrecken - die magischen Phänomene der Schatten- und Insektenwelt Ceylons zu erfassen sucht. Dicht, Halluzinationen gleich, folgen sich die Eindrücke, und die tropisch-dumpfe S chwere verwandelt sich in der lichtdurchfluteten Sprache Bouviers in ein schillerndes Wunder. Nicolas Bouviers Skorpionsfisch ist die eindringliche Auseinandersetzung eines weitgereisten und scharfsinnigen Schriftstellers mit den Grundsätzen menschlichen Daseins, eine "Meditation über unsere Wahrnehmung der Welt" (New York Times). George Steiner nannte sie zu recht "ein geheimnisvoll funkelndes, kleines Meisterwerk".
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
In Frankreich hat man Nicolas Bouvier mit Bruce Chatwin verglichen, behauptet Karsten Kredel von dem Schweizer Autor, der in den fünfziger Jahren eine zweijährige Reise durch Osteuropa, die Türkei, Iran, Afghanistan bis nach Pakistan und Indien unternahm. Dort erst setzt "Der Skorpionsfisch" ein, berichtet Kredel, am geografischen Endpunkt dieser Reise, der Insel Ceylon, wie sie damals noch hieß, wohin sich Bouvier nach zwei Jahren "kontinentaler Kontinuität" begab. "Der Skorpionsfisch" gibt einen schlechten Reiseführer über Ceylon ab, warnt Kredel, da sein Verfasser dort eigentlich nichts unternommen habe, sondern in eine Ruhephase geraten sei, wo er sich selbst ausgeliefert war und über die elementaren Erfahrungen des Reisens sinnierte. Bouvier fand in Ceylon "sein Herz der Finsternis", schreibt der Rezensent, doch bleiben die Aufzeichnungen, kleine Miniaturen, eher beiläufig und distanziert. Bouviers Prosa ist so wunderbar knapp, schwärmt Kredel, dass er am liebsten die Sätze wie kleine Perlen aufgereiht sehen und vorführen würde.
© Perlentaucher Medien GmbH
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