Bevor man an die Aufgabe herangeht, Streitfragen des Sozialismus zu erörtern, wird man sich darüber zu äußern haben, was man überhaupt unter Sozialismus versteht, wie weit man den Rahmen des Begriffs gezogen wissen will. Das Wort Sozialismus ist sehr verschiedentlich gedeutet worden. Vielfach wird es als der Ausdruck für einen vorgestellten Zustand gebraucht, dem eine bestimmte Eigentums- und Wirtschaftsordnung zugrunde liegt, und der sich in einem ganzen Idealstaat verkörpern soll. Andere setzen es als gleichbedeutend mit einer Bewegung oder einem Kampf von Gesellschaftsklassen zur Verwirklichung solcher Wirtschaftsordnung, und wieder anderen ist es der Sammelbegriff für eine Summe von Forderungen oder Einrichtungen, denen bestimmte Rechtsgedanken und ethische Begriffe zugrunde liegen. Alle diese Deutungen haben insofern ihre Berechtigung, als sie auf bestimmte Formen des Sozialismus sich beziehen oder bestimmte Seiten der sozialistischen Bewegung kennzeichnen. Aber keine davon erschöpft den Gegenstand. Auch in den Lehrbüchern oder Kompendien der Sozialwissenschaftler stoßen wir auf sehr unterschiedliche Definitionen des Begriffs. Um nicht weiter in der Geschichte zurückzugehen und uns auf Deutsche zu beschränken, so finden wir bei Schmoller eine andere Deutung als bei Roscher, bei Sombart eine andere als bei Schmoller, bei Oppenheimer eine andere als bei Sombart, und so noch weiter. Es wäre nicht uninteressant, sie vergleichend gegeneinander zu halten und festzustellen, was ihnen gemeinsam ist und zu sehen, ob sie sich nicht sozusagen auf einen Generalnenner bringen lassen. Mir scheint jedoch ein anderer Weg ratsamer, nämlich der Weg der Betrachtung der geschichtlichen Erscheinungsformen. Vermöge ihrer werden wir uns, glaube ich, am besten darüber unterrichten können, was wir heute unter Sozialismus zu verstehen haben.
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