Beim Roulette gewinnen, gewinnen um jeden Preis. Dennoch ist der Spieler anfänglich eher abgestoßen von der Atmosphäre der Spielsäle. Er glaubt, nicht kaltblütig genug zu sein, aber nach und nach ergreift die Spielleidenschaft die Persönlichkeit des Erzählers.
Die ereignisreiche Handlung erstreckt sich über wenige Tage in einem Zeitraum von beinahe zwei Jahren. Orte des Geschehens: Paris, eine deutsche Kurstadt, gemeint ist Wiesbaden - und hier spielen auch autobiographische Anspielungen eine Rolle -, und schließlich Paris.
Die ereignisreiche Handlung erstreckt sich über wenige Tage in einem Zeitraum von beinahe zwei Jahren. Orte des Geschehens: Paris, eine deutsche Kurstadt, gemeint ist Wiesbaden - und hier spielen auch autobiographische Anspielungen eine Rolle -, und schließlich Paris.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2020NEUE TASCHENBÜCHER
In Roulettenburg mit einer wilden
Tatarenseele – Dostojewskijs „Spieler“
Das Rad dreht sich und die Kugel rollt, trügerisch schwebend … Das Glück des Spielers, ein magischer Moment, Perpetuum mobile, das nie zur Ruhe kommen mag. Alles ist möglich, gerade auch das Unmögliche – dass die Zero kommen wird und der unfassbare Gewinn. Aus solchen Momenten ist „Der Spieler“ gestückelt, von Fjodor Dostojewskij, Spieler und Autor. Ein Buch im Rausch des Irrealis.
Die Übersetzung von Alexander Nitzberg nimmt diese Bewegung auf, respektlos und erpicht, „die geschilderten Extreme nicht zu domestizieren, sondern sie im Gegenteil zuzuspitzen, um damit dem Geist des russischen Originals, das partout keine schöne Literatur sein will, treu zu bleiben“. Dostojewskij kann auch Klamotte, und im letzten Teil, wenn der junge Ich-Erzähler Alexej Iwanowitsch nach Paris geht mit Madame Blanche und diese dort lustvoll seine beim Roulette erspielten Hunderttausende verprassen lässt, gibt es schnoddriges Radebrechen ohne Ende.
Recht postmodern aufs Spiel gesetzt wird hier die bürgerliche Ökonomie – das Gelderwerben, -zählen, -sparen, -vermehren, -investieren. Der junge Spieler will dagegen nur ausgeben, verschwenden, er hasst ehrliche Menschen, all diese braven Familienväter, er ist mit seiner wilden Tatarenseele ein 68er des 19. Jahrhunderts. „Jedenfalls ich für meinen Teil würde viel lieber mit einer kirgisischen Jurte durch die Welt ziehn als den deutschen Mammon anbeten.“
Dostojewski hat den Roman – mitten in der Arbeit am Opus magnum „Schuld und Sühne“ – in einem Monat geschrieben, Oktober 1866, um einen fiesen Vertrag mit seinem Verleger zu erfüllen, diktierte ihn der gewandten Anna Snitkina, die bald seine Frau werden wird. Atemlos hastet und haspelt Alexej durch den Roman, und für ein paar Tage hat er eine tolle Mitstreiterin an seiner Seite, la baboulinka, die Großmutter, auf deren Tod und Vermögen alle spekulieren. Auch sie verfällt im Kurhaus dem Rausch des Roulette, der Magie der Zero. Tombee en enfance, wird gespottet, die Alte sei wohl infantil geworden. FRITZ GÖTTLER
Fjodor Dostojewskij: Der Spieler. Aus dem Russischen und mit einem Nachwort von Alexander Nitzberg. dtv, München 2020. 229 Seiten, 10,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
In Roulettenburg mit einer wilden
Tatarenseele – Dostojewskijs „Spieler“
Das Rad dreht sich und die Kugel rollt, trügerisch schwebend … Das Glück des Spielers, ein magischer Moment, Perpetuum mobile, das nie zur Ruhe kommen mag. Alles ist möglich, gerade auch das Unmögliche – dass die Zero kommen wird und der unfassbare Gewinn. Aus solchen Momenten ist „Der Spieler“ gestückelt, von Fjodor Dostojewskij, Spieler und Autor. Ein Buch im Rausch des Irrealis.
Die Übersetzung von Alexander Nitzberg nimmt diese Bewegung auf, respektlos und erpicht, „die geschilderten Extreme nicht zu domestizieren, sondern sie im Gegenteil zuzuspitzen, um damit dem Geist des russischen Originals, das partout keine schöne Literatur sein will, treu zu bleiben“. Dostojewskij kann auch Klamotte, und im letzten Teil, wenn der junge Ich-Erzähler Alexej Iwanowitsch nach Paris geht mit Madame Blanche und diese dort lustvoll seine beim Roulette erspielten Hunderttausende verprassen lässt, gibt es schnoddriges Radebrechen ohne Ende.
Recht postmodern aufs Spiel gesetzt wird hier die bürgerliche Ökonomie – das Gelderwerben, -zählen, -sparen, -vermehren, -investieren. Der junge Spieler will dagegen nur ausgeben, verschwenden, er hasst ehrliche Menschen, all diese braven Familienväter, er ist mit seiner wilden Tatarenseele ein 68er des 19. Jahrhunderts. „Jedenfalls ich für meinen Teil würde viel lieber mit einer kirgisischen Jurte durch die Welt ziehn als den deutschen Mammon anbeten.“
Dostojewski hat den Roman – mitten in der Arbeit am Opus magnum „Schuld und Sühne“ – in einem Monat geschrieben, Oktober 1866, um einen fiesen Vertrag mit seinem Verleger zu erfüllen, diktierte ihn der gewandten Anna Snitkina, die bald seine Frau werden wird. Atemlos hastet und haspelt Alexej durch den Roman, und für ein paar Tage hat er eine tolle Mitstreiterin an seiner Seite, la baboulinka, die Großmutter, auf deren Tod und Vermögen alle spekulieren. Auch sie verfällt im Kurhaus dem Rausch des Roulette, der Magie der Zero. Tombee en enfance, wird gespottet, die Alte sei wohl infantil geworden. FRITZ GÖTTLER
Fjodor Dostojewskij: Der Spieler. Aus dem Russischen und mit einem Nachwort von Alexander Nitzberg. dtv, München 2020. 229 Seiten, 10,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de