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Virtuos erzählt die Schriftstellerin C.E. Morgan von den Menschen, die das Erbe der amerikanischen Geschichte in sich tragen, und erschafft damit ein an Faulkner erinnerndes, großes modernes Epos.
Henry Forge und seine Tochter Henrietta haben einen Traum: Sie wollen das beste Rennpferd aller Zeiten züchten. Die Familie Forge gehört zu den ältesten und einflussreichsten Pferdezüchterdynastien von Kentucky, ihr Vollblut Hellsmouth bringt exzellente Vorraussetzungen mit. Doch als Allmon Shaughnessy auf der Farm anheuert, ein ehrgeiziger junger Schwarzer, und sich Henrietta in ihn verliebt,…mehr

Produktbeschreibung
Virtuos erzählt die Schriftstellerin C.E. Morgan von den Menschen, die das Erbe der amerikanischen Geschichte in sich tragen, und erschafft damit ein an Faulkner erinnerndes, großes modernes Epos.

Henry Forge und seine Tochter Henrietta haben einen Traum: Sie wollen das beste Rennpferd aller Zeiten züchten. Die Familie Forge gehört zu den ältesten und einflussreichsten Pferdezüchterdynastien von Kentucky, ihr Vollblut Hellsmouth bringt exzellente Vorraussetzungen mit. Doch als Allmon Shaughnessy auf der Farm anheuert, ein ehrgeiziger junger Schwarzer, und sich Henrietta in ihn verliebt, werden Kräfte freigesetzt, die seit Jahrhunderten das Leben in den Südstaaten bestimmt haben und immer noch machtvoll sind. Angst, Vorurteile und sexuelles Verlangen, Rassismus und Wut, die Kluft zwischen Arm und Reich, Unterdrückung, ja Gewalt sind die ständigen Begleiter dieses Lebens im Schatten der Sklaverei, die untrennbar verbunden ist mit der amerikanischen Geschichte.
Autorenporträt
C.E. Morgan lebt mit ihrer Familie in Berea, Kentucky. Ihr erster Roman »Die Glut der Sonne« ist 2010 erschienen. Ihr zweiter Roman »Der Sport der Könige« erregte in den USA großes Aufsehen, wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet und kam 2017 auf die Shortlist des Pulitzerpreises.

Thomas Gunkel übersetzt Literatur aus dem Englischen u. a. John Cheever, Stewart O'Nan, William Trevor und Richard Yates.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2019

Neue Zweige am Lebensbaum

Catherine E. Morgans Roman "Der Sport der Könige" fragt nach den Grenzen der Vererbung bei Rennpferden und Menschen.

Das womöglich beste Rennpferd der Geschichte hieß Secretariat, war ein muskulöser Fuchs und bescherte seinem Besitzer im Jahr 1973 einen höchst seltenen Triumph: Er gewann die amerikanische Triple Crown, die Rennen Kentucky Derby, Preakness Stakes und Belmont Stakes. Letztere gewann er mit 31 Längen Vorsprung, was schon alles sagt über das Innenleben eines Rennpferds. Es wird geboren, um zu laufen - der Mensch hat lange genug die für eine Galoppiermaschine notwendigen genetischen Voraussetzungen herausgezüchtet.

Der Hengst Secretariat spielt aber auch eine wichtige Rolle in "Der Sport der Könige", dem zweiten Roman der Amerikanerin Catherine Elaine Morgan, der auch, aber nicht nur, von der Vollblutzucht in Kentucky handelt. Der schwerreiche Grundbesitzer Henry Forge und seine Tochter Henrietta sind von Secretariats Genen so restlos begeistert, dass sie erst einmal mit ihrer besten Stute eine Tochter des Super-Hengstes produzieren. Diese Tochter würden sie wiederum gern mit deren eigenem Vater Secretariat paaren, um dessen Tugenden zu potenzieren - eine Strategie, die in der Vollblutzucht nicht unüblich ist. Weil Secretariat aber inzwischen wegen einer Hufkrankheit den Gnadentod sterben musste, greifen sie auf einen seiner Söhne zurück, bringen also zwei Halbgeschwister zusammen und erhalten so das Stutfohlen Hellsmouth. Es erweist sich als ein Pferd mit den erforderlichen Pferdestärken im Leib und der nötigen Verrücktheit im Schädel, um zu größten Hoffnungen auf der Rennbahn Anlass zu geben.

Genetische Linien spielen aber nicht nur mit Blick auf die Rennpferde eine bedeutende Rolle in Morgans Roman, der denn auch mit einem Zitat Charles Darwins beginnt, in dem es um die immer neuen Zweige am Lebensbaum geht. Henry Forge, dessen Vorfahr einst zusammen mit einem Sklaven nach Kentucky kam und ein großes Stück von dem fruchtbaren Land in Besitz nahm, kannte schon als Kind die Reihe seiner eigenen männlichen Vererbungslinie. Und die Verpflichtung, die daraus angeblich entsteht - sein Vater bläute es ihm regelmäßig ein, auch unter Einsatz der Gerte, wenn er es für angemessen hielt. Tatsächlich sieht der Sohn sich schließlich so sehr an seine Bestimmung gebunden, dass er auf die Idee verfällt, seine Gene hinfort nicht an irgendeine Frau zu verschwenden - die schöne Gattin ist vor dem Landleben geflohen, bemerkenswerterweise nach Donaueschingen, und hat ihm die einzige Tochter dagelassen -, sondern die eigene Familie dadurch weiter zu veredeln. Als er merkt, dass Tochter Henrietta Neigungen für einen anderen entwickelt hat, versucht er also noch rasch, sie zu schwängern. Dies tut er in einer ganz geschäftsmäßig geschilderten Szene, in der die immerhin 29 Jahre alte Tochter, in einen anderen Mann verliebt, den erkennbar entschlossenen Vater wie selbstverständlich in ihr Zimmer ruft und nicht daran denkt, auch nur ein Wörtchen des Protests einzulegen. Und das, obwohl sie zur Benebelung lediglich ein paar Gläschen Bourbon geleert hat.

Aus der Vorliebe für Inzucht im Pferdewesen leitet er nun also Inzest im Familienwesen ab. Doch der Vater kommt zu spät. Henrietta ist bereits schwanger vom schwarzen Pferdeknecht, der wiederum seine eigene genetische Linie ins Spiel bringt. Sein Vorfahr, ein Sklave, ist einst seiner Herrschaft, wiederum der Familie Forge, entlaufen und hat unter großen Opfern den Ohio durchschwommen, um ins freie Cincinnati zu gelangen. Dort gründete er eine Familie, der dieser schöne, aber chancenlose, grenzenlos wütende und später erbbedingt schwerkranke Pferdeknecht Allmon Shaugnessy entstammt. Er ist nur noch halb schwarz, ein erheblicher genetischer Anteil stammt von einem irischen Taugenichts.

Was daraus wird? Erst einmal über viele hundert Seiten ein großflächiges amerikanisches Panorama, das den unheilbaren Rassismus nicht nur der Großgrundbesitzer in Kentucky beschreibt, das Erbe der Sklaverei auch in den Seelen der Schwarzen, die Kluft zwischen gnadenlos Benachteiligten, die ohne Krankenversicherung zugrunde gehen müssen oder unweigerlich im Gefängnis landen, die Dekadenz der alten Pioniers-Dynastien und die sexuelle Anziehungskraft des Andersartigen. Und als stumme Zeugen, beispielhaft und mahnend, die Rennpferde. Ein wahrhaft breites, stets detailliert ausgearbeitetes und dekoriertes Spektrum. Dieses weicht nicht gerade von den gängigen Klischees auch hier in Europa ab, und die Handlung wirkt manchmal ziemlich erzwungen. Doch der Roman brachte der Autorin in den Vereinigten Staaten großes Lob und 2017 einen Platz auf der Shortlist für den Pulitzer-Preis ein.

Tatsächlich entwickelt das Buch einen enormen Sog, und das, obwohl das Innenleben der Figuren immer wieder mäandert. Die Beziehungen wirken nicht immer einleuchtend, und die Dialoge sind meistens keine, sondern eine Folge von grundsätzlichen Statements zur eigenen Lage, Befindlichkeit und Überzeugung. Die Frage, in welchem Fiasko die Gemengelage schließlich gipfeln wird, hält den Leser auch über die mehr als 950 - allerdings groß bedruckten - Seiten in Spannung. Auf diese Weise erträgt er auch die langen Ausflüge der Autorin in die Botanik, die zum Teil kryptischen historischen Rückblicke und die dichtgesäten, manchmal nicht mehr nachvollziehbaren Bilder, die den ganzen Text unausgereift erscheinen lassen. Da steigt zum Beispiel jemand aus einem Auto, in dem es so heiß ist, dass die Hemden am Rücken kleben, und streckt sich "brummend wie ein Bär, der aus dem Winterschlaf kommt". Geradezu vertrackt erscheint - nur mal als Beispiel - der Satz: "Ohne Hut musste er blinzeln, doch die breiten, vorstehenden Brauen machten einen Hut beinahe überflüssig." Also wie jetzt?

Besonders schwierig wird es, wenn die Autorin der Welt der Pferde ganz nahe kommen will. Diese Tiere riechen zum Beispiel nie, wie im Roman behauptet, "wie nasse Hunde". Pferde haben einen ganz eigenen, und zumindest in der Wahrnehmung von Pferdemenschen einen unvergleichlich köstlichen Duft. Und ihre Boxen können auch nicht nach "Pferdefleisch" riechen. Und nach "vom Sonnenlicht erwärmten, einst frischen Gräsern"? Viel Umstand für einen Begriff, der auch im Englischen nur drei Buchstaben erfordert: Heu. Irritierend ist der Gebrauch des Begriffs "Fohlen" auch für dreijährige Pferde, die bereits Rennen laufen. Das Übersetzungsproblem entstand wohl durch das englische Wort "Filly", das eine junge Stute meint, nicht nur ein Stutfohlen (und keinesfalls ein "Stutenfohlen", wie es wiederholt heißt).

Wer sich an solchen Details nicht stört und sich an den langen erzählerischen Linien erfreut, kann sich schließlich auf ein blindwütiges, geradezu apokalyptisches Ende gefasst machen, in dem alle drei Konzepte scheitern: die dynastische Fortsetzungsgeschichte der Familie Forge, die Entschädigungsstrategie des Pferdeknechts Allmon und die Idee von der Kreation der perfekten Rennstute. Hellsmouths Knochen halten ihre Power nicht aus.

Die Zukunftshoffnung liegt jetzt auf einem Baby, das die Gene der Sklaven und die der Ausbeuter in sich vereint. Einem Kind der Liebe und damit des Zufalls - und nicht der törichten Pläne beschränkter Menschen.

EVI SIMEONI

C. E. Morgan: "Der Sport der Könige". Roman.

Aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Luchterhand Literaturverlag, München 2018. 960 S., geb., 28,- [Euro].

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