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Neue Diskussionsansätze - Zur Verantwortung Deutschlands für den Ersten Weltkrieg Der Erste Weltkrieg war eine Katastrophe von bis dahin unbekannten Ausmaßen, eine Zäsur in der Geschichte, nach der nichts mehr war wie zuvor. Wie aber konnte es zu dieser Tragödie kommen? Die Debatte um den Kriegsausbruch bewegte sich bisher zwischen der These eines von Deutschland planmäßig vorbereiteten Hegemonialkriegs und der Ansicht, die Völker Europas seien in den Konflikt einfach "hineingeschlittert". Dieter Hoffmanns Buch geht der Frage nach, welche Bedeutung das Motiv eines Präventivkriegs hatte. Eine…mehr

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Produktbeschreibung
Neue Diskussionsansätze - Zur Verantwortung Deutschlands für den Ersten Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg war eine Katastrophe von bis dahin unbekannten Ausmaßen, eine Zäsur in der Geschichte, nach der nichts mehr war wie zuvor. Wie aber konnte es zu dieser Tragödie kommen? Die Debatte um den Kriegsausbruch bewegte sich bisher zwischen der These eines von Deutschland planmäßig vorbereiteten Hegemonialkriegs und der Ansicht, die Völker Europas seien in den Konflikt einfach "hineingeschlittert".
Dieter Hoffmanns Buch geht der Frage nach, welche Bedeutung das Motiv eines Präventivkriegs hatte. Eine Vielzahl von Quellen zeigt, dass die führenden Militärs in der Staatsleitung einen Krieg gegen die erstarkenden Nachbarn Frankreich und Russland für unvermeidlich hielten. Sie forderten einen Präventivschlag, um dem zuvorzukommen. Um sich die Unterstützung des Volkes für das Losschlagen zu sichern, verfolgten sie ein wohl überlegtes Kalkül: der Kampf musste als Verteidigungskrieg beginnen. Eine Gelegenheit bot das Attentat von Sarajewo - und das deutsche Volk ließ sich in die Irre führen.
Hoffmanns Buch lädt dazu ein, die Debatte neu zu eröffnen. Es bietet auch eine Chance, in der Verständigung darüber, was wir über die deutsche Politik in der Julikrise wirklich wissen, ein beträchtliches Stück voranzukommen.
Mit einer ausführlichen Einleitung des angesehenen Historikers und Experten für den Ersten Weltkrieg Peter Graf Kielmansegg.
Autorenporträt
Dr. Dieter Hoffmann (Jahrgang 1958), studierte Geschichte, Volkswirtschaftslehre und Französisch, und promovierte an der Universität Köln. Er arbeitete als Dozent und ist mittlerweile im Medienbereich tätig. Außerdem ist er in einer Arbeitsgruppe der Universität Mainz zu NS-Studien aktiv.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010

Im großen Krieg der kleinen Worte

War es eine deutsche "Entfesselung"? Seit fast hundert Jahren wird die Politik der Reichsleitung in der Juli-Krise 1914 sehr kontrovers diskutiert.

Von Christoph Cornelißen

Kaum ein Thema aus der Geschichte des kurzen 20. Jahrhunderts ist so intensiv behandelt worden wie die Frage nach den Ursachen des Ersten Weltkriegs. Seit der Zwischenkriegszeit gab sie den Anlass zu einem regelrechten "Weltkrieg der Worte", an dem sich unzählige Politiker und Gelehrte beteiligt haben. Im Laufe der sechziger Jahre gerieten die Debatten jedoch in ein neues Fahrwasser, als gleich zu Beginn des Jahrzehnts der Hamburger Historiker Fritz Fischer mit seinem aufsehenerregenden Buch "Griff nach der Weltmacht" aufwartete. Seine These lautete in Kürze: Die deutsche Reichsleitung trage die Hauptverantwortung für den Verlauf in der Juli-Krise im Jahr 1914.

Obwohl sich gegen die Einschätzung Fischers unter maßgeblicher Beteiligung des Freiburger Historikers Gerhard Ritter rasch eine Front etablierter Zunftgenossen bildete, konnte ihr Hamburger Kollege mit der kritischen Einschätzung der deutschen Vorkriegs- und Kriegspolitik im öffentlichen und wissenschaftlichen Deutungskampf zeitweilig die Oberhand gewinnen. Freilich ist die historische Forschung der vergangenen Jahre an diesem Punkt nicht stehengeblieben, sondern vor allem unter dem Einfluss der angelsächsischen Historie schenkt sie inzwischen den internationalen, das heißt: vor allem den imperialen Bedingungsfaktoren, die zum Ausbruch des Weltkriegs führten, abermals ein starkes Augenmerk. Überdies haben einige Historiker die Frage aufgeworfen, ob nicht an Stelle der Aufrüstungs- eher die Entspannungspolitik die allgemeine Konfliktbereitschaft der Entscheidungsträger verstärkt habe. Jedenfalls sei der Rüstungswettlauf zu Wasser und zu Lande keineswegs zwangsläufig in den Weltkrieg gemündet, ja in mancher Hinsicht müsse von einem "unwahrscheinlichen Krieg" gesprochen werden.

Dieter Hoffmann hingegen kehrt in seinem Buch über den "Sprung ins Dunkle" mit Verve zu den Thesen Fischers zurück, ja er übersteigert sie noch, wie bereits am Untertitel des Buches abgelesen werden kann. Demzufolge "entfesselte" das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg als einen Präventivkrieg, wobei den hohen Militärs, darunter an ihrer Spitze dem Chef des Generalstabes, dem jüngeren von Moltke, die Verantwortung dafür zugesprochen werden müsse, die Reichsleitung gegen deren hinhaltenden Widerstand in den Krieg hineingedrängt zu haben. Gleichzeitig macht der Autor der politisch-militärischen Führung des Reiches zum Vorwurf, die Öffentlichkeit sowohl in der Juli-Krise als auch während des Kriegsverlaufs bewusst getäuscht zu haben, um sich so ihrer Unterstützung bis zum bitteren Ausgang des Weltkriegs zu versichern. Beide Thesen sind nicht neu, ergeben aber aus Sicht des Autors eine neue Lesart im Vergleich zu den älteren Argumenten über das "Hineinschlittern" sämtlicher Mächte in den Krieg (David Lloyd George) sowie den späteren Positionen Fritz Fischers. Als das Hauptergebnis seiner akribischen Lektüre der gedruckten deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch stellt der Autor fest: "Deutschland und Österreich hätten den Krieg aus präventiven Gründen begonnen."

In dieser Klarheit, zugleich argumentativen Schlichtheit konnte man den Befund zuletzt kaum mehr lesen. Sicher, es gebührt dem Autor Verdienst, in ein rasch unübersichtlich gewordenes Meer aus deutschen und internationalen Quellen eine systematische Schneise geschlagen zu haben. Er legt dabei allerdings eine gewisse Einseitigkeit an den Tag, räumt er doch all den zeitgenössischen Stimmen, die der Präventivkriegsidee das Wort redeten, einen klaren Vorzug ein. Zwar liefern dafür die Moltkes, Falkenhayns, Wilhelm II. und viele andere die einschlägigen Belegstellen, aber sie waren bislang allesamt mehr oder minder bekannt. Noch wichtiger ist: Sie ergeben tatsächlich nicht die Eindeutigkeit, die ihnen der Autor zuweist.

Denn selbst aus dem engeren Kreis der Entscheidungsträger liegen zahlreiche anderslautende Einlassungen vor, die, wenn sie nicht gegen den Krieg optieren, zumindest ein starkes Schwanken an den Tag legen. Zum anderen sticht die methodisch letztlich sehr konservativ anmutende Anlage des vorliegenden Buches ins Auge. Sicher, der Weg in den Krieg verdankte sich am Ende den Entscheidungen eines kleinen Zirkels an der Macht, doch allein damit ist letztlich noch nicht allzu viel gesagt. Schon Ritter wusste sehr viel genauer als Hoffmann um die komplizierten verfassungsrechtlichen Konstruktionen im Deutschen Reich, aus denen unzählige Spannungen zwischen Militärs und Politikern resultierten.

Bei der Suche nach Erklärungen für den "Sprung ins Dunkle" kommt man also nicht umhin, sich auf einen vielschichtigeren Erklärungsansatz einzulassen, als ihn Hoffmann gewählt hat. Ob und in welchem Ausmaß hierbei die weiteren gesellschaftlichen und innenpolitischen Bestimmungsfaktoren Berücksichtigung finden, die Vorannahmen der Führungsschichten tiefer ergründet werden oder auch der neuerdings wieder stärker in den Mittelpunkt gerückte Wandel des internationalen Systems Eingang findet, ist das Ergebnis eines näher zu begründenden Untersuchungskonzepts. Davon ist jedoch bei Hoffmann wenig, meist gar nichts zu lesen. Er versteift sich vielmehr darauf, durch eine akribische Auswertung der deutschen Dokumente eine klare Antwort auf eine Schlüsselfrage zur Geschichte des 20. Jahrhunderts gefunden zu haben. Tatsächlich bietet er jedoch nur den Beleg dafür, wie sehr eine fleißige, aber wenig inspirierende Quellenauswertung zu einseitigen Schlussfolgerungen führen kann. In dieser Hinsicht bietet das Buch Stoff für historische Proseminare, nicht aber einen substantiellen Beitrag zur Erforschung der Ursachen des Ersten Weltkriegs.

Dieter Hoffmann: Der Sprung ins Dunkle. Oder wie der 1. Weltkrieg entfesselt wurde. Militzke Verlag, Leipzig 2010. 368 S., 29,90 [Euro].

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