„Die kleine Rettungsmission, von der August da träumte, glich dem Versuch, Krankheiten zu heilen, indem man das Infektionsgebiet betrat.“ (Pos. 1426)
Die Geschichte beginnt mit einer Mutprobe. Drei Jugendliche wollen ihre Tapferkeit beweisen, indem sie ein Haus aufsuchen, das seit etwa 100 Jahren
leer steht, weil sich dort eine so unglaubliche Tragödie abgespielt haben soll, dass nicht alle…mehr„Die kleine Rettungsmission, von der August da träumte, glich dem Versuch, Krankheiten zu heilen, indem man das Infektionsgebiet betrat.“ (Pos. 1426)
Die Geschichte beginnt mit einer Mutprobe. Drei Jugendliche wollen ihre Tapferkeit beweisen, indem sie ein Haus aufsuchen, das seit etwa 100 Jahren leer steht, weil sich dort eine so unglaubliche Tragödie abgespielt haben soll, dass nicht alle verlorenen Seelen den Übertritt geschafft haben. Eine davon ist „Madenmutter“, eine Frau, die fünf Kinder adoptiert hat, nachdem das Waisenhaus, indem sie arbeitete, aufgrund von üblen Foltermethoden geschlossen wurde. Doch trotz Hilferufe der Adoptanten, dass die Qualen weiter gehen, kommt ihnen niemand zu Hilfe, sodass sie in ihrer Not Selbstjustiz geübt haben. Doch „Madenmutter“ ist noch lange nicht bereit, diese Welt zu verlassen, vor allem nicht solange der jugendliche Wahnsinn immer wieder für Besucher sorgt...
Das Buch ist aus der Sicht eines Erzählers geschrieben, dennoch wirkt es nicht distanziert, sondern lebendig durch viele Dialoge, die zwischen Sadie und ihrem Kollegen August recht witzig sein können, aber auch verzweifelt und bittend, wenn sie mit Rosie, der Mutter des besessenen Mädchens, spricht. Die Kapitel sind mittellang, fliegen aber durch den extrem flüssigen Schreibstil an einem vorbei, sodass man sie nicht wirklich wahrnimmt, sondern blättert und blättert und schwups, ist die Geschichte passé.
Die Charakteren sind nicht in aller Ausführlichkeit beschrieben, stellenweise hat man auch den Eindruck, dass man die Person erst im Laufe des Buches kennen lernt. Dennoch wirken sie nicht wie leblose Schaufensterpuppen, sondern realistisch, ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen, sondern eher einen Ausschnitt ihres Lebens beleuchtend.
Die Aufmachung des Buches ist eher zurückhaltend, dennoch ein klassisches Gruselmotiv, das gleich klar macht, was der Mittelpunkt oder der Auslöser in dem Buch für das ganze Grauen ist. Und dieser Auslöser liebt hollywoodreife Auftritte:
„Es begann mit einem kehligen Stöhnen, vielleicht einem Laut der Qual, der die Eingeweide ebenso traf wie das Ohr. Weitere folgten, ein Stöhnen nach dem anderen, wie die Glieder einer Kette und nur vom rasselnden Geräusch einer klapprigen Lunge unterbrochen. (Pos. 1597)
Wirklich klar geworden, warum das Haus auf dem Cover entwurzelt ist, in der Luft schwebt und Teile von einem kleinen Wirbelsturm durch die Gegend fliegen, ist mir nicht.
Und auch wenn die Geschichte nicht ganz so atmosphärisch wie „Carrow House“ von Darcy Coates, ebenfalls Festa-Verlag, ist, konnte sie mit mehreren schönen Vergleichen überzeugen:
„Staub wehte vom Boden auf, rieselte von der Decke und tanzte im dünnen Lichtkegel der Lampe wie Schnee in einem Wirbelsturm.“ (Pos. 84)
Fazit:
Ich finde es toll, wenn Gruselbücher nicht aus Blutlachen, wildem Geballer und hirnlosen Dialogen bestehen. Gänsehaut macht für mich die Atmosphäre und die Psychospielchen aus. Das hätte man hier zwar noch intensivieren können, Luft nach oben ist vorhanden, doch der Schreibstil des Autors lässt es zu einem absoluten Pageturner werden. Zudem gefällt es mir, wenn Geschichten Sagen und Legenden aufgreifen. Hier ist des Rätsels Lösung wie man einen Geist los wird, wirklich auf ein klassisches Ritual zurück zu führen. Doch damit ist auch ein Wermutstropfen verbunden. Kaum ist ein Lösungsweg gefunden, wird das Ende sehr schnell und fast problemlos herbei geführt. Es fehlt noch ein Twist, ein Herzinfaktmoment, weil die Lösung doch nicht ganz so greift, einfach ein dramaturgischer Wendepunkt, der erst noch einmal alles in schwarz färbt, bevor man doch wieder ein Licht am Ende des Tunnels sieht. Das ist echt schade und würde dem Buch einen feineren Schliff verpassen.
Dennoch eine Empfehlung meinerseits, vor allem weil ein klassisches Gruselbuch natürlich immer einen Cliffhanger für eine Fortsetzung mit sich bringt...