Nach den Vorstellungen Himmlers sollte sich die SS eine Führungsposition im deutschen Sport erkämpfen und als selbsterklärte, rassische Elite der Volksgemeinschaft auch mithilfe des Sports ihren Eliteanspruch unter Beweis stellen. Dies ist die erste Studie zur Organisation, Funktion und Bedeutung des SS-Sports von seinen Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Berno Bahro zeichnet die Entwicklung der Organisationsstrukturen nach und gibt einen differenzierten Überblick über die Normen, Ziele und Erfolgsquoten des SS-Sports. Die wesentlichen Akteure und Funktionsträger werden in den Kontext ihrer Handlungs- und Konfliktfelder ebenso dargestellt wie die Position der SS im Kampf konkurrierender Gliederungen um die Vormachtstellung im deutschen Sport während der NS-Zeit.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungIm Zeichen des Totenkopfs
Wie Hitler und die SS den Sport vereinnahmten
Sport als Medium, das Respekt und Toleranz schafft, Fair Play und Miteinander - so wird er gern beschrieben. Doch diese Werte müssen im Sport zunächst gesucht, gefunden und gefördert werden. Sport per se funktioniert nicht als Integrations- und Verständnismaschinerie. Daran erinnert "Der SS-Sport" von Berno Bahro, ein Buch, das eindrucksvoll beschreibt, wie die auf Adolf Hitler eingeschworene Verbrecherbande in schwarzen Uniformen den Sport und die Sportbegeisterung der zwanziger und dreißiger Jahre vereinnahmte.
Das Boxtraining, mit dem sich die Schlägertrupps auf ihre Saal- und Straßenschlachten vorbereiteten, wurde zu einem täglichen Dienstsport, als sich die SS als nationalsozialistischer Adel stilisierte, und dessen Kontrolle zu einer rassischen "Auslese und Ausmerze", wie sie Heinrich Himmler definierte, ihr Anführer. Rund die Hälfte ihres Dienstbetriebes widmete die SS vor dem Krieg dem Sport, und wer das Sportabzeichen nicht erwarb, wurde nicht befördert und durfte nicht heiraten. Die SS verstand dies nicht allein als Ertüchtigung für den Kampf gegen Andersdenkende und als Vorbereitung auf den Krieg. Wettkämpfe waren für sie Ersatzkriege, nicht freundschaftliche Begegnung.
Von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin an, ideologisch verbunden mit den Schlachten des Ersten Weltkriegs und befeuert von der Begeisterung Hitlers, entdeckte die SS den internationalen Spitzensport. Selbstverständlich trachtete sie sofort danach, ihn zu beherrschen. Ihr reichte es nicht, mit der höchsten Dichte von Trägern des Sportabzeichens alle anderen Organisationen des Deutschen Reiches zu übertreffen. Olympiasiege sollten den Führungsanspruch der SS triumphal legitimieren. Für die Olympischen Spiele 1940 - die durch den Zweiten Weltkrieg ausfielen - bereiteten die Leibstandarte Adolf Hitler und der Ruderclub am Wannsee einen Achter vor, der ausschließlich mit SS-Männern besetzt war. Heydrich gab die Devise aus, dass deutsche Olympiamannschaften mindestens zur Hälfte aus SS-Männern bestehen sollten. Im Reiten und im Fechten strebten seine Athleten, trainiert und gefördert an Leistungssport-Standorten, die sich SS-Sportgemeinschaften nannten und wo so etwas wie professionelles Training möglich war, an die Weltspitze. Weil das dem größenwahnsinnigen Anspruch nicht reichte, warb die SS Athleten von Organisationen wie dem Reichsbund für Leibesübungen, von Kraft durch Freude und von der SA ab. So kamen selbstverständlich auch Athleten, die lediglich die sehr guten Bedingungen nutzen wollten. Doch auch sie sollten zu der "Sportelite unterm Totenkopf" zählen, von der Himmler träumte. Nach dem Krieg sollte gar eine "Vereinigung der Reiter der Welt" entstehen, der von den Nationalsozialisten besetzten Welt natürlich, und der Reiterverband sollte von der SS beherrscht und von Hitler angeführt werden.
Sport ist gewiss nicht das beherrschende Thema für die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und SS. Doch für die Auseinandersetzung mit dem Sport, mit seinen Möglichkeiten und seinen Abgründen, ermöglicht dieses Buch einen tiefen Blick in die Zeitgeschichte.
MICHAEL REINSCH
Berno Bahro:
"Der SS-Sport. Organisation - Funktion - Bedeutung."
Ferdinand Schöningh Verlag, Würzburg, 2013, 327 Seiten, 1 s/w Abb., 14 Grafiken, 44,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie Hitler und die SS den Sport vereinnahmten
Sport als Medium, das Respekt und Toleranz schafft, Fair Play und Miteinander - so wird er gern beschrieben. Doch diese Werte müssen im Sport zunächst gesucht, gefunden und gefördert werden. Sport per se funktioniert nicht als Integrations- und Verständnismaschinerie. Daran erinnert "Der SS-Sport" von Berno Bahro, ein Buch, das eindrucksvoll beschreibt, wie die auf Adolf Hitler eingeschworene Verbrecherbande in schwarzen Uniformen den Sport und die Sportbegeisterung der zwanziger und dreißiger Jahre vereinnahmte.
Das Boxtraining, mit dem sich die Schlägertrupps auf ihre Saal- und Straßenschlachten vorbereiteten, wurde zu einem täglichen Dienstsport, als sich die SS als nationalsozialistischer Adel stilisierte, und dessen Kontrolle zu einer rassischen "Auslese und Ausmerze", wie sie Heinrich Himmler definierte, ihr Anführer. Rund die Hälfte ihres Dienstbetriebes widmete die SS vor dem Krieg dem Sport, und wer das Sportabzeichen nicht erwarb, wurde nicht befördert und durfte nicht heiraten. Die SS verstand dies nicht allein als Ertüchtigung für den Kampf gegen Andersdenkende und als Vorbereitung auf den Krieg. Wettkämpfe waren für sie Ersatzkriege, nicht freundschaftliche Begegnung.
Von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin an, ideologisch verbunden mit den Schlachten des Ersten Weltkriegs und befeuert von der Begeisterung Hitlers, entdeckte die SS den internationalen Spitzensport. Selbstverständlich trachtete sie sofort danach, ihn zu beherrschen. Ihr reichte es nicht, mit der höchsten Dichte von Trägern des Sportabzeichens alle anderen Organisationen des Deutschen Reiches zu übertreffen. Olympiasiege sollten den Führungsanspruch der SS triumphal legitimieren. Für die Olympischen Spiele 1940 - die durch den Zweiten Weltkrieg ausfielen - bereiteten die Leibstandarte Adolf Hitler und der Ruderclub am Wannsee einen Achter vor, der ausschließlich mit SS-Männern besetzt war. Heydrich gab die Devise aus, dass deutsche Olympiamannschaften mindestens zur Hälfte aus SS-Männern bestehen sollten. Im Reiten und im Fechten strebten seine Athleten, trainiert und gefördert an Leistungssport-Standorten, die sich SS-Sportgemeinschaften nannten und wo so etwas wie professionelles Training möglich war, an die Weltspitze. Weil das dem größenwahnsinnigen Anspruch nicht reichte, warb die SS Athleten von Organisationen wie dem Reichsbund für Leibesübungen, von Kraft durch Freude und von der SA ab. So kamen selbstverständlich auch Athleten, die lediglich die sehr guten Bedingungen nutzen wollten. Doch auch sie sollten zu der "Sportelite unterm Totenkopf" zählen, von der Himmler träumte. Nach dem Krieg sollte gar eine "Vereinigung der Reiter der Welt" entstehen, der von den Nationalsozialisten besetzten Welt natürlich, und der Reiterverband sollte von der SS beherrscht und von Hitler angeführt werden.
Sport ist gewiss nicht das beherrschende Thema für die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und SS. Doch für die Auseinandersetzung mit dem Sport, mit seinen Möglichkeiten und seinen Abgründen, ermöglicht dieses Buch einen tiefen Blick in die Zeitgeschichte.
MICHAEL REINSCH
Berno Bahro:
"Der SS-Sport. Organisation - Funktion - Bedeutung."
Ferdinand Schöningh Verlag, Würzburg, 2013, 327 Seiten, 1 s/w Abb., 14 Grafiken, 44,90 Euro.
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