Religion spielt in diesem Buch eine überraschend große Rolle: Sie wird als äußerst wichtig für den Staat angesehen. Dabei steht der Autor in der Gefahr Religion zu "gebrauchen". Aus diesem "Gebrauch" kann leicht ein Missbrauch werden: Religion soll seiner Auffassung nach die "Kultur des
Christlichen" fördern. Nonnen und Kruzifixe in Schulen sind erwünscht, Kopftuch tragende Lehrerinnen…mehrReligion spielt in diesem Buch eine überraschend große Rolle: Sie wird als äußerst wichtig für den Staat angesehen. Dabei steht der Autor in der Gefahr Religion zu "gebrauchen". Aus diesem "Gebrauch" kann leicht ein Missbrauch werden: Religion soll seiner Auffassung nach die "Kultur des Christlichen" fördern. Nonnen und Kruzifixe in Schulen sind erwünscht, Kopftuch tragende Lehrerinnen muslimischer Herkunft dagegen nicht. Traditionelle Familie ist erwünscht, alternative Lebensformen dagegen verpönt.
Heiner Geißler dagegen erzählt uns in seinem Buch: Was würde Jesus heute sagen, von einem revolutionären Jesus, der sich heute bei Attac engagieren würde. Damit stellt er Religion ganz anders dar: Religion, die nicht einfach dazu "gebraucht" werden kann bestehende - auch angeblich demokratische - Herrschaftsverhältnisse zu legitimieren oder zu unterstützen. Heiner Geißler stellt die richtige, kritische Frage: Dürfen Kapitalisten sich überhaupt Christen nennen? Ganz ähnlich der katholische Theologe Thomas Ruster: Der Zins gehört nach der Bibel abgeschafft und die neoliberale Wirtschaft ist selbst zur Religion geworden.
Was mir also bei Herrn Kirchhof fehlt ist gerade dieses revolutionäre, ganz andere Denken des Jesus von Nazareth von damals und der kritischen Stimmen von heute. Er will den Staat erneuern, aber mit Auffassungen von gestern, die der postmodernen, manchmal zerissenen, multikulturellen Wirklichkeit unserer Zeit nicht gerecht werden. Er scheint sich insbesondere in seinem Kapitel "Die Nachbarschaft von Staat und Kirchen" wieder in die Zeit der Allianz von Thron und Altar zurück zu sehnen. Die Nähe von Staat und Kirche ist bei uns viel ausgeprägter als in Frankreich und daher heute bereits völlig ausreichend. Ich sehe also auf diesem Weg keine großen Chancen, den Staat zu erneuern.