Heute ist der '20. Juli 1944' als Synonym für das Attentat auf Hitler und den gescheiterten Staatsstreich fest im historischen Gedächtnis der Bundesrepublik Deutschland verankert. Das war nicht immer so. Dass das Datum zum Symbol wurde für den tätigen Widerstand einer größeren Gruppe deutscher Offiziere, Beamter und Politiker, die angetreten waren, der Welt und vor der Geschichte die Existenz eines 'anderen Deutschland' zu beweisen, ist nicht zuletzt das Verdienst jahrzehntelanger Arbeit der von überlebenden Mitstreitern gegründeten 'Stiftung 20. Juli 1944' und deren gleichnamiger Forschungsgemeinschaft. Das Bemühen der Angehörigen, den Auftrag und das geistige Vermächtnis des Widerstandes zu pflegen, war in Nachkriegsdeutschland immer wieder Anfeindungen und ideologisch motiviertem, politischem Widerstand ausgesetzt.Rüdiger von Voss, dem Thema durch seine Biographie und sein Wirken zeitlebens eng verbunden, legt dar, wie das 'geistige Vermächtnis' des deutschen Widerstandes um Graf Stauffenberg in sechzig Jahren Bundesrepublik von Bundespräsidenten und -kanzlern aufgefasst und vermittelt wurde sowie Eingang in das Traditionsverständnis der Bundeswehr gefunden hat.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2011Der 20. Juli
Rezeption und Tradition
Der langjährige Vorsitzende des Kuratoriums der "Stiftung 20. Juli 1944" und der "Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944" hat ein hochinformatives Buch verfasst über den Aufstand gegen Hitler im Spiegel politischer Reden und bei der Herausbildung eines "kritischen Traditionsbewusstseins in der Bundeswehr". Rüdiger von Voss, Sohn eines Widerstandskämpfers, konzentriert sich zunächst auf die Bundespräsidenten und Kanzler. In den fünfziger Jahren sei es darum gegangen, "den konservativ-militärischen Widerstand aus dem Zwielicht von Landesverrat und fehlendem Patriotismus" zu befreien. Dabei machte sich Theodor Heuss 1954 verdient, aber auch Heinrich Lübke, der 1964 "in aus heutiger Sicht erstaunlicher Offenheit" den "gesamten Widerstand deutscher Menschen, bis hin zu den Kommunisten" gewürdigt habe. Überhaupt weiß Voss, dass das "linksorientierte Lager des Widerstandes" im westlichen Teil Deutschlands allzu lange vernachlässigt worden sei.
Bei der Bundeswehr gab es in der Aufbauphase eine "politische Distanzierung" gegenüber Reichswehr und Wehrmacht, aber: "Eine Klärung des Streits um den Eid unter der Nazi-Diktatur und den soldatischen Gehorsam im Verlauf der Kriegführung und die hieraus erwachsene Mitschuld für Verbrechen wurde vermieden, um die Kontroversen nicht weiter zu verschärfen und den Fundus für die Rekrutierung von dringend benötigten Führungskadern (in allen Bereichen) nicht weiter schwinden zu lassen. Staatspolitische Erwägungen überlagerten insoweit entscheidende Reformnotwendigkeiten." Viele hätten sich durch bloße Berufung auf Pflichten und Gehorsam der "historischen Mithaftung" entziehen wollen. Außerdem seien der kommunistische Widerstand und das Wirken des "Nationalkomitees Freies Deutschland", des "Bundes Deutscher Offiziere" und der "Roten Kapelle" über Jahrzehnte kein Bestandteil der Tradition gewesen. Das letzte Drittel des Buches widmet Voss der "Stiftung 20. Juli" als "Vereinigung zur Bewahrung und Verteidigung des geistigen wie politischen Vermächtnisses des Widerstandes, ohne dass sie dafür einen Alleinvertretungsanspruch erhoben hätte". Hierzu wünscht er sich nun eine "wissenschaftlich fundierte Geschichte".
RAINER BLASIUS
Rüdiger von Voss: Der Staatsstreich vom 20. Juli 1944. Politische Rezeption und Traditionsbildung in der Bundesrepublik Deutschland. Lukas Verlag, Berlin 2011. 159 S., 19,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rezeption und Tradition
Der langjährige Vorsitzende des Kuratoriums der "Stiftung 20. Juli 1944" und der "Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944" hat ein hochinformatives Buch verfasst über den Aufstand gegen Hitler im Spiegel politischer Reden und bei der Herausbildung eines "kritischen Traditionsbewusstseins in der Bundeswehr". Rüdiger von Voss, Sohn eines Widerstandskämpfers, konzentriert sich zunächst auf die Bundespräsidenten und Kanzler. In den fünfziger Jahren sei es darum gegangen, "den konservativ-militärischen Widerstand aus dem Zwielicht von Landesverrat und fehlendem Patriotismus" zu befreien. Dabei machte sich Theodor Heuss 1954 verdient, aber auch Heinrich Lübke, der 1964 "in aus heutiger Sicht erstaunlicher Offenheit" den "gesamten Widerstand deutscher Menschen, bis hin zu den Kommunisten" gewürdigt habe. Überhaupt weiß Voss, dass das "linksorientierte Lager des Widerstandes" im westlichen Teil Deutschlands allzu lange vernachlässigt worden sei.
Bei der Bundeswehr gab es in der Aufbauphase eine "politische Distanzierung" gegenüber Reichswehr und Wehrmacht, aber: "Eine Klärung des Streits um den Eid unter der Nazi-Diktatur und den soldatischen Gehorsam im Verlauf der Kriegführung und die hieraus erwachsene Mitschuld für Verbrechen wurde vermieden, um die Kontroversen nicht weiter zu verschärfen und den Fundus für die Rekrutierung von dringend benötigten Führungskadern (in allen Bereichen) nicht weiter schwinden zu lassen. Staatspolitische Erwägungen überlagerten insoweit entscheidende Reformnotwendigkeiten." Viele hätten sich durch bloße Berufung auf Pflichten und Gehorsam der "historischen Mithaftung" entziehen wollen. Außerdem seien der kommunistische Widerstand und das Wirken des "Nationalkomitees Freies Deutschland", des "Bundes Deutscher Offiziere" und der "Roten Kapelle" über Jahrzehnte kein Bestandteil der Tradition gewesen. Das letzte Drittel des Buches widmet Voss der "Stiftung 20. Juli" als "Vereinigung zur Bewahrung und Verteidigung des geistigen wie politischen Vermächtnisses des Widerstandes, ohne dass sie dafür einen Alleinvertretungsanspruch erhoben hätte". Hierzu wünscht er sich nun eine "wissenschaftlich fundierte Geschichte".
RAINER BLASIUS
Rüdiger von Voss: Der Staatsstreich vom 20. Juli 1944. Politische Rezeption und Traditionsbildung in der Bundesrepublik Deutschland. Lukas Verlag, Berlin 2011. 159 S., 19,80 [Euro].
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