Produktdetails
- Verlag: Bastei Lübbe
- Seitenzahl: 399
- Abmessung: 220mm
- Gewicht: 686g
- ISBN-13: 9783785720202
- ISBN-10: 3785720203
- Artikelnr.: 24396353
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2001Are You Sirius?
War der Dreikönigstag wirklich am 6. Januar? Adrian G. Gilbert verrätselt die Weisen aus dem Morgenland
Man stelle sich vor - einfach nur so -, Stanley Kubrick hätte statt "2001" auf dieselbe unnachahmlich langsame Art "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" gedreht. Schon möglich, aber eher unwahrscheinlich. Immerhin ist jetzt sozusagen das Buch zum Film erschienen: "Der Stern der Weisen - Das Geheimnis der Heiligen Drei Könige" von Adrian G. Gilbert.
Der deutsche Titel ist nicht so treffend wie der englische Originaltitel "Magi. The Quest for a Secret Tradition". Es geht um viel mehr als drei Könige und einen Himmelskörper. Gilbert liebt nämlich das Monumentalgemälde. An zentraler Stelle der Leinwand findet man durchaus die drei Weisen aus dem Morgenland, wie sie ihrem Stern folgen. Zu sehen ist aber insgesamt viel, viel mehr. Irgendwo im Bild ist der Patriarch Abraham, irgendwo ist der König Artus, und irgendwo versteckt sich auch der Kaiser Rotbart lobesam.
Das Buch ist kein historisches Werk mit wissenschaftlichen Ambitionen, auch wenn im Klappentext vom "kritischen unbestechlichen Blick des studierten Naturwissenschaftlers" die Rede ist. (Welche Naturwissenschaft er studiert hat, erfahren wir nicht.) Mit entwaffnender Ehrlichkeit schreibt der Autor einmal: "Es fällt leicht, eine solche Geschichte als spätere Erfindung abzutun, doch nichts spricht dagegen, daß es sich tatsächlich so zugetragen hat." So ist es. Tatsächlich spricht immer wieder nichts gegen die Ideen im Buch, höchstens das eine oder andere Gesetz der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Gilbert liebt die Esoterik. Gleichzeitig steht er vielen Dingen aber auch skeptisch gegenüber. Er schildert die Spekulationen von Esoterikern, ohne sich alle zu eigen zu machen. Er ist kein Papst, der sich für unfehlbar hält. Kein Teil des Gedankengebäudes ist so wesentlich, daß dieses ohne ihn zusammenbrechen würde. Man kann das Buch als amüsante Kulturgeschichte lesen oder als Wegweiser zur mystischen Versenkung. Ein Tatsachenbericht ist es nicht.
Die Astrologie ist älter als das Christentum. Wie so vieles andere wurde sie in die neue Religion einbezogen. Den Bericht über die Heiligen Drei Könige, die dem Christuskind huldigen, findet man im Evangelium des Matthäus im zweiten Kapitel. Schon immer wurde gerätselt, welchem "Stern" die Weisen wohl gefolgt sind. Die Antwort auf diese Frage wird dadurch erschwert, daß man die Geburt des Christus der Evangelien nicht mit Sicherheit datieren kann. Sie war nicht Ende Dezember, weil zu dieser Jahreszeit in Palästina keine "Hirten auf dem Felde" (Luk. 2,8) gewesen wären. Sie war auch nicht im Jahre des Herrn 1, weil der mutmaßliche Kindermörder Herodes - laut Gilbert ein "antiker Saddam Hussein" - bereits im Jahre 4 vor der Zeitenwende gestorben ist. (Unsere Jahreszählung beruht auf einer ungenauen Berechnung des römischen Mönchs Dionysius Exiguus im sechsten Jahrhundert.)
Es gibt diverse Theorien, welches auffällige astronomische Ereignis dem Stern von Bethlehem zugrunde liegen könnte. Zum Beispiel wurde das Erscheinen des Halleyschen Kometen im Jahr 12 vor Christus vorgeschlagen. Gilbert denkt einen Schritt weiter. Das Geburtshoroskop Christi muß ja zu dem künftigen König der Juden passen. Diese Argumentation macht natürlich auch Sinn, wenn man nicht an Astrologie glaubt, weil sie sich in die antiken Erfinder der Mythen hineinversetzt.
Kurz und gut: Am 29. Juli des Jahres 7 vor Christus standen Jupiter und Saturn, die größten unter den sogenannten Planeten oder Wandelsternen, so nahe beisammen, daß sie einen einzigen hellen Punkt bildeten. Außerdem ging an diesem Tag der Sirius kurz vor der Morgendämmerung auf. Für die Ägypter symbolisierte das die Geburt der Sonne, des Sohnes der Isis. Weiterhin wäre ein am 29. Juli geborener Jesus ein Löwe. In Offenbarung 5,5 wird er tatsächlich auch als Löwe bezeichnet. Und Bethlehem gehörte im Gegensatz zum nahen Jerusalem zur Provinz Juda. Juda war der "Löwenstamm" Israels.
Das sind nur einige der Gründe, die Gilbert dafür zusammengetragen hat, daß die Gestirne zu diesem Zeitpunkt drei antike Magier nach Bethlehem hätten locken können. Um ehrlich zu sein, verläuft das alles ein wenig zu sehr nach dem Prinzip "Suchet, so werdet ihr finden", aber man merkt zumindest, daß Gilbert lange und liebevoll gesucht hat, ehe er fand. Interessant ist es allemal.
Wer aber waren die drei Magier? Wo kamen sie her? Gilbert hat auch über diese Fragen nachgedacht. Er vermutet in ihnen Mitglieder einer geheimen Bruderschaft, einer Art Freimaurerloge, die seit vielen tausend Jahren die Lehren des Zoroaster, des Zarathustra, bewahrt. Noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts soll der Armenier Georges Iwanowitsch Gurdjieff Einlaß in ihren geheimen Tempel gefunden haben. Auf der Suche nach Zeugnissen dieser sogenannten Sarmung- oder Sarman-Bruderschaft durchforschte Gilbert jahrzehntelang den Nahen und Mittleren Osten und die Enyclopaedia Britannica.
In vielen Bauwerken fand er Sternbilder, offen oder versteckt, die sich astrologisch interpretieren lassen. Die Löwenstele im ehemaligen Königreich Kommagene in der Südosttürkei scheint eine Konstellation vom 6. Juli 62 vor Christus darzustellen. Gilbert glaubt, daß an diesem Tag der König Antiochos von Kommagene zum Führer der Sarmung-Bruderschaft gewählt wurde. Die nordfranzösischen Kathedralen, die fast alle der Jungfrau Maria geweiht sind, sind angeordnet wie die Sterne der Konstellation Virgo. Im Buch findet man noch viele andere Beispiele dieser Art.
Was ihm bei seiner Suche alles begegnete, hat der Autor in diesem Buch aufgeschrieben. Es erweckt die Welt zum Leben, in die der historische Jesus, wenn es ihn denn gegeben hat, hineingeboren wurde, jedenfalls ihren spirituellen Teil. Was nicht wahr ist, ist zumindest gut ausgedacht. Die üblichen Verdächtigen wie Pythagoras, die ägyptischen Pyramiden und Atlantis, sie haben alle ihren Platz in dem Werk gefunden.
Das Buch ist von Karin Schuler angenehm übersetzt worden, hat viele farbige und schwarzweiße Abbildungen und eine schöne Typographie, die auch vor türkischen Sonderzeichen nicht zurückschreckt. Was braucht man mehr, wenn man hier in Bayern am Abend von Dreikönig in seinem urgemütlichen Sessel sitzt und auf die drei Sternsinger wartet? Sie werden aber im Gegensatz zu ihren Vorbildern kein Geschenk bringen, sondern Gaben heischen: Weihrauch, Myrrhe oder Gold. Vermutlich Gold.
ERNST HORST
Adrian G. Gilbert: "Der Stern der Weisen - Das Geheimnis der Heiligen Drei Könige". Aus dem Englischen von Karin Schuler. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2000. 399 S., geb., viele Abb., Karten, 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
War der Dreikönigstag wirklich am 6. Januar? Adrian G. Gilbert verrätselt die Weisen aus dem Morgenland
Man stelle sich vor - einfach nur so -, Stanley Kubrick hätte statt "2001" auf dieselbe unnachahmlich langsame Art "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" gedreht. Schon möglich, aber eher unwahrscheinlich. Immerhin ist jetzt sozusagen das Buch zum Film erschienen: "Der Stern der Weisen - Das Geheimnis der Heiligen Drei Könige" von Adrian G. Gilbert.
Der deutsche Titel ist nicht so treffend wie der englische Originaltitel "Magi. The Quest for a Secret Tradition". Es geht um viel mehr als drei Könige und einen Himmelskörper. Gilbert liebt nämlich das Monumentalgemälde. An zentraler Stelle der Leinwand findet man durchaus die drei Weisen aus dem Morgenland, wie sie ihrem Stern folgen. Zu sehen ist aber insgesamt viel, viel mehr. Irgendwo im Bild ist der Patriarch Abraham, irgendwo ist der König Artus, und irgendwo versteckt sich auch der Kaiser Rotbart lobesam.
Das Buch ist kein historisches Werk mit wissenschaftlichen Ambitionen, auch wenn im Klappentext vom "kritischen unbestechlichen Blick des studierten Naturwissenschaftlers" die Rede ist. (Welche Naturwissenschaft er studiert hat, erfahren wir nicht.) Mit entwaffnender Ehrlichkeit schreibt der Autor einmal: "Es fällt leicht, eine solche Geschichte als spätere Erfindung abzutun, doch nichts spricht dagegen, daß es sich tatsächlich so zugetragen hat." So ist es. Tatsächlich spricht immer wieder nichts gegen die Ideen im Buch, höchstens das eine oder andere Gesetz der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Gilbert liebt die Esoterik. Gleichzeitig steht er vielen Dingen aber auch skeptisch gegenüber. Er schildert die Spekulationen von Esoterikern, ohne sich alle zu eigen zu machen. Er ist kein Papst, der sich für unfehlbar hält. Kein Teil des Gedankengebäudes ist so wesentlich, daß dieses ohne ihn zusammenbrechen würde. Man kann das Buch als amüsante Kulturgeschichte lesen oder als Wegweiser zur mystischen Versenkung. Ein Tatsachenbericht ist es nicht.
Die Astrologie ist älter als das Christentum. Wie so vieles andere wurde sie in die neue Religion einbezogen. Den Bericht über die Heiligen Drei Könige, die dem Christuskind huldigen, findet man im Evangelium des Matthäus im zweiten Kapitel. Schon immer wurde gerätselt, welchem "Stern" die Weisen wohl gefolgt sind. Die Antwort auf diese Frage wird dadurch erschwert, daß man die Geburt des Christus der Evangelien nicht mit Sicherheit datieren kann. Sie war nicht Ende Dezember, weil zu dieser Jahreszeit in Palästina keine "Hirten auf dem Felde" (Luk. 2,8) gewesen wären. Sie war auch nicht im Jahre des Herrn 1, weil der mutmaßliche Kindermörder Herodes - laut Gilbert ein "antiker Saddam Hussein" - bereits im Jahre 4 vor der Zeitenwende gestorben ist. (Unsere Jahreszählung beruht auf einer ungenauen Berechnung des römischen Mönchs Dionysius Exiguus im sechsten Jahrhundert.)
Es gibt diverse Theorien, welches auffällige astronomische Ereignis dem Stern von Bethlehem zugrunde liegen könnte. Zum Beispiel wurde das Erscheinen des Halleyschen Kometen im Jahr 12 vor Christus vorgeschlagen. Gilbert denkt einen Schritt weiter. Das Geburtshoroskop Christi muß ja zu dem künftigen König der Juden passen. Diese Argumentation macht natürlich auch Sinn, wenn man nicht an Astrologie glaubt, weil sie sich in die antiken Erfinder der Mythen hineinversetzt.
Kurz und gut: Am 29. Juli des Jahres 7 vor Christus standen Jupiter und Saturn, die größten unter den sogenannten Planeten oder Wandelsternen, so nahe beisammen, daß sie einen einzigen hellen Punkt bildeten. Außerdem ging an diesem Tag der Sirius kurz vor der Morgendämmerung auf. Für die Ägypter symbolisierte das die Geburt der Sonne, des Sohnes der Isis. Weiterhin wäre ein am 29. Juli geborener Jesus ein Löwe. In Offenbarung 5,5 wird er tatsächlich auch als Löwe bezeichnet. Und Bethlehem gehörte im Gegensatz zum nahen Jerusalem zur Provinz Juda. Juda war der "Löwenstamm" Israels.
Das sind nur einige der Gründe, die Gilbert dafür zusammengetragen hat, daß die Gestirne zu diesem Zeitpunkt drei antike Magier nach Bethlehem hätten locken können. Um ehrlich zu sein, verläuft das alles ein wenig zu sehr nach dem Prinzip "Suchet, so werdet ihr finden", aber man merkt zumindest, daß Gilbert lange und liebevoll gesucht hat, ehe er fand. Interessant ist es allemal.
Wer aber waren die drei Magier? Wo kamen sie her? Gilbert hat auch über diese Fragen nachgedacht. Er vermutet in ihnen Mitglieder einer geheimen Bruderschaft, einer Art Freimaurerloge, die seit vielen tausend Jahren die Lehren des Zoroaster, des Zarathustra, bewahrt. Noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts soll der Armenier Georges Iwanowitsch Gurdjieff Einlaß in ihren geheimen Tempel gefunden haben. Auf der Suche nach Zeugnissen dieser sogenannten Sarmung- oder Sarman-Bruderschaft durchforschte Gilbert jahrzehntelang den Nahen und Mittleren Osten und die Enyclopaedia Britannica.
In vielen Bauwerken fand er Sternbilder, offen oder versteckt, die sich astrologisch interpretieren lassen. Die Löwenstele im ehemaligen Königreich Kommagene in der Südosttürkei scheint eine Konstellation vom 6. Juli 62 vor Christus darzustellen. Gilbert glaubt, daß an diesem Tag der König Antiochos von Kommagene zum Führer der Sarmung-Bruderschaft gewählt wurde. Die nordfranzösischen Kathedralen, die fast alle der Jungfrau Maria geweiht sind, sind angeordnet wie die Sterne der Konstellation Virgo. Im Buch findet man noch viele andere Beispiele dieser Art.
Was ihm bei seiner Suche alles begegnete, hat der Autor in diesem Buch aufgeschrieben. Es erweckt die Welt zum Leben, in die der historische Jesus, wenn es ihn denn gegeben hat, hineingeboren wurde, jedenfalls ihren spirituellen Teil. Was nicht wahr ist, ist zumindest gut ausgedacht. Die üblichen Verdächtigen wie Pythagoras, die ägyptischen Pyramiden und Atlantis, sie haben alle ihren Platz in dem Werk gefunden.
Das Buch ist von Karin Schuler angenehm übersetzt worden, hat viele farbige und schwarzweiße Abbildungen und eine schöne Typographie, die auch vor türkischen Sonderzeichen nicht zurückschreckt. Was braucht man mehr, wenn man hier in Bayern am Abend von Dreikönig in seinem urgemütlichen Sessel sitzt und auf die drei Sternsinger wartet? Sie werden aber im Gegensatz zu ihren Vorbildern kein Geschenk bringen, sondern Gaben heischen: Weihrauch, Myrrhe oder Gold. Vermutlich Gold.
ERNST HORST
Adrian G. Gilbert: "Der Stern der Weisen - Das Geheimnis der Heiligen Drei Könige". Aus dem Englischen von Karin Schuler. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2000. 399 S., geb., viele Abb., Karten, 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Unter der netten Überschrift "Are you Sirius" fasst Ernst Horst wohlwollend und - dem Gegenstand angemessen - nicht ganz klar seine Lektüreeindrücke des offensichtlich unwissenschaftlich-esoterischen, aber unterhaltsamen Buches von Adrian G. Gilbert zusammen. Der erwecke die spirituelle Welt, in die Jesus hineingeboren wurde, zum Leben, aber Abraham und König Artus kommen auch vor. Wichtig wird die Frage, welches astronomische Ereignis denn die drei Weisen zur Krippe gelockt hat und wer sie wohl waren. "Amüsante Kulturgeschichte", so Horst, an einigen Stellen zumindest "gut ausgedacht" und überdies "angenehm übersetzt."
© Perlentaucher Medien GmbH
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