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Eglantine, die Heldin aus Alexis' Roman "Die Mulattin" hat ihrem früheren Leben als Prostituierte den Rücken gekehrt und sucht einen Neuanfang. Eine Bekannte rät ihr, in den Salzhandel einzusteigen. Gemeinsam mit ihr chartert sie einen Segler und macht sich auf den Weg zur Grande Saline. Die beiden Frauen geraten in ein apokalyptisches Unwetter.Die fragmentarische Fortsetzung von Jacques Stéphen Alexis' Roman "Die Mulattin" illustriert in ihrer eruptiven Expressivität Alexis' Konzept des wunderbaren Realismus. Sie wurde im Original erst 2017 aus dem Nachlass des Autors veröffentlicht.

Produktbeschreibung
Eglantine, die Heldin aus Alexis' Roman "Die Mulattin" hat ihrem früheren Leben als Prostituierte den Rücken gekehrt und sucht einen Neuanfang. Eine Bekannte rät ihr, in den Salzhandel einzusteigen. Gemeinsam mit ihr chartert sie einen Segler und macht sich auf den Weg zur Grande Saline. Die beiden Frauen geraten in ein apokalyptisches Unwetter.Die fragmentarische Fortsetzung von Jacques Stéphen Alexis' Roman "Die Mulattin" illustriert in ihrer eruptiven Expressivität Alexis' Konzept des wunderbaren Realismus. Sie wurde im Original erst 2017 aus dem Nachlass des Autors veröffentlicht.
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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Johanna Nuber bezeichnet Jacques Stephan Alexis' Romanfragment als "sursozialistische" Literatur, da der haitianische Autor darin "synästhetische Wahrnehmungexzesse" und eine dem magischen Realismus verpflichtete Bildlichkeit mit politischer Symbolik verbindet, wie sie erläutert. Die um 1960 entstandene Geschichte der Selbstermächtigung einer Prostituierten in Port-au-Prince, die in den Salzhandel einsteigen will, findet Nuber "ungestüm" selbst noch in der Übersetzung von Rike Bolte. Der Text ist für Nuber eine lesenswerte Wiederentdeckung und eine Bereicherung der postkolonialen Literatur.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.03.2022

Hochspannungsliebe
Postkoloniales Juwel: Die letzte der magischen politischen Parabeln des Haitianers Jacques Stéphen Alexis
Auf der ersten Seite klafft eine Lücke, doch sie rührt nicht von der sengenden Sonne, die im Eingangssatz als „infraroter Vogel“ ins karibische Meer gestürzt ist. Sie ist ein Zeichen der Zeit, die einzelne Wörter im Manuskript ausgebleicht hat. Sechzig Jahre trennen die posthume Veröffentlichung von „Der Stern Wermut“ und seine Entstehungszeit um 1960. Es ist das letzte literarische Projekt des haitianischen Schriftstellers Jacques Stéphen Alexis. Die Leerstellen im Text stehen auch für die Unzeit, zu der dem Dissidenten gewaltsam das Leben geraubt worden ist.
Im April 1961, wenige Tage nach der Invasion amerikanischer Truppen in der Schweinebucht, besteigt Alexis in Kuba ein Schiff, um aus dem Exil im sozialistischen Ausland in seine totalitär beherrschte Heimat zurückzukehren. Noch am Strand wird er von der Militärpolizei verhaftet und in ein Foltergefängnis verschleppt. Unter dem Einfluss der Dekolonisierungsbewegung hatte er 1956 in Paris die Teilnehmenden des „Ersten Kongresses der Schwarzen Künstler und Intellektuellen“ auf ein „literarisches Bandung“ eingeschworen, ein Pendant zu politischen Dekolonisierungsbewegungen, auf die sich die Länder der „dritten Welt“ im indonesischen Bandung verständigt hatten. Er selbst hätte es nicht mehr erlebt: Der Tag, an dem Alexis ermordet wird, ist sein 39. Geburtstag.
Wie das Leben des Arztes und Kommunisten ist auch „Der Stern Wermut“ unvollendet geblieben. So wenig von Alexis letzten Stunden bekannt ist, so ungewiss ist, ob der Protagonistin Églantine die „Rekonstruktion ihres Herzens“ gelingt, die ihr „bittersüßer Überlebenskampf“ leisten soll. Églantine desertiert – vor ihrem Namen, ihrer Beschäftigung als Sexarbeiterin im Hafenmilieu von Port-au-Prince und einer „Hochspannungsliebe“, deren elektrische Ladung nicht nur negativ, sondern toxisch ist.
1959 veröffentlichte Alexis den Roman „L’espace d’un cillement“. Darin erzählte er ausführlich von jener gefährlichen Romanze zwischen El Gaucho, einem rebellischen Hafenarbeiter und Zuhälter im Nebenberuf, und Eglantina, wie er aus Kuba stammend und in der „Sensation Bar“ nur als „La Niña Estrellita“ bekannt. In dem Fragment einer Fortsetzung ist die Ausgangslage so einfach wie raffiniert: Als gefeiertes „Sternchen“ hat sich Eglantina einen dürftigen Kredit erwirtschaftet, womit sie mit einer Bekannten ein Segelschiff samt Besatzung chartert und die gefährliche Überfahrt zur „Großen Saline“ wagt.
Durch den Einstieg in den Salzhandel hoffen die Frauen den Ausbeutungsverhältnissen zu entkommen, die die karibische Insel seit der Errichtung der ersten Zuckerplantage im Griff haben. Doch bevor die nervenaufreibende Erzählung satzzeichenlos verebbt, wird die Geschäftsidee von einem tropischen Unwetter durchkreuzt, das zwar die Salzkristalle umso leuchtender funkeln lässt, alle Hoffnungen aber ins tosende Meer stürzt. Im haitianischen Kontext ist der politische Symbolgehalt dieses Schiffbruchs kaum zu übersehen: Églantines Versuch, ihre Unfreiheit durch unternehmerisches Geschick zu überwinden, scheitert genauso wie die wiederholten Versuche der haitianischen Bevölkerung, sich aus dem unheilvollen Sog aus Enteignung, Versklavung, Besatzungspolitik und Despotismus zu befreien.
Die letzte deutsche Ausgabe von „L’espace d’un cillement“ liegt lange zurück, übersetzter Titel („Die Mulattin“) wie Buchcover wirken heute wie ungenießbare Früchte zu lange gereifter Männerfantasien. Dass Alexis durch sein ungestümeres Spätwerk neu zu entdecken ist, verdankt sich dem Litradukt-Verlag, der sich seit Jahren um haitianische Literatur bemüht, und der Übersetzung von Rike Bolte, die zwar ab und an zu übersteuern droht, sich aber genau darin als passendes Pendant zum nervenaufreibenden Originaltext qualifiziert.
Alexis’ unter tragischen Umständen entstandenes Spätwerk vergegenwärtigt Facetten postkolonialer Literatur, die auch in aktuellen Debatten häufig zu kurz kommen. Sein literarischer Absinth-Stern verbindet synästhetische Wahrnehmungsexzesse mit starker politischer Symbolik und einer surreal anmutenden Bildsprache. Alexis, der einen spezifisch haitianischen Beitrag zum damals noch wenig bekannten magischen Realismus leisten wollte, gewinnt seine Stoffe aber keinem mysteriösen Traumreich ab, sondern historisch vererbten Verhältnissen sozialer Not und Entfremdung. Viel eher als surrealistisch müsste man ein solches Schreiben als sursozialistisch bezeichnen.
JOHANNA NUBER
Bevor die nervenaufreibende
Erzählung satzzeichenlos verebbt,
zieht ein Unwetter auf
Jacques Stéphen Alexis: Der Stern Wermut.
Aus dem Französischen
von Rike Bolte.
Litradukt, Trier 2021.
132 Seiten, 12 Euro.
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