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»Dieses Buch bietet alle Freuden eines Lethem-Romans, die Klugheit, die tollen Dialoge und den trockenen Humor.« New York Times
Der Stillstand kam plötzlich. Autos, Waffen, Computer und Flugzeuge funktionierten nicht mehr und schon war die Gesellschaft im Eimer. Seitdem lebt Journeyman zurückgezogen mit seiner Schwester Maddy auf einem Bio-Bauernhof in Maine. Was ziemlich okay ist, bis sein alter Bekannter Todbaume mit einem irren Atom-Gefährt auftaucht. Plötzlich ist die schöne Idylle in Gefahr, und es liegt an Journeyman, Todbaume aufzuhalten. Hochamüsant und äußerst gegenwärtig - ein…mehr

Produktbeschreibung
»Dieses Buch bietet alle Freuden eines Lethem-Romans, die Klugheit, die tollen Dialoge und den trockenen Humor.« New York Times

Der Stillstand kam plötzlich. Autos, Waffen, Computer und Flugzeuge funktionierten nicht mehr und schon war die Gesellschaft im Eimer. Seitdem lebt Journeyman zurückgezogen mit seiner Schwester Maddy auf einem Bio-Bauernhof in Maine. Was ziemlich okay ist, bis sein alter Bekannter Todbaume mit einem irren Atom-Gefährt auftaucht. Plötzlich ist die schöne Idylle in Gefahr, und es liegt an Journeyman, Todbaume aufzuhalten.
Hochamüsant und äußerst gegenwärtig - ein kluger Roman über die Happy Few und die Geschichten, die sie sich über die Welt erzählen, um ihren kleinen Frieden zu schützen.

Nach dem Stillstand lebt Journeyman ein zufriedenes, kleines Leben: Er hilft dem Metzger von East Tindwerwick in Maine und liefert die Lebensmittel aus, die seine Schwester
Maddy auf ihrer Bio-Farm anbaut. Doch dann taucht sein alter Freund Todbaume wieder auf, mit einem Fahrzeug namens Blue Streak: einem atombetriebenen Tunnelbagger.
Todbaume ist einer der mächtigsten Männer in Hollywood, seine Motive sind unklar, aber seine Art ist so unangenehm wie eh und je. Als eine alte Geschichte zwischen Todbaume
und Maddy wieder hochkocht, und die Idylle ihrer kleinen Post-Stillstands-Welt zerstört zu werden droht, muss Journeyman aktiv werden, um das zu schützen, was er liebt.
Autorenporträt
Jonathan Lethem, geboren 1964 in New York, ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane 'Motherless Brooklyn' und 'Die Festung der Einsamkeit'. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den 'National Book Critics Award'. Am Pomona College in Südkalifornien ist er Professor für Creative Writing. Zurzeit lebt er mit seiner Familie in Kalifornien.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit "Der Stillstand" ist Jonathan Lethem ein sehr unterhaltsam zu lesender, vielschichtiger Roman gelungen, urteilt Rezensentin Rosa-Maria Gropp. Lethem konfrontiert Journeyman, den sympathisch-naiven (Anti-)Helden seiner früheren Romane, mit dem plötzlichen Funktionsstopp aller Elektrogeräte, benzinbetriebenen Maschinen etc. In dieser postapokalyptsichen Welt lebt Journeyman zusammen mit seiner Schwester Maddy als Schlachtergehilfe in einer Selbstversorgerenklave in Maine ein verhältnismäßig ruhiges Leben. Dann allerdings taucht Todbaume, dem Journeyman vor dem Stillstand in Hollywood behilflich war, mit einem rätselhaften Fahrzeug, einer "KI", auf. Gropp hat sich bestens amüsiert, wie es aussieht. Daneben imponiert ihr die Belesenheit Lethems, die sich ihr zum Beispiel in einem verdeckten literaturkritischen Exkurs zu  Cormac McCarthys Roman "Die Straße" zeigt. Unbedingt eine Leseempfehlung.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2024

Vom Pesthauch des Superautos
Jonathan Lethem hat keine Lust auf die Apokalypse, aber auf eine tolle Geschichte schon: "Der Stillstand"

Unverhofft kommt oft, heißt es, wenn auch nicht gleich so grundstürzend. Es geschah, als Journeyman, der in seiner früheren Existenz Alexander Duplessis hieß, seine Schwester Maddy, die in einer autonomistischen Ökokommune im amerikanischen Bundesstaat Maine lebt, besuchte: "Ohne jede Warnung, abgesehen von jeder erdenklichen Warnung, war er gekommen, der Stillstand. Der Zusammenbruch, die Abschottung und Umbesetzung von allem, der vertrauten Welt, wie Journeyman sie sein Leben lang gekannt hatte."

Das Fernsehen starb zuerst, gefolgt von "Gmail, SMS, Wischen, FaceTime, Tweets und dergleichen". Klimaanlagen versagten, Flugzeuge stürzten ab, Autos verendeten, endlich die letzten Schusswaffen. Und Kaffee gibt es seither auch nicht mehr. Die zuvor gern propagierte Präferenz fürs Lokale wird in jeder Hinsicht plötzlich Realität. Seit dem Stillstand arbeitet Journeyman als Gehilfe des Schlachters in der so entstandenen Community, deren Wurstproduktion sich auf der Halbinsel großer Beliebtheit erfreut. Mit den Würsten und Gemüselieferungen aus dem Anbau der Biofarm werden die postapokalyptisch hochgerüsteten "Kordonisten" versorgt und ruhiggestellt, von denen die Gemeinschaft abgeschirmt wird; vor was eigentlich beschützt, weil ja abgeschnitten vom Rest des Kontinents, des Globus überhaupt, oder nicht schlicht ausgebeutet, muss offenbleiben.

Im amerikanischen Original ist "The Arrest" schon 2020 erschienen, kurz bevor die Welt in weiten Teilen zu einer Art von Stillstand verurteilt wurde nach dem Ausbruch der Covid-Pandemie. Die deutsche Veröffentlichung erfolgt also vier Jahre später, was Jonathan Lethems Roman, der vage in einer nahen Zukunft angesiedelt ist, beinahe ein wenig gealtert erscheinen lässt, mit den Erfahrungen der Separation und ihrer Begleitumstände im Nacken, die das Virus der Menschheit aufgezwungen hatte. Was allerdings unverändert bleibt, ist die radikale Dystopie, die "Der Stillstand" mit der ungebremsten tragikomischen Wucht seines Autors umwerfend ausmalt.

Journeyman (auf Deutsch etwas wie Geselle) ist die inkarnierte Limitierung jeglichen Begreifens, was ihn aber gar nicht unsympathisch macht. Das prädestinierte ihn schon in seinem Vorleben, als zweitrangiger Drehbuchverfasser für Hollywood, zum Laufburschen und Ausputzer seines zunehmend erfolgreichen Freunds Peter Todbaume (im amerikanischen Original "Todbaum", in der deutschen Übersetzung, warum auch immer, "Todbaume"), der ihn dafür bezahlte. Gemeinsam laborierten sie am Projekt eines Science- Fiction-Films namens "Noch eine Welt" (im Original "Yet Another World"), irgendwie halt ein Horrorszenario. Im Zentrum standen zunehmend "die Vorboten der Klimakatastrophe, von Geflüchteten überrannte Grenzen, die Morgenröte der Künstlichen Intelligenz und der virtual reality - die zwanzig Jahre alte Geschichte gab sich alle Mühe, der Gegenwart hinterherzuhecheln". Alles Schnee von gestern.

Nun, da der Stillstand eingetreten ist, fährt just dieser Todbaume quer durch die Vereinigten Staaten mit seinem "Superauto", genannt "Blue Streak", einem metallisch "funkelnden Höllenkadaver von Menschenhand", "Pesthauch" ausströmend, in der inzwischen recht gut sortierten - und übrigens nach vorgängigen gesellschaftlichen Mustern hierarchisierten - Bioidylle vor, zuletzt geleitet von den Kordonisten. Wo der Blue Streak dann seine Versorgungstentakel tief in den Boden senkt, stirbt die umliegende Natur ab.

Es ist nicht unerheblich für den Fortgang des Geschehens, mithin das Schicksal von Todbaume und seinem Gefährt, das hier natürlich nicht verraten sei, dass der Blue Streak "wie eine Vision aus der Zukunft der Vergangenheit" erscheint. Und es wäre wohl ein Missverständnis, dass Todbaume den Kurs seiner irgendwie atomar betriebenen Maschine bestimmt, es ist vielmehr dieses "Ding", das sich und seinen Insassen zunächst dem Zugriff der Kordonisten entzieht: "Es ist eine KI, also ist es im Gegensatz zu diesen Kackdackeln lernfähig", bescheidet Todbaume seinem einstigen Freund Journeyman. Und es ist nur eine der furiosen Ideen Lethems, wie sich diese "KI" schließlich in einer tollen Volte mit einer nachgerade archaischen Mechanik schlagen wird.

Jedenfalls müssen Lethem all diese Verquickungen von Vorher und Nachher des Stillstands - bis hin zur Rolle, die Journeymans kluge Schwester Maddy dabei schon in den Tagen von Hollywood gespielt hatte - einiges Kopfzerbrechen bereitet haben. Und wir, die geneigten Leserinnen und Leser, dürfen ihm bei diesem Prozess folgen, in den er eine ganze Menge sehr spezieller Nebenfiguren verwickelt. Wie den alten Jerome Kormentz, der am "See der Müdigkeit" (was für ein wunderschöner Name) haust und an seinem "Kopfkissenbuch" fort und fort schreibt. Das ist, als Cameo, eine fast zärtliche Hommage an die um das Jahr 1000 entstandenen Aufzeichnungen der japanischen Hofdame Sei Shonagon, mithin an eine Literatur im Verborgenen.

Jonathan Lethem, Jahrgang 1964, unterrichtet am Pomona College im kalifornischen Claremont Literatur und kreatives Schreiben, als Nachfolger von David Foster Wallace, der als Erfinder des sogenannten postmodernen Romans gilt. Die einschlägige Gemeinde für seine erfolgreichen Erzählungen und Romane, die sich zumal mit Außenseitern beschäftigen, solchen, die sich von der zu lange dominierenden Fortschrittsideologie abwenden, hat er vor allem in seiner eigenen Generation. Dass Lethem eine Weile mit Bret Easton Ellis am Bennington College in Vermont studiert hat, wird immer wieder erwähnt. Während Ellis in seinen stark umstrittenen Büchern, allen voran "American Psycho" von 1991, auf psychische Grenzgänger und physische Brutalität setzt, gilt Lethems scharfer Blick besonders dem anderen, unaggressiven Teil dieser Kohorte, verkörpert im Roman von Journeyman.

Das 23. von insgesamt 79 zwischen verschiedenen Zeit- und Handlungsebenen hin- und herspringenden Kapiteln ist überschrieben "Journeyman war ein Vermittler". Ihn macht Lethem, gegen allen Anschein, zu einer literarisch wirklich interessanten Figur, die ganz in die Gegenwart gehört. "Nichts verankerte ihn in irgendeiner Überzeugung oder Philosophie; sein Tun war irrelevant, sogar für ihn selbst. Es war schieres Glück gewesen, dass er den Stillstand überlebt hatte." Journeyman ist weder Nachfahre eines tumben Tors auf mittelalterlicher Queste, dem späte Erkenntnis blüht, noch Nerd im inzwischen auch schon wieder überholten Sinn. Es reicht nicht zum Antihelden, aber für Lethem zum gar nicht so blöden Zeugen der sich bald anbahnenden, dann überstürzenden Geschehnisse, darin womöglich gar nicht so unähnlich einem gescheiterten Helden des Bildungsromans der Klassik.

Doch während Lethem die Linearität des Erzählens mit allen Mitteln zu torpedieren versucht, kann er doch genau dieses Erzählen so wenig lassen wie sein Protagonist, den er trickreich als Beobachter zweiter Ordnung einsetzt und den jener erwähnte Kormentz, Wiedergänger eines japanischen Weisen, gleich anfangs fröhlich begrüßt hatte: "Geschichtenerzähler, erzähl mir eine Geschichte." Wie als Belege einer manchen noch nahen Vergangenheit versieht Lethem seinen Roman zusätzlich mit ein paar nostalgischen Bildern und Fotografien, als seinen Tribut an die von ihm geliebte Erzählform Comic. So ist der "Blue Streak" mit einer Szene aus der Serie "Superman's Pal Jimmy Olsen", die von den Fünfziger- bis in die Siebzigerjahre erschien, illustriert, aber auch mit dem Foto eines Furcht einflößenden Maschinenmonstrums aus ebenjenen verflossenen Zeiten. Lethem bereiten solche kleinen Sentimentalitäten offenbar Vergnügen, jedes nachfolgende der Batmobile sieht stromlinienförmiger aus, und sie stacheln die historische Phantasie der Leser zusätzlich an.

Zu dieser Strategie gehört auch, dass sich Lethem, während im Hintergrund der irre Showdown schon läuft, ein lustiges, quasididaktisches Metakapitel 44 gönnt, überschrieben "Postapokalyptische und dystopische Geschichten". Darin darf Todbaume, in einer Rückblende, über Cormac McCarthys düsteren Roman "Die Straße" von 2006 herziehen, um dann zu befinden: "Postapokalyptisches Trostfutter. Und damit meine ich keine Trivialliteratur. Selbst Kafka wollte in seinem Schloss leben, da kannst du aber einen drauf lassen." Nein, das wollte Kafka bestimmt nicht. Das ist nicht nur eine steile These, sondern einfach Quatsch, wie Journeyman (damals noch als Duplessis) weiß: "Wir erzählen uns Geschichten, um zu leben." Todbaume befiehlt ihm: "So, und jetzt setz dich auf den Hosenboden und schreib genau die Geschichte. Postapokalyptischen, dystopisch-idyllischen Kuschelkitsch. Das alte Lied, nach dem wir uns alle sehnen."

Es soll hier wahrlich nicht gesagt sein, dass Jonathan Lethem mit "Der Stillstand" genau das gemacht hat; aber ein bisschen schon, ganz auf der Höhe seiner Kunst. Profund belesen, was er gern in diversen Subtexten ausstellt, hat er eine rätselvolle - ja, eben doch - Geschichte geschrieben, in der er seine stilistischen Möglichkeiten austobt, mitreißend bis zum Schluss: Mehr geht nicht, ziemlich großer Spaß. ROSE-MARIA GROPP

Jonathan Lethem:

"Der Stillstand".

Roman.

Aus dem

Amerikanischen

von Ulrich Blumenbach. Tropen Verlag,

Berlin 2024.

327 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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»[M]itreißend bis zum Schluss: Mehr geht nicht, ziemlich großer Spaß.« Rose-Maria Gropp, FAZ, 11. Juli 2024 Rose-Maria Gropp FAZ 20240710