Raum und Zeit im Fokus der empirischen Forschung
Das Buch erhebt den Anspruch, Wissenschaft in ihrer Entstehung zu vermitteln. Um das zu erreichen, bezieht Autor Brian Greene die historische Entwicklung der Physik in seine Ausführungen mit ein. Er thematisiert, wie Fragen, die längst für
endgültig beantwortet erklärt worden sind, von späteren Generationen immer wieder neu aufgegriffen und in…mehrRaum und Zeit im Fokus der empirischen Forschung
Das Buch erhebt den Anspruch, Wissenschaft in ihrer Entstehung zu vermitteln. Um das zu erreichen, bezieht Autor Brian Greene die historische Entwicklung der Physik in seine Ausführungen mit ein. Er thematisiert, wie Fragen, die längst für endgültig beantwortet erklärt worden sind, von späteren Generationen immer wieder neu aufgegriffen und in einen neuen Kontext gestellt werden. Hierzu gehören zweifelsohne die Fragen nach Raum und Zeit.
Das Buch gliedert sich in 5 Teile. Im ersten Teil geht es um die Grundlagen der Physik. Greenes Erklärungen zu den Relativitätstheorien faszinieren. Die Abhängigkeiten von Raum und Zeit erläutert er plastisch anhand von unterschiedlichen Schnitten eines Brotlaibs. Die Kuriositäten der Quantenmechanik werden deutlich, ebenso wie Einsteins Konflikt mit den Folgerungen aus der Quantenmechanik.
Im zweiten Teil liegt der Fokus auf dem Begriff der Zeit. Unsere Erfahrung sagt uns, dass wir in der Gegenwart leben, dass die Zeit fließt und dass sie eine Richtung hat. Trotzdem ist das „Jetzt“ physikalisch nicht greifbar. Jeder Teil der Raumzeit ist gleichwertig mit jedem anderen Teil. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und das Fließen der Zeit entpuppen sich, wie Einstein es sah, als hartnäckige Illusionen.
Die Geschichte des Kosmos erläutert Greene in „Raumzeit und Kosmologie“. Hier geht es um Symmetrien, um Entstehungsmodelle für den Kosmos und um die großräumige Struktur der Raumzeit. Hinsichtlich der Ausführungen zum Higgs-Feld ist das Buch nicht mehr aktuell. Vieles ist bis heute unklar. Das gilt z.B. für die dunkle Materie und die dunkle Energie.
Seinem Lieblingsthema, der Stringtheorie, widmet sich Greene im vierten Teil des Buches. Da die schwingenden Energiefäden so klein sind, dass sie nicht direkt empirisch untersucht werden können, ruht die Hoffnung auf indirekten Beweisen. Einige Forscher sind der Meinung, dass eine Theorie, die sich jedem direkten empirischen Test verschließt, nicht in den Bereich der Physik gehöre.
Im letzten Teil des Buches spekuliert Greene über Sciencefiction-Themen wie Teleportation und Zeitreisen. Er erläutert die theoretischen Möglichkeiten auf Basis unseres heutigen Kenntnisstandes. Da wird noch viel Wasser den Rhein entlang fließen, bevor wir wie Perry Rhodan rückwärts durch die Zeit reisen.
Es handelt sich um ein recht ausführliches populärwissenschaftliches Werk. Die Leser sind gefordert, wenn sie sich auf 640 Seiten bei kleiner Schrift und wenigen Bildern mit der Grundstruktur des Kosmos beschäftigen. Die Informationsdichte ist hoch im Vergleich zu sonstigen populärwissenschaftlichen Büchern. Wer lediglich einen kleinen Einstieg sucht, könnte mit dieser Lektüre überfordert sein.
Positiv fällt auf, dass Brian Greene Hinweise gibt, wann Kapitel übersprungen werden können, ohne dass der rote Faden verloren geht. Umstrittene Themen benennt Greene als solche und abweichende Auffassungen verpackt er in den Anmerkungen. Auf 50 Seiten Anmerkungen finden die Leser in kleiner Schrift tiefer gehende Erläuterungen. Damit werden unterschiedliche Leserkreise angesprochen. Das Glossar hätte ausführlicher sein können. Begriffe wie Dekohärenz, Komplementarität, Nichtlokalität oder Hologramm werden darin nicht erläutert.
Sind Raum und Zeit fundamentale Konzepte? Es gelingt uns nicht, außerhalb von Raum und Zeit auch nur zu denken. Trotzdem gehen führende Physiker heute davon aus, dass Raum und Zeit aus fundamentaleren Bestandteilen abgeleitet sind. Dies liegt außerhalb unserer Erfahrungs- und auch Vorstellungswelt. Die Naturwissenschaften behandeln längst Fragen, die einst den Philosophen vorbehalten waren. Brian Greene vermittelt den Lesern, wie tief die theoretische Physik in die Grundstrukturen von Raum und Zeit eingedrungen ist, bei der Suche nach den „Atomen“ der Raumzeit.