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Ein Sofa erkrankt an Fieber, Türen werden zu angriffslustigen Kreaturen, Briefkästen, Treppenhäuser und ganze Gebäude verschwinden, um zu Menschen zu werden. In seinen phantastischen Erzählungen nähert sich der große portugiesische Schriftsteller Jose Saramago einem tiefgründigen und facettenreichen Thema: Was hat es mit -den Dingen- auf sich, die uns alltäglich mit scheinbarer Selbstverständlichkeit umgeben? Welche Macht haben sie über uns? -Jose Saramago fabuliert so hintergründig, daß auch der Leser, der sich sträubt, in den magischen Bann der Geschichten hineingezogen wird.- (Welt am Sonntag).…mehr

Produktbeschreibung
Ein Sofa erkrankt an Fieber, Türen werden zu angriffslustigen Kreaturen, Briefkästen, Treppenhäuser und ganze Gebäude verschwinden, um zu Menschen zu werden. In seinen phantastischen Erzählungen nähert sich der große portugiesische Schriftsteller Jose Saramago einem tiefgründigen und facettenreichen Thema: Was hat es mit -den Dingen- auf sich, die uns alltäglich mit scheinbarer Selbstverständlichkeit umgeben? Welche Macht haben sie über uns? -Jose Saramago fabuliert so hintergründig, daß auch der Leser, der sich sträubt, in den magischen Bann der Geschichten hineingezogen wird.- (Welt am Sonntag).
Autorenporträt
José Saramago, geboren am 16. November 1922 in Azinhaga in der portugiesischen Provinz Ribatejo, entstammt einer Landarbeiterfamilie. Nach dem Besuch des Gymnasiums arbeitete er als Maschinenschlosser, technischer Zeichner und Angestellter. Später war er Mitarbeiter eines Verlags und Journalist bei verschiedenen Lissabonner Tageszeitungen. Ab 1966 widmete er sich verstärkt der Schriftstellerei. Während der Salazar- Diktatur gehörte er zur Opposition. Der Romancier, Erzähler, Lyriker, Dramatiker und Essayist erhielt 1998 den Nobelpreis für Literatur. Er starb am 18. Juni 2010 auf Lanzarote.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.1995

Herrn Pessoas Gespenst
José Saramago baut ein imaginäres Museum / Von Elias Torra

José Saramago, der 1922 geborene Lyriker, Romancier, Essayist und Dramatiker, gilt spätestens seit seinem international beachteten Roman "Das Memorial" (1982) als einer der wichtigsten Autoren Portugals. Die sechs Erzählungen des jetzt hervorragend ins Deutsche übersetzten Bandes erschienen 1978, ein Jahr nach Saramagos erstem Roman "Handbuch der Malerei und Kalligraphie" und vier Jahre vor dem "Memorial". Seinen Erstlingsroman, der den künstlerischen Selbstfindungsprozeß eines Malers zum Thema hatte, schrieb Saramago zu einer Zeit, als er selbst auf der Suche nach der ihm gemäßen Ausdrucksform war. Die Texte in "Der Stuhl und andere Dinge" lassen sich als Dokumente einer solchen Suche lesen, als Werke des Übergangs, die zwar in sich bereits geschlossen und sicher wirken, bei deren Lektüre aber spürbar ist, daß der Autor noch nicht recht weiß, wohin er seine nächsten Schritte lenken wird.

Trotz deutlicher Qualitätsschwankungen wäre es ungerecht, Saramagos Erzählungen als bloße Fingerübungen auf dem Weg zu den hochkarätigen Romanen zu verstehen. Schließlich zeigen die sechs Texte, die keineswegs alle "phantastische Erzählungen" sind, wie der Klappentext meint, eine erstaunliche stilistische Bandbreite und jene oft gerühmte Vielstimmigkeit, die in den späteren Romanen virtuos entfaltet wird.

Saramagos folgende literarische Entwicklung kündigt sich am ehesten in dem Eingangstext mit dem lakonischen Titel "Stuhl" an, der dem Leser größte Konzentration abverlangt. Er läßt bereits etwas von jenen wunderbar weit ausschwingenden, komplex strukturierten Satzperioden ahnen, die den Stil des "Memorial" oder des Romans "Das Todesjahr des Ricardo Reis" (1984) prägen werden. "Stuhl" ist keine Beschreibungsliteratur im Sinne des Nouveau Roman, wie der Titel nahelegen könnte. Der akribisch beschriebene Gebrauchsgegenstand ist im Grunde ein Vorwand, um ein Feuerwerk von Assoziationen in Gang zu setzen. Metaphern und Vergleiche formieren sich dabei zu narrativen Seitensträngen, die immer mehr die Oberhand gewinnen. Saramago spielt mit den komischen Effekten, die durch das unvermittelte Nebeneinander heterogener Stillagen und Sprechweisen entstehen. Er inszeniert einen Erzähler, der ständig sich selbst ins Wort fällt, Elemente des Polizeiprotokolls einsetzt, mit ironischem Pathos Gemeinplätze zitiert, gelegentlich in die Rolle eines Juristen schlüpft oder sich an den Umständlichkeiten der Wissenschaftsprosa delektiert: Einmal findet sich der Leser als Hörer einer anatomischen Vorlesung wieder. Es ist, als ob Michail Bachtin mit seinem romantheoretischen Konzept der "Redevielfalt" bei der Entstehung dieser Erzählung Pate gestanden hätte.

Wie in einem literarischen musée imaginaire kombiniert Saramago Elemente disparater Kulturen und führt sie zu einem anachronistischen Dialog zusammen. Während er in "Stuhl" die moderne Mythologie des Wildwestfilms mit dem biblischen Schöpfungsbericht kreuzt, schildert er in einer anderen Erzählung, einer ebenso komischen wie rührend-eindringlichen Darstellung der widersprüchlichen Seelenlage eines jahrtausendealten Zentauren, eine Begegnung des griechischen Fabelwesens mit Don Quijote und Sancho Pansa. Die Mischung von Phantastik und Realismus gehört auch in den Romanen zu den Markenzeichen Saramagos. In "Memorial" steigt ein Luftschiff vermittels in Bernstein eingeschlossener Willenskräfte auf, und im "Todesjahr des Ricardo Reis" kehrt der tote Fernando Pessoa mehrfach als Gespenst wieder, um sich mit der von ihm selbst geschaffenen Figur angeregt zu unterhalten.

Allerdings gehören die Erzählungen, die das Absurde und Phantastische zum alleinigen Gestaltungsprinzip erheben, nicht zu den stärksten des Bandes. "Embargo" handelt von einem Mann, dessen Auto plötzlich selbständige Entscheidungen zu treffen beginnt und den verzweifelten Fahrer hartnäckig am Aussteigen hindert. Und in "Dinge", einer satirisch eingefärbten negativen Utopie à la Huxley, manifestiert sich die Tücke des Objekts im spurlosen Verschwinden aller möglichen und unmöglichen Gegenstände, von einzelnen Küchenutensilien bis zu vollständigen Gebäuden. Beide Texte sind achtbar erzählt, bleiben aber recht blaß; vielleicht deswegen, weil das Gerüst der Konstruktion zu sehr durchscheint. In "Rückfluß" errichtet der König eines nicht näher bezeichneten Landes, der die Vorstellung des Todes nicht ertragen kann, einen monumentalen Friedhof, um jegliche Anzeichen von Sterblichkeit aus seinem Gesichtskreis zu verbannen. Ironischerweise führt aber die radikale Konsequenz, mit der er dieses Projekt betreibt, schließlich dazu, daß es seinen Absichten zuwiderläuft.

Dem Absturz in die aufdringliche Eindeutigkeit moralisierender Allegorie, die die Hybris der Todesverdrängung zum Thema hat, entgeht Saramago nur durch die Nüchternheit seiner deskriptiven Kunst. Vieldeutig hingegen ist die letzte Geschichte ("Vergeltung"), die ohne Zweifel zu den gelungensten des Bandes zählt. Ein Junge beobachtet die Kastration eines Schweins, entkleidet sich und durchschwimmt einen Fluß, an dessen anderem Ufer ein Mädchen im Gezweig verschwindet. Um zu wissen, daß Saramago ein großer Erzähler ist, braucht man nur die vier Seiten dieser Miniatur zu lesen, die die Deutung des geheimnisvollen Geschehens bewußt im unklaren läßt, dabei aber die konkreten Details intensiv und umrißscharf ausleuchtet.

José Saramago: "Der Stuhl und andere Dinge". Erzählungen. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Sarita Brandt und Andreas Klotsch. Rowohlt Verlag, Reinbek 1995. 178 S., geb., 36,- DM.

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José Saramago fabuliert so hintergründig, daß auch der Leser, der sich sträubt, in den magischen Bann der Geschichten hineingezogen wird. Welt am Sonntag