Julia Müller-Späth richtet sich, in ihrem 2023 im Karin Fischer Verlag veröffentlichten Thriller
„Der Sündenbock“, an Psychiatrie-Interessierte. Die Hauptcharaktere sind die Psychotherapeutin
Kathy von Bergen, ihr Vater der Psychiater Martin von Bergen, ihr Antagonist Jan und seine
Schwester
Lissy.
In ihrer Kindheit wird Kathy von ihrem Lehrer, in den sie verliebt ist, deutlich zurück…mehrJulia Müller-Späth richtet sich, in ihrem 2023 im Karin Fischer Verlag veröffentlichten Thriller
„Der Sündenbock“, an Psychiatrie-Interessierte. Die Hauptcharaktere sind die Psychotherapeutin
Kathy von Bergen, ihr Vater der Psychiater Martin von Bergen, ihr Antagonist Jan und seine
Schwester Lissy.
In ihrer Kindheit wird Kathy von ihrem Lehrer, in den sie verliebt ist, deutlich zurück gewiesen,
was sie als Kränkung erlebt. Der Rest des Buches handelt davon, wie sie versucht, einen Umgang
mit dieser Kränkung zu finden, und wie die Gegenseite darauf reagiert.
Die Buchhülle wirkt auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Thriller, jedoch verbirgt sich darin
ein weniger kommerzielles Projekt. Der Schreibstil ist durchgehend einfach strukturiert und leicht
verständlich. Spannung soll stellenweise mit Sätzen wie: „Ladys und Gentlemen, setzen Sie sich,
holen Sie das Popcorn und genießen Sie die Show. Es geht los!“ oder „Es wird spannend!“
vermittelt werden. Männlichen Akteure werden kontinuierlich als negativ beschrieben, weibliche
Akteure werden kontinuierlich als positiv beschrieben. Anfangs fühlte ich die Begeisterung von
Julia Müller-Späth, dafür dieses Buch zu schreiben, und es machte Spaß den Geschehnissen zu
folgen. Als sie begann die Handlung zu einseitig und zu subjektiv zu inszenieren, war ich etwas
irritiert. Stellenweise hatte ich das Gefühl, Julia Müller-Späth erzählt aus ihrem eigenen Leben.
Auffallend ist, dass einige Erzählstränge etwas wenig Relevanz für die Gesamthandlung besitzen.
So beschreibt sie beispielsweise in einem kompletten Kapitel, wie Kathy von einem (männlichen)
Patienten mit einem Messer verletzt und daraufhin im Krankenhaus behandelt wird. Die
Gesamthandlung würde konfliktlos ohne dieses Kapitel existieren können, ebenso ist der Grundton
von Julia Müller-Späth, an dieser Stelle des Buches, bereits vollumfänglich bekannt. Etwas
ungewöhnlich ist beispielsweise auch, dass Kathy zusammen mit ihrem Vater Martin in derselben
Einrichtung arbeitet. Eine erkennbare Relevanz für die Gesamthandlung oder zumindest eine
verständliche Begründung für diese Gegebenheit lässt Julia Müller-Späth aus. Unklar ist auch ob es
sich um eine eher psychotherapeutische oder doch um eine rein psychiatrische Einrichtung handelt.
Viele Schreibelemente wirken kopiert, aus bekannten und aktuellen Trillern und Krimis, jedoch
ohne diese vollständig ausgearbeitet zu haben, und so deren Wirkung gänzlich zur Entfaltung
bringen zu können.
So führt die Ambition von Julia Müller-Späth den Leser emotional abzuholen und ihm
psychiatrische Realität aufzuzeigen eher zu einer eigenen Aufarbeitung und dem Ausklammern des
literarischen Anspruchs. Für einen Einblick in die Autorenarbeit und eine generelle
Herangehensweise an das Schreiben eines ersten eigenen Buches ist „Der Sündenbock“ für mich
ein Vorbild. Abraten würde ich Lesern, die einen an den Nerven kitzelnden, kognitiv
herausfordernden Thriller erwarten.