Ulrich Koch verfügt über eine sehr feine Beobachtungsgabe und hat auch die schöpferische Musikalität, Gefühle und Betrachtungen in einer Weise in Gedichte zu transformieren, dass die Sprache eine eigene Schwingung erfährt. So ist das Singen seinem Schreiben immanent, wie die Musik seiner Poesie. Profane Alltäglichkeiten, wie in dem Titel gebenden Gedicht »Call Center«, werden gesammelt und spiegeln als Mosaike das Schicksal der urbanen Existenz. Nicht zu Unrecht ist er wegen seiner real-surrealen Bildsprache mit dem amerikanischen Lyriker Charles Simic verglichen worden. Souverän gestaltete Naturstimmungen finden sich neben Stillleben - Spotlights auf das Leben. Und er schreibt unvergleichlich treffend über die Poesie: »Was dachtest du nicht, / was Poesie sei! // Augenblicke, /wie Stichstraßen ans Meer. / Lichte Momente, / schwer / wie Blei. // Alpen aus Wolken. // Und vorbei.«
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2008Engel der Arbeit
Seine Gedichte spielen im Schulbus, im Friseursalon, im Dorfgasthaus oder im Ehebett, im Alltag von Großstadt und Provinz. Der Autor kennt sich da aus: Ulrich Koch, geboren 1966 in Winsen an der Luhe, ist Angestellter in Hamburg. Ihm ist das Schicksal des gewöhnlichen Lyrikers vertraut, etwa bei einer "Lesung in der Provinz" vor zehn Lesern: "Man schweigt betreten, räuspert sich / und will dein Leben sehn." Er zieht es vor, das Leben der anderen zu zeigen. Seine Befunde sind nicht sonderlich erbaulich. Die Damen-Frisuren, "steif wie Zuckerwatte", erscheinen ihm als "Süßigkeiten für die Krankheiten, die kommen". Die Alten in ihren Betten kauen an ihren Zungen "wie an kalten Zigarrenstumpen", die Blumenhändlerin "bindet den Strauß wie einen Strick". Man hat Koch mit Charles Simic verglichen. Aber seine entzauberte Welt hat nichts von der gloriosen Dämonie New Yorker Straßenszenen. Koch gibt sich nüchtern und skeptisch. Er verlegt seine Epiphanien in die Vergangenheit. Dort, "in einem Haus am Ende der Straße", lebt die "ewige Jugend unter den Schonbezügen". Ehe alles in Tristesse versinkt, erscheint ein Engel: "Er hat nur ein Bein, aber ein großes / Flügelhemd, in das er sich schneuzt." Es ist der Engel der Arbeit - ein Bild, das im Gedächtnis bleibt. Man wünscht sich noch mehr Gedichte, die so kühn enden wie dieses. (Ulrich Koch: "Der Tag verging wie eine Nacht ohne Schlaf". Gedichte. Buch & Media Lyrikedition, München 2008. 122 S., br., 12,50 [Euro].) H.H.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seine Gedichte spielen im Schulbus, im Friseursalon, im Dorfgasthaus oder im Ehebett, im Alltag von Großstadt und Provinz. Der Autor kennt sich da aus: Ulrich Koch, geboren 1966 in Winsen an der Luhe, ist Angestellter in Hamburg. Ihm ist das Schicksal des gewöhnlichen Lyrikers vertraut, etwa bei einer "Lesung in der Provinz" vor zehn Lesern: "Man schweigt betreten, räuspert sich / und will dein Leben sehn." Er zieht es vor, das Leben der anderen zu zeigen. Seine Befunde sind nicht sonderlich erbaulich. Die Damen-Frisuren, "steif wie Zuckerwatte", erscheinen ihm als "Süßigkeiten für die Krankheiten, die kommen". Die Alten in ihren Betten kauen an ihren Zungen "wie an kalten Zigarrenstumpen", die Blumenhändlerin "bindet den Strauß wie einen Strick". Man hat Koch mit Charles Simic verglichen. Aber seine entzauberte Welt hat nichts von der gloriosen Dämonie New Yorker Straßenszenen. Koch gibt sich nüchtern und skeptisch. Er verlegt seine Epiphanien in die Vergangenheit. Dort, "in einem Haus am Ende der Straße", lebt die "ewige Jugend unter den Schonbezügen". Ehe alles in Tristesse versinkt, erscheint ein Engel: "Er hat nur ein Bein, aber ein großes / Flügelhemd, in das er sich schneuzt." Es ist der Engel der Arbeit - ein Bild, das im Gedächtnis bleibt. Man wünscht sich noch mehr Gedichte, die so kühn enden wie dieses. (Ulrich Koch: "Der Tag verging wie eine Nacht ohne Schlaf". Gedichte. Buch & Media Lyrikedition, München 2008. 122 S., br., 12,50 [Euro].) H.H.
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