Mrs. Delia Bagot kümmert sich hingebungsvoll um Haus und Garten, um ihren Ehemann Martin, die Töchter Lily und Margaret, um Hund und Katzen. Manchmal jedoch bringt sie die Energie für ihr Leben nicht auf. Dann träumt sie davon, auf ihrem Teppich mit den pinkfarbenen Rosen einfach davonzufliegen. Und wenn die Kinder einmal fort sind, fühlt sie sich so einsam, daß sie bei ihrem eigenen Schatten Trost sucht.Maeve Brennans acht Geschichten über Delia und Martin Bagot sind meisterhaft geschrieben, melancholisch und betörend schön. Sie handeln von einer Ehe, in der es für Liebe und Trauer keine Sprache und keine Gesten mehr gibt. Doch auch die Bagots waren einmal ein Liebespaar. Davon erzählt die letzte und längste Geschichte des Buchs, in der eine neue, beeindruckend boshafte Stimme ins Spiel kommt: Martins Zwillingsschwester Min. Die alte Frau haust seit dem Tod der Bagots zwischen deren Möbeln. Delias geliebter Teppich liegt nun in Mins Wohnzimmer und Martins Ehering steckt an ihremFinger - letzter Triumph eines rachsüchtigen, aber auch zutiefst verletzten Menschen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.2007Ehe und andere Höllen
Vergessen, aber nicht vergilbt: Erzählungen von Maeve Brennan
Delia Bagot wohnt im Reihenhaus einer Dubliner Vorstadt. Ihr Mann Martin, die Töchter Lily und Margaret, ihre Haustiere und die Pflege von Haus und Garten bilden den Inhalt ihres Lebens - eine Vorstadthölle, die in leisen Tönen poetisch gemildert gezeichnet wird. Längst hat Sprachlosigkeit die Ehepartner erfasst. Martin geht der Familie aus dem Weg, Delia kommt ihm vor "wie ein kleiner Maulwurf", blind, schwach und ahnungslos.
Ein Übermaß an Reflexion hindert die Personen daran, das Schweigen zu durchbrechen. Empört registriert Delia, dass Martin ihren zwölften Hochzeitstag zu ignorieren gedenkt, doch behält sie ihre Gefühle für sich. Den Blumenstrauß, den sie ihm zur Feier des Tages ins Zimmer stellt, begreift er bei seiner nächtlichen Heimkehr als Zeichen des Tadels, das ihn zwingt, sich mit seiner Situation auseinanderzusetzen. Als er ihn entfernen möchte, fällt ihm die Blumenschale zu Boden und zerbricht.
In ihrer Lakonik gehört die Eingangserzählung zu den besten Stücken des Bandes, der acht Episoden aus dem Leben der Bagots schildert. Erschienen sind die Texte zuerst im "New Yorker" zwischen 1964 und 1972; für diese Ausgabe wurden sie neu angeordnet. Nach der Novelle "Die Besucherin" und dem Erzählungsband "Mr. und Mrs. Derdon" liegt damit nun die dritte Publikation der wiederentdeckten irisch-amerikanischen Schriftstellerin Maeve Brennan (1917 bis 1993) vor. Eine besondere Stärke der Autorin liegt in der atmosphärisch dichten Beschreibung. Schon nach wenigen Seiten fühlt man sich in dem Haus der Bagots heimisch. Einrichtungsgegenstände werden zu Aufhängern ganzer Geschichten, so der Teppich mit den großen pinkfarbenen Rosen, dem der Band seinen Namen verdankt: Zur Säuberung auf den Rasen gelegt, wird er zum Auslöser von Überlegungen und poetischen Träumereien, bildet ein Fluchtvehikel aus dem stupiden Alltag. Wenigstens momentweise gelingt Brennans Figuren die Überwindung der eigenen Beschränktheit: "Im Haus war kein Laut zu hören. Niemand kam an die Tür. Niemand sah sie. Wie sie dort alle miteinander im Bett lagen, mochten sie ebenso gut unsichtbar sein oder verzaubert oder, was sie ja einstweilen auch waren, völlig vergessen."
Obwohl ein bedeutender Teil dieser Prosa aus Reflexionen besteht, bleiben die Protagonisten dem Leser - und dies ist durchaus ein Qualitätsmerkmal - im Innersten fremd. Was treibt Delia Bagot wirklich an, woher kommt ihre demütig-dienende Haltung? Und wie hält es Martin fünfzig Jahre an ihrer Seite aus, wenn er doch schon im zwölften Ehejahr nur noch eine Mischung aus Mitleid und Hass für sie empfindet? Die Erklärungen, die für die Entfremdung geliefert werden - eine überstürzte Heirat, der Tod eines Kindes -, überzeugen nicht restlos.
Allerdings halten nicht alle Erzählungen das Niveau. Eine Tendenz zur Belanglosigkeit ("Das Sofa") oder zu sentimentalem Kitsch ("Geschichten aus Afrika") ist manchmal nicht zu übersehen; auch die aus dem Rahmen fallende Rollenprosa des letzten Stücks, die Erinnerungssuada von Martins siebenundachtzigjähriger Zwillingsschwester Min, ist allzu schematisch angelegt, auch wenn sie verstörend bissige Momente enthält. Ihrer Nähe zum Gegenständlichen bleibt die Autorin aber selbst hier treu.
THOMAS MEISSNER
Maeve Brennan: "Der Teppich mit den großen pinkfarbenen Rosen". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Hans-Christian Oeser. Steidl Verlag, Göttingen 2007. 176 S., geb., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vergessen, aber nicht vergilbt: Erzählungen von Maeve Brennan
Delia Bagot wohnt im Reihenhaus einer Dubliner Vorstadt. Ihr Mann Martin, die Töchter Lily und Margaret, ihre Haustiere und die Pflege von Haus und Garten bilden den Inhalt ihres Lebens - eine Vorstadthölle, die in leisen Tönen poetisch gemildert gezeichnet wird. Längst hat Sprachlosigkeit die Ehepartner erfasst. Martin geht der Familie aus dem Weg, Delia kommt ihm vor "wie ein kleiner Maulwurf", blind, schwach und ahnungslos.
Ein Übermaß an Reflexion hindert die Personen daran, das Schweigen zu durchbrechen. Empört registriert Delia, dass Martin ihren zwölften Hochzeitstag zu ignorieren gedenkt, doch behält sie ihre Gefühle für sich. Den Blumenstrauß, den sie ihm zur Feier des Tages ins Zimmer stellt, begreift er bei seiner nächtlichen Heimkehr als Zeichen des Tadels, das ihn zwingt, sich mit seiner Situation auseinanderzusetzen. Als er ihn entfernen möchte, fällt ihm die Blumenschale zu Boden und zerbricht.
In ihrer Lakonik gehört die Eingangserzählung zu den besten Stücken des Bandes, der acht Episoden aus dem Leben der Bagots schildert. Erschienen sind die Texte zuerst im "New Yorker" zwischen 1964 und 1972; für diese Ausgabe wurden sie neu angeordnet. Nach der Novelle "Die Besucherin" und dem Erzählungsband "Mr. und Mrs. Derdon" liegt damit nun die dritte Publikation der wiederentdeckten irisch-amerikanischen Schriftstellerin Maeve Brennan (1917 bis 1993) vor. Eine besondere Stärke der Autorin liegt in der atmosphärisch dichten Beschreibung. Schon nach wenigen Seiten fühlt man sich in dem Haus der Bagots heimisch. Einrichtungsgegenstände werden zu Aufhängern ganzer Geschichten, so der Teppich mit den großen pinkfarbenen Rosen, dem der Band seinen Namen verdankt: Zur Säuberung auf den Rasen gelegt, wird er zum Auslöser von Überlegungen und poetischen Träumereien, bildet ein Fluchtvehikel aus dem stupiden Alltag. Wenigstens momentweise gelingt Brennans Figuren die Überwindung der eigenen Beschränktheit: "Im Haus war kein Laut zu hören. Niemand kam an die Tür. Niemand sah sie. Wie sie dort alle miteinander im Bett lagen, mochten sie ebenso gut unsichtbar sein oder verzaubert oder, was sie ja einstweilen auch waren, völlig vergessen."
Obwohl ein bedeutender Teil dieser Prosa aus Reflexionen besteht, bleiben die Protagonisten dem Leser - und dies ist durchaus ein Qualitätsmerkmal - im Innersten fremd. Was treibt Delia Bagot wirklich an, woher kommt ihre demütig-dienende Haltung? Und wie hält es Martin fünfzig Jahre an ihrer Seite aus, wenn er doch schon im zwölften Ehejahr nur noch eine Mischung aus Mitleid und Hass für sie empfindet? Die Erklärungen, die für die Entfremdung geliefert werden - eine überstürzte Heirat, der Tod eines Kindes -, überzeugen nicht restlos.
Allerdings halten nicht alle Erzählungen das Niveau. Eine Tendenz zur Belanglosigkeit ("Das Sofa") oder zu sentimentalem Kitsch ("Geschichten aus Afrika") ist manchmal nicht zu übersehen; auch die aus dem Rahmen fallende Rollenprosa des letzten Stücks, die Erinnerungssuada von Martins siebenundachtzigjähriger Zwillingsschwester Min, ist allzu schematisch angelegt, auch wenn sie verstörend bissige Momente enthält. Ihrer Nähe zum Gegenständlichen bleibt die Autorin aber selbst hier treu.
THOMAS MEISSNER
Maeve Brennan: "Der Teppich mit den großen pinkfarbenen Rosen". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Hans-Christian Oeser. Steidl Verlag, Göttingen 2007. 176 S., geb., 16,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Gefesselt, gerührt, erschüttert zeigt sich Rezensentin Bernadette Conrad von diesen Erzählungen Maeve Brennans, die zuerst zwischen 1966 und 1972 im "New Yorker" erschienen sind und wie schon die Geschichte "Mr. Und Mrs. Derdon" vom "schreienden, verschwiegenen Unglück" einer Ehe erzählen. Worin dieses Unglück konkret besteht, verrät Conrad nicht, nur soviel, dass ein selbst geschaffenes ist, eines, das nur noch schlimmer wird, dass sich die beiden Eheleuten zum Aushalten verpflichtet fühlen und ihr versäumtes Leben für ein notwendiges Opfer für das Glück des anderen halten. So viel "gebündelten Schmerz", so ein "verstörend leidvolles Innenleben" fand die Rezensentin kaum auszuhalten, so dass sie die Erzählungen, die sich durchaus zu einem Roman fügen, doch immer wieder unterbrechen musste.
© Perlentaucher Medien GmbH
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