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Wissen Sie, wie Johannes Brahms seine Schülerin Elisabeth von Herzenberg genannt hat? Kennen Sie Tamara Iwanowna, die feierliche Interpretin Pasternaks? Was hat Joseph Beuys mit seinem Satz ' Jeder Mensch ist ein Künstler' gemeint? Und was schrieb Marcel Duchamp auf das Etikett eines Parfüm-Flakons? Iso Camartin erzählt Geschichten aus der Welt der Kunst, erzählt von 'Sternstunden' der Musik, Literatur und Malerei, von Filmemachern und Lebenskünstlern - erzählt: 'Flash-Geschichte'. Ein Flash ist ein aufblitzendes Licht. Ein sprühender Funke. Eine Flash-Geschichte erzählt von einem funkelnden Detail in einem größeren Ganzen. …mehr

Produktbeschreibung
Wissen Sie, wie Johannes Brahms seine Schülerin Elisabeth von Herzenberg genannt hat? Kennen Sie Tamara Iwanowna, die feierliche Interpretin Pasternaks? Was hat Joseph Beuys mit seinem Satz ' Jeder Mensch ist ein Künstler' gemeint? Und was schrieb Marcel Duchamp auf das Etikett eines Parfüm-Flakons?
Iso Camartin erzählt Geschichten aus der Welt der Kunst, erzählt von 'Sternstunden' der Musik, Literatur und Malerei, von Filmemachern und Lebenskünstlern - erzählt: 'Flash-Geschichte'.
Ein Flash ist ein aufblitzendes Licht. Ein sprühender Funke. Eine Flash-Geschichte erzählt von einem funkelnden Detail in einem größeren Ganzen.
Autorenporträt
Iso Camartin, geboren 1944 in Chur (Schweiz), studierte Philosophie und Romanistik in München, Regensburg und Bologna. Er war nach seiner Dissertation als Lektor, Publizist und Leiter der Kulturabteilung des Schweizer Fernsehens DRS tätig. Darüber hinaus war er Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten. Iso Camartin lebt in Zürich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.1998

Viel begreifen wollen ist gut
Zappen im Sekundentakt: Mit Iso Camartin durch die Weltkultur

Kein Gastgeber käme auf die Idee, dem Gast statt eines Menüs 52 Appetizer zu servieren. Iso Camartin aber, der zu Recht soeben mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay ausgezeichnete geistvolle Essayist, tischt dem Leser seines neuen Buchs anstelle eines Hauptgerichts 52 Appetithäppchen auf. Er tut dies, weil er auf Leser rechnen darf, die sich am Ende von seinen Gaumenkitzlern dennoch gesättigt wähnen. Solche Leser nennt man Fans. Iso Camartins "Der Teufel auf der Säule" ist ein Buch für die Camartin-Fans.

Es findet seinen Ursprung in der Melancholie des Fernseh-Moderators über die Vergänglichkeit seines Tuns. Nicht freilich über dessen Vergeblichkeit! Denn Camartin ist ja ein durchaus erfolgreicher Moderator - wenn auch in einem sogenannten Minderheitenprogramm -, dem seine Verehrer wohl schon oft gesagt haben werden, wie fein er das doch diesmal wieder gemacht habe und wie schön es wäre, das alles auch einmal nachlesen zu können. Camartin moderiert am Sonntag mittag, high noon, im Schweizer Fernsehen die Sendung "Sternstunde Kunst", in der jeweils ein Dokumentarfilm über bildende Kunst, Fotografie, Filmgeschichte, Musik, Literatur, Architektur oder Kulturgeschichte präsentiert wird; früher nannte man dergleichen einen Kulturfilm. Camartins Aufgabe besteht darin, in zwei bis drei Minuten so in dessen Thema einzuführen, daß es dem auf den Rasen oder zum Braten strebenden Zuschauer zur unumstößlichen Gewißheit wird, er werde nichts Geringeres als eine Sternstunde versäumen, wenn er den folgenden Film über Beuys oder Beckett, Cage oder Canetti nicht sieht. Seine Aufgabe ist die eines den potentiellen Zuschauer bannenden Magiers des kulturellen Worts, der mit Engelszungen für die Sache der Kultur wirbt. Er bewältigt sie vorzüglich.

Camartin tut dies im Fernsehen freilich auf eine Weise, die der Medienexperte "bildgestützt" nennt. Und dann folgt, wie gesagt, dort auf den Appetizer ja auch noch das Hauptgericht. Beides aber fällt in dieser Sammlung von 52 Einführungstexten zur "Sternstunde Kunst" fort. Er hat sie deshalb für den Druck überarbeitet "für solche, die die Bilder nicht gesehen haben", und nennt sie nun "Flash-Geschichten": kurze Geschichten, die ein sprechendes Detail so beleuchten sollen, daß sie Neugier auf das Ganze machen. Der Begriff ist schön und gut, und doch bleiben Camartins Texte auch im Druck die eines freundlich werbenden Vermittlers, der nun freilich immer dann, wenn er den Leser für ein Thema gewonnen wähnt, ihm das nächste Kulturhäppchen reicht. Und so zappt der Leser mit Camartin durch die Weltkultur von Botticelli zu Stockhausen, von Unica Zürn zu Nan Goldin.

Mit dem Medienwechsel verändern die Texte ihren argumentativen Status. Während sie den Zuschauer davon zu überzeugen suchten, er müsse seine Kenntnisse über ein wichtiges Thema unbedingt vertiefen und habe sogleich eine einzigartige Chance hierzu, begegnet der Leser des Buchs nun einem angenehmen Causeur, der viele interessante Themen anspricht, ohne daß es doch je zu einem vertiefenden Gespräch käme. Und was auf dem Bildschirm als "bildgestützte" geistvolle Causerie erscheinen mag, gibt nun in gedruckter Form mancherorts Gelegenheit, über Glanz und Elend des Gemeinplatzes nachzusinnen. Seinen Text übe Botticellis "Primavera" zum Beispiel beendet Camartin mit den Worten: "Viel begreifen wollen ist gut. Doch das Geheimnis eines Bildes ist manchmal zu groß, als daß wir es ausloten könnten. So wie wir alljährlich das Wunder des wirklichen Frühlings nie ganz begreifen." Sind Feststellungen wie diese wirklich dazu geeignet, den Leser von großer Kunst mehr als nur Oberflächenreize wahrnehmen zu lassen und sich ihrer verstörenden Fremdheit und Andersartigkeit auszusetzen?

Ohnehin gibt Camartin, der seinen Texten gern eine emblematische Abrundung verleiht, allzu leicht seiner Neigung nach, die gestreßten Kulturmenschen mit tröstlichen Kalendersprüchlein wieder in die Wirklichkeit zu entlassen: "Wer ins Paradies will, braucht keine Eile. Er mag bleiben, wo er ist. Das Paradies ist nicht anderswo. Es ist überall und jederzeit, oder es ist nicht." Vielleicht hört sich das ja gut an, wenn man es im Fernsehen aus dem Munde des klugen Moderators erfährt: lebensfreundlich, undogmatisch, skeptisch. Gelesen hat es geringe Konsistenz und ebenso geringen Nährwert.

Camartin versteht viel von der Kunst, er betrachtet sie mit großer intellektueller Neugier und Offenheit und kann komplexe künstlerische Programme, wie im Falle von Beckett und Beuys, in wenigen anschaulichen Sätzen zusammenfassen. Und doch spiegelt auch sein Buch insgesamt die Neigung der Fernsehkultur, das Inkommensurable kommensurabel zu machen: Beuys und Brahms, Duchamp und Fassbinder, lauter hübsche kleine Appetizer aus bester Fabrikation. Davon wird keiner satt. ERNST OSTERKAMP

Iso Camartin: "Der Teufel auf der Säule. Flash-Geschichten". Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998. 155 S., geb., 38,- DM.

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