Daniel Strassberg verbindet in seinen lebensnahen philosophischen Essays auf eine bestechende Weise seine psychoanalytische Erfahrung mit philosophischen Gedanken, und nie fehlt ihnen ein aktueller Bezug. Seine Überlegungen kreisen alle um das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft und speisen sich aus einem tiefen Wissen darum, dass der Mensch aus der lebendigen Gesamtheit seiner Eigenschaften und nicht aus etwas Einzelnem, Bestimmtem, seinem Bewusstsein etwa, besteht. Er beschäftigt sich mit Fragen wie, wo der Umschlagpunkt einer Befreiungsbewegung in etwas Totalitäres liegt oder ob wir unserer Existenz ein übergeordnetes Ziel geben müssen, um Erfüllung zu erlangen, oder warum unsere Demokratien mehr gelassene Skepsis brauchen als kontroverse Debatten. Es finden sich so schöne Vorschläge darin wie der, den Monat Juni doch mal einfach meinungsfrei zu halten, seine vermeintlichen Überzeugungen abzulegen, keine Likes, keine Bewertungen, keine Urteile, keine Behauptungen, nur Beschreibungen und Erzählungen von sich zu geben. Das ist zwar nicht einfach, aber man kommt ohne seine Meinungsrüstung den Dingen und den Menschen näher, verborgene Eigenschaften werden spürbar, die vielfältiger und farbiger sind und voller Widersprüche.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wer denken üben will, dem empfiehlt Rezensent Jens-Christian Rabe dieses Büchlein mit 41 Kolumnen, die der Schweizer Philosoph Daniel Strassberg für das online-Magazin Republik geschrieben hat. Es geht um alles, was die Leute heute so bewegt, Gendersprache, Vernunft, Rechthabenmüssen usw. Strassberg beherrscht die Kunst, die Dinge "leichtfüßig" kompliziert und damit "wahrer" zu machen. Rabe kennt derzeit keine philosophische Kolume in Deutschland, die besser wäre.
© Perlentaucher Medien GmbH
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