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An Henry Miller, dem Vater der Beat-Generation, dem Avantgardisten, dem Nonkonformisten, scheiden sich die Geister. Der Autor von "Wendekreis des Krebses" wird mal als einer der genialsten Schriftsteller unserer Jahrhunderts gefeiert, weil er die Grenzen der Literatur sprengte, mal wird er als pornografischer Schreiberling diffamiert. Einige halten ihn für einen Propheten der sexuellen Befreiung, andere für einen Perversen. Auch Erica Jong sah sich nach der Veröffentlichung von "Angst vorm Fliegen" ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt wie Henry Miller. Anfangs begegnete sie ihm mit Skepsis und…mehr

Produktbeschreibung
An Henry Miller, dem Vater der Beat-Generation, dem Avantgardisten, dem Nonkonformisten, scheiden sich die Geister. Der Autor von "Wendekreis des Krebses" wird mal als einer der genialsten Schriftsteller unserer Jahrhunderts gefeiert, weil er die Grenzen der Literatur sprengte, mal wird er als pornografischer Schreiberling diffamiert. Einige halten ihn für einen Propheten der sexuellen Befreiung, andere für einen Perversen. Auch Erica Jong sah sich nach der Veröffentlichung von "Angst vorm Fliegen" ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt wie Henry Miller. Anfangs begegnete sie ihm mit Skepsis und Abwehr. Als Miller ihr jedoch einen Brief voller Bewunderung für ihren Roman schreibt, beginnt eine intensive Freundschaft, die erst mit Millers Tod ein Ende haben sollte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.1999

Beidhändig die Pranke gepüschelt
Anno mirabilis: Erica Jongs singuläre Henry-Miller-Schwafelei

Die ganze Geschichte begann vor fünfundzwanzig Jahren. Erica Jong, 32, wohnhaft in New York, ist gerade dabei, mit ihrem Debütroman "Angst vorm Fliegen" Bestsellerautorin und Medienereignis zu werden. Da bekommt sie mit Post vom 14. April 1974 einen Brief aus Kalifornien. Absender ist Henry Miller, 82, und er bekennt: "Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal ein von einer Frau geschriebenes Buch gelesen habe, das mich so tief beeindruckt hat." Dieser Brief markiert den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Schon drei Monate später bietet ihr Henry, wie er jetzt genannt werden darf, sein "gut beheiztes Schwimmbecken an", mehr noch: "Du kannst auch nackt baden." Da haben sich die Richtigen getroffen, denn "lange, bevor ich Briefe von Miller in meiner Morgenpost fand, liebte ich die Energie, die von seinen Werken ausging". So steht's im Nachwort, also eher hinten. Weit vorn, im ersten Kapitel, heißt es noch: "Was wusste ich von Miller? Nicht viel. Wäre es leichter gewesen, an seine Bücher zu kommen, hätte ich sie verschlungen." Nun lebte Frau Jong nicht in Bumfuck/Idaho, sondern in New York, wo es durchaus Zugang zu und Vertrautheit mit Druckerzeugnissen gibt, und zwar immerhin als "die Einserkandidatin, die Ph.D.-Anwärterin". Ihr sechstes Kapitel belehrt obendrein darüber, dass "Henry 1961 endlich ein amerikanischer Bestsellerautor war", aber und immerhin: mit dem persönlichen Draht zu Henry werden all die Werke, deren Energie vorher wohl eher telepathisch empfangen wurden, mit eigenen Augen gelesen. Und nicht nur dies: "Ich recherchierte, las Bücher über Henry. Ich interviewte sogar einige ältliche Miller-Jünger, bevor sie starben." Und nicht danach.

Eigentlich hätten wir schon viel früher was über und von Henry und Erica haben sollen, denn "wir bildeten eine so publikumsträchtige Kombination - schmutziger alter Weiser und junge Ehefrau von Bath -, dass die Fernsehproduzenten und Verleger uns unwiderstehlich fanden". Damals widerstand Henry mannhaft: "Was den Sex angeht - ich glaube, ich habe darüber nichts mehr zu sagen. Ich bin 83."

Und nur über dieses Thema wurde nachgedacht, damals. Jetzt ist Miller seit neunzehn Jahren so tot wie seine interviewten Jünger, gleichwohl aber putzmunter, denn nicht nur "habe ich Henry die Worte diktieren lassen, von dort aus, wo er sich zur Zeit herumtreibt", obendrein "haben die Postmodernen Miller bereits als den Künstler der Zukunft entdeckt". Letzteres kann Frau Jong selbst nicht glauben, denn sechs Zeilen später heißt es: "Bis heute ist er auf literarischem Gebiet kaum ernsthaft berücksichtigt worden"; das mit dem "Erica zum Diktat, bitte" könnte Miller mit Hinweis auf sein gedrucktes Werk dementieren: Murks dieses Kalibers hat er in keiner Lebensphase verfasst, niemals. Solche Rezensenteneinwände werden allerdings zur Makulatur angesichts der Größe des Anliegens von Erica Jong, denn immerhin geht es ihr um nicht weniger als um die Rettung der Welt, und das geht nur mit Henry: "Warum sollten wir uns heute mit Henry Miller befassen? Weil wir heute noch immer nicht freier sind als 1934, weil seine Botschaft noch immer nicht gehört wurde." Miller hingegen ist frei. "Henry ist insofern ungewöhnlich, als er sowohl Christus als auch Paulus, sowohl Hamlet als auch Horatio ist. Er steigt in die Unterwelt hinab, um wieder geboren zu werden, und seine Wiedergeburt macht ihn zum Schriftsteller. Schreiben wird zur Erlösung. Und Erlösung ist das letzte Stadium der Selbstbefreiung." Alles wie bei Jesus und Co. quasi, und das nicht nur hier. "Henry wurde, wie so viele andere Propheten - von Jesus bis Savonarola -, zum Opfer seiner Prophezeiungen." Bei solch illustrer Nachbarschaft kann es nicht ausbleiben, dass die Masse der Unfreien in ihm den besonderen Menschen erkennt: "Jemand, der die menschlichen Ängste besiegt hat, wird als Held anerkannt. Henry Miller war ein solcher Held." Das allerdings nur kurz, genau dreizehn Seiten lang, dann folgt das Dementi: "Henry ist ganz und gar kein Held. Viele Menschen betrachten ihn viel mehr als Schurken." Die Autorin gehört zu ihnen: "Wer bin ich, mich mit diesem Schurken, Prahlhans und Angeber zu identifizieren?" Dies ist eine interessante Frage, sogar die Schlüsselfrage zum Verständnis ihres Textes. Da die hypothetischen Antworten des Endunterzeichneten aber nicht zitierfähig sind, wenden wir uns lieber den Fragen zu, die Erica Jong selbst beantwortet. Dieser etwa: "Sollen wir Henry Miller verbrennen?" Frau Jong rät ab. "Besser wäre es, ihn zum Vorbild zu nehmen." Gründe dafür finden sich, über das Buch verstreut, reichlich. Sieben seien zitiert: Erstens: Er war ein Sexist, aber immer ein reumütiger. Zweitens: Er war ein Chauvinist. Aber durch seinen Chauvinismus wird nicht alles, was er zu sagen hat, zu wertlosem Geschwätz. Drittens: Seine Werke sind voller Unvollkommenheiten, Schwulst und Humbug. Viertens: Henry, der Solipsist, konnte nur über sich selbst schreiben. Fünftens: Schließlich fand Henry den Mut, seine Eltern zu besuchen. Siebtens: Er vereinnahmte seine Frauen mit Haut und Haar. Siebentens: Er war weise genug, zu wissen, dass das Sexuelle und das Spirituelle Zwillinge sind.

"Du hast ein wunderbares Gedächtnis für das, was andere Schriftsteller gesagt haben. Schreibst Du sie in ein Notizbuch, um sie bei Bedarf zitieren zu können?", frug Henry Erica im Juli 1974. Das wird wohl so sein. "1931 sollte für Henry das werden, was 1819 für Keats gewesen war: das Anno mirabilis." Kann man dröhnendes Geschwafel schöner vor die Wand fahren? Der Schutzumschlag zeigt die Autorin, wie sie beidhändig Henrys rechte Pranke püschelt. Mit der linken fasst der sich an den Kopf.

BURKHARD SCHERER.

Erica Jong: "Der Teufel in Person. Henry Miller und ich". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Angelika Bardeleben. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1999. 382 S., geb., 44,90 DM.

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