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"Der Teufelspoet" ist der letzte Roman, den Anthony Burgess veröffentlichte, 1993, kurz vor seinem Tode. Held ist - wie er selbst - ein englischer Poet: Christopher Marlowe (1564-1593). Nicht nur ein Mann der Feder, sondern auch der Tat, mischte sich dieser ins schmutzige Geschäft der Politik. Das wurde ihm zum Verhängnis: In einer Londoner Vorstadtkneipe fiel er einem Mordanschlag zum Opfer.

Produktbeschreibung
"Der Teufelspoet" ist der letzte Roman, den Anthony Burgess veröffentlichte, 1993, kurz vor seinem Tode. Held ist - wie er selbst - ein englischer Poet: Christopher Marlowe (1564-1593). Nicht nur ein Mann der Feder, sondern auch der Tat, mischte sich dieser ins schmutzige Geschäft der Politik. Das wurde ihm zum Verhängnis: In einer Londoner Vorstadtkneipe fiel er einem Mordanschlag zum Opfer.
Autorenporträt
Anthony Burgess, geboren 1917 in Manchester, studierte und unterrichtete englische Literatur. Er komponierte, schrieb Libretti, Essays, Drehbücher, Sachbücher, Übersetzungen und ungefähr dreißig Romane. Burgess starb 1993 in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.1995

Bildnis mit ermordetem Dichter
Anthony Burgess entrichtet seinen Tribut an Christopher Marlowe

Immer wieder hat es den anglo-irischen Schriftsteller Anthony Burgess, einen Archipoeta von immensem Wissen und unerschöpflicher Fabulierlust, gereizt, sich in die Fluten der Geschichte zu werfen und sein Können am vorgegebenen Stoff zu messen. Er schrieb Romane, die um Jesus, den "Mann von Nazareth", um Shakespeare, um Beethoven und Napoleon kreisten, die den Untergang von Jerusalem und Rom zum Hintergrund hatten. In seinem gewichtigsten Werk, "Der Fürst der Phantome", machte er sich gar daran, das Wirken des Bösen im zwanzigsten Jahrhundert darzustellen.

Im "Teufelspoeten", seinem letzten, im Jahr seines Todes 1993 erschienenen Roman, wählte Burgess einen kleineren historischen Zeitausschnitt, ein gutes Jahrzehnt des elisabethanischen England. Der englische Titel "A Dead Man in Deptford" zeigt jedem literarisch versierten Briten an, worum es hier geht: den Tod des Dramatikers Christopher Marlowe, der, im gleichen Jahr wie Shakespeare geboren, 1593 im Alter von nur neunundzwanzig Jahren aus bis heute nicht völlig aufgeklärten Gründen in der Nähe von London ermordet wurde.

Burgess versteht sein Buch, das er zum vierhundertsten Todestag vorlegte, als den Tribut eines alternden Schriftstellers an einen in seiner Blüte dahingerafften Dichter. "Ich trauere", sagt er im letzten Absatz des Romans, wo er die Maske der Fiktion ablegt, "als wäre alles gestern gewesen." In einer für ihn typischen Kapriole fährt er fort: "Aus dem Ernst der Vergangenheit wird der Witz der Gegenwart." Und fügt, wiederum in einer Kehrtwendung, die nun selbstkritisch gefärbt ist, hinzu: "Nur der Nachhall des Namens behauptet sich über dem zähneknirschenden Kompromiß."

Der Kompromiß, das ist Burgess' Roman, und zähneknirschend ist er fürwahr. Die Geschichte ist einem kleinen, nie richtig sichtbar werdenden Schauspieler in den Mund gelegt, der ab und zu ein Fähnchen hochhält und schreit: Ich bin noch da!, der aber sonst kaum eine Rolle spielt. Vor dem Leser gleitet eine Epoche mit ihren Lüsten und Lastern vorüber, mit ihrer machiavellistischen Politik, mit spitzfindiger Theologie, entsetzlicher Grausamkeit und wunderbarer Poesie. Bekanntes Personal der Zeit tritt auf, die große Königin selbst, dick, angemalt und mit Zahnlücken, Politiker und Höflinge, und selbstverständlich die Dichter und Theaterschreiber, die Konkurrenten des mit seinem "Tamburlan", dem Faust-Stück, dem "Juden von Malta" zum Star avancierenden Marlowe, an ihrer Spitze jener "Will aus Warwickshire", dessen vielfältige Namensschreibung - Shogspaw, Choxper, Shagspeer - den die Wortspielereien liebenden Romancier entzückt.

In anschaulich ausgemalten Miniaturen passieren Revue: das Haus der Eltern und Schwestern in Canterbury, wo der Vater Schuhmacher ist; die Studierstube des angehenden Theologen in Cambridge; gräßliche Hinrichtungen; die liebliche englische Frühlingslandschaft; der Fluß mit den Schiffsmasten und die Londoner Kneipen, in denen der Held - Kit mit den grünen Katzenaugen - dem Suff, der Rauferei, der "Nymphe Tabak" huldigt und nebenbei aufrührerische Reden hält. Dabei frönt Burgess seinem unausrottbaren Hang zum Ekelerregenden, Obszönen und Blasphemischen. Mehrere genüßlich ausgemalte Szenen sind, mit viel Latein untermischt, der homosexuellen Praxis gewidmet, die Marlowe in blumigen Reden verteidigt.

Der Schriftsteller, der die Langeweile mehr als den Teufel verabscheute, setzt das ganze Räderwerk von Phantasie, Wissen und literarischem Handwerk in Gang - und doch, der Roman wirkt seltsam unbelebt. Die tiefe Andersartigkeit jener Zeit bleibt in der kaleidoskopartig fragmentierten Handlung stecken. Nie kommt er über gut gemachte historische Folklore hinaus. Der Kriminalfall, der Mord an Marlowe, der als Spion in das Räderwerk der Machtpolitik zwischen England und Spanien, den Anglikanern, Puritanern und Katholiken gerät, ist nicht mehr als ein bunt kostümiertes Mantel- und Degenstück. Der Dichter bleibt eine vordergründige Figur. Das ist um so seltsamer, als dieser junge, von Machiavelli besessene Dramatiker mit seinen religiösen Zweifeln und seiner homophilen Libertinage durchaus moderne Züge aufweist.

Die interessantesten Passagen des Romans sind erstaunlicherweise die gelehrten Dispute der Zeit, die an der Schwelle zur modernen Wissenschaft stand, aber noch nicht in der Lage war, das mittelalterliche Weltbild aufzugeben, Debatten in Cambridge, eine Befragung vor dem Kronrat, wo sich Marlowe wenige Wochen vor seinem Tod unzeitgemäß selbstbewußt, ja frech verteidigt, Unterhaltungen im freidenkerischen Tabakscollegium von Sir Walter Raleigh. War er, der Gönner, Marlowes Mörder? Oder war es Raleighs Feind, der Günstling der Königin, der Earl von Essex? Burgess, der die Quellen, die Sekundärliteratur sehr genau kennt und sich in seinem Buch an die historischen Fakten hält, kann die Frage so wenig beantworten wie die Geschichtsforschung selbst.

Die angelsächsische Kritik hat früh vermerkt, daß es dem Moralisten Burgess an Wärme fehle. In einem Buch, das dem Andenken eines jungen Menschen von glänzender Begabung gewidmet ist, stellt das einen Kardinalfehler dar. Burgess muß gespürt haben, daß er dem tragischen Tragödiendichter mit seinem sowohl matten wie komplizierten, von Geschichtstatsachen überfrachteten Historiengemälde nicht ganz gerecht wird. Deshalb wohl hat er über das ganze Buch ausführliche Passagen aus Marlowes Stücken verstreut. In ihnen wird etwas von der Genialität eines Mannes sichtbar, der, wie es im Nachwort heißt, von Shakespeare zwar in den Schatten gestellt, aber nicht verdrängt oder aufgesogen wurde. "Eine unnachahmliche Stimme singt weiter." Man vernimmt sie sogar in diesem Roman. RENATE SCHOSTACK

Anthony Burgess: "Der Teufelspoet". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Krege. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1995. 278 S., geb., 38,- DM.

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