Produktdetails
  • Campe Paperback
  • Verlag: Hoffmann und Campe
  • 2. Aufl.
  • Seitenzahl: 365
  • Abmessung: 205mm x 125mm x 28mm
  • Gewicht: 442g
  • ISBN-13: 9783455103922
  • ISBN-10: 3455103928
  • Artikelnr.: 24567990
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.1999

Spurensuche im alten Frankfurt

Frankfurt im August 1885. In den Wallanlagen wird die Leiche des Schneidermeisters und Stadtverordneten Karl Lübbe gefunden. Der Täter hat die Pistole direkt am Kopf angesetzt, von der Waffe fehlt ebenso wie von der Geldbörse des Opfers jede Spur. Als Tatverdächtiger wird ein Schneidergeselle aus dem Odenwald festgenommen, der bei Lübbe gearbeitet hatte, aber wegen "sozialistischer Agitation" im Betrieb wenige Stunden vor dem Mord entlassen worden war. Schon bald stellt sich jedoch heraus, dass die Polizei den Falschen gefasst hat. Der Fall ist viel komplizierter, als es zunächst den Anschein hatte.

Vor der historischen Kulisse der aufstrebenden Handels- und Industriemetropole Frankfurt am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt Hilal Sezgin eine spannende Kriminalgeschichte um Habgier, Pharisäertum und persönliche Eitelkeiten. Ein gerade aus Berlin an den Main versetzter Kriminalkommissar und die scharf- und eigensinnige Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts übernehmen die Hauptrollen bei der Suche nach dem wirklichen Mörder.

Der Autorin, die als Redakteurin bei der "Frankfurter Rundschau" arbeitet, bietet diese Konstellation Gelegenheit, Themen wie das aufkeimende Selbstbewusstsein der Frauen und den zunehmenden Einfluss der jungen Arbeiterbewegung unter Bismarcks "Sozialistengesetz" anzureißen. Diese Abschweifungen sind in der Regel so geschickt eingebaut, dass sie den Handlungsfluss nicht zu sehr bremsen.

Abgesehen davon, dass es der 29 Jahre alten Sezgin in ihrem ersten Roman gelingt, einen Spannungsfaden zu spinnen, der fast bis zur letzten Seite hält, entpuppt sich das Buch auch als eine Art historischer Reiseführer durch das alte Frankfurt. Geschickt wählt die Autorin für ihre Geschichte Schauplätze aus, die entweder noch existieren oder deren Namen zumindest Assoziationen wecken: die Zeil, die Wallanlagen, die 1885 noch neue Alte Oper, das Fischerfeldviertel, das Gefängnis an der Konstablerwache oder die Seitenstraßen der Bockenheimer Landstraße, wo in jenen Jahren ein neuer Villenstadtteil - das heutige Westend - entstand. Immer wieder ertappt sich der Frankfurter Leser dabei, dass er die Spaziergänge der Protagonisten, deren Fahrt in der Pferdetram von der Bockenheimer Landstraße bis zur Hauptwache in Gedanken mitmacht oder versucht, die Autorin bei einem historischen oder geographischen Fauxpas zu erwischen.

Doch Hilal Sezgin hat den geschichtlichen und sozialen Hintergrund Frankfurts vor 115 Jahren gut recherchiert. In ihrer Verlässlichkeit und Präzision ähnelt sie den beiden Hauptfiguren ihres Romans.

RALF EULER

Hilal Sezgin: Der Tod des Maßschneiders, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1999, 366 Seiten, 28 Mark.

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