Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 0,99 €
  • Broschiertes Buch

Die Anfänge des Romans gehen in das Jahr 1942 zurück; die ersten vierzig Seiten des Manuskripts vergrub Keilson in seinem Garten, um die Arbeit daran nach dem Krieg wieder aufzunehmen. Später dann stand "Der Tod des Widersachers" auf der Jahresbestenliste des Time-Magazins.

Produktbeschreibung
Die Anfänge des Romans gehen in das Jahr 1942 zurück; die ersten vierzig Seiten des Manuskripts vergrub Keilson in seinem Garten, um die Arbeit daran nach dem Krieg wieder aufzunehmen. Später dann stand "Der Tod des Widersachers" auf der Jahresbestenliste des Time-Magazins.
Autorenporträt
Hans Keilson wurde 1909 in Bad Freienwalde geboren. Sein Roman "Das Leben geht weiter" erschien 1933. Er war der letzte jüdische Autor, der noch im "alten" S. Fischer Verlag debütieren konnte. Hans Keilson verließ 1936 Deutschland und emigrierte in die Niederlande, wo er noch heute lebt und praktiziert. Er hat unter den deutschen Schriftstellern der Gegenwart eine einzigartige Stellung in seinem Hauptberuf als Psychotherapeut und Forscher wie als Lyriker, Romancier und Essayist. Wie kaum ein anderer Autor hat Hans Keilson die seelischen, politischen und kulturellen Folgen der NS-Zeit analysiert und sprachlich vergegenwärtigt; ein literarisches Engagement, das bis heute anhält. In großem Kontrast zu den lauten Wirren des Jahrhunderts stehen die geradezu leisen, manchmal komischen, immer aber zutiefst menschlichen Darstellungen seiner Figuren und ihrer existentiellen und geschichtlichen Erfahrung. Ein großer Dichter in seiner Prosa, ein hellsichtiger Analytiker in seiner Dichtung.

Zuletzt wurde er ausgezeichnet mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis, der Moses-Mendelssohn-Medaille, der Humboldt-Medaille und dem WELT-Literaturpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.09.2010

Der Überlebenskünstler
Wie den hundertjährigen Hans Keilson aus Amerika der verdiente Ruhm ereilt

Gut, dann muss es eben auf diesem Umweg gehen. Dann muss der verdiente Ruhm für den Jahrhundertschriftsteller Hans Keilson eben den weiten Weg von Bussum bei Amsterdam über Amerika zurück zu uns nach Deutschland machen, wo die Geschichte einst begann. Wo er damals, 1933, als letzter Jude im Verlag des alten Samuel Fischer mit einem Roman debütierte. "Gerade noch zeitig genug, um verboten zu werden", wie er mit seinem großen Keilson-Humor später gesagt hat. Den Roman hat er "Das Leben geht weiter" genannt. So ist es dann auch gekommen. Bis zum heutigen Tag geht das Leben Hans Keilsons weiter und weiter. Er möchte gerne älter werden als Leni Riefenstahl, hat er einmal gesagt. Die wurde 101 Jahre und sechzehn Tage alt. Bis dahin ist es für Keilson, der am 12. Dezember 1909 in Bad Freienwalde geboren wurde, nur noch ein ganz kurzer Weg. Und wer den Hundertjährigen in letzter Zeit einmal erleben durfte, mit seiner Orangeglashippiebrille, seinem Witz und seiner Erinnerungskraft, der zweifelt keine Sekunde daran, dass er das locker schaffen wird. So kann er dann auch den plötzlichen Ruhm noch ein wenig lächelnd betrachten.

Welchen Ruhm? Diesen hier, der so begann: Die "New York Times" veröffentlichte am 5. August 2010 eine Buchbesprechung, die ungewöhnlich anfing. Sie wisse ja, schrieb die Rezensentin Francine Prose, dass eilige Leser von heute oft nur den ersten Abschnitt eines Textes läsen, weshalb sie das Wichtigste gleich zu Beginn sage: "Die Bücher ,Der Tod des Widersachers' und ,Die Komödie in Moll' sind Meisterwerke. Und Hans Keilson ist ein Genie." Danach erklärte sie genauer, wie sie zu dieser Einschätzung kam, aber das Wichtigste war gesagt. Viele andere amerikanische Zeitungen folgten dieser Einschätzung, die beiden Bücher haben sich seither 50 000 Mal verkauft, und letzten Montag konnte man plötzlich Hans Keilson zwischen den rotleuchtenden Wänden einer niederländischen Talkshow sitzen sehen, die beinahe achtzig Jahre alte Erstausgabe seines ersten Romans in Händen, und gut gelaunt und nur leicht verwundert beantwortete er Fragen des Moderators wie "Wie fühlt man sich so als Genie?"

Nun ist Hans Keilson, der 1936 nach Holland "entwich", wie er sagt, in Deutschland nicht vollkommen unbekannt. Er hat auch Preise gewonnen, und bei S. Fischer erschien vor fünf Jahren eine schöne zweibändige Werkausgabe. Aber die Rezeption seiner Bücher hatte oft ein bisschen was von gut gemeintem Schulterklopfen für einen überlebenden Juden, der nebenbei noch schreibt. Hauptberuflich war Keilson Arzt und Psychoanalytiker und wurde noch als Siebzigjähriger an der Universität Amsterdam mit einer Arbeit über die Traumatisierung bei Kindern von Überlebenden der Schoa promoviert. Er hat sich in seiner medizinischen Tätigkeit vor allem auch mit diesen Kindern befasst. Mit ihren verborgenen Geschichten. Dass man schweigen müsse, wovon man nicht sprechen kann, hat er nie geglaubt. "Ich teile diese Meinung nicht", hat er einmal gesagt. "Man sollte es immer wieder neu versuchen." So hat er auch die Aufgabe von Literatur, die Aufgabe, der er mit seinem Schreiben folgt, immer gesehen. Wo Schweigen ist, ein Erzählen zu finden, eine Geschichte erzählbar machen, eine Form finden, in der etwas nachvollziehbar wird.

Ja, das kann man von vielen gut gemeinten Büchern sagen, ganze Bibliotheken lassen sich damit füllen. Aber Hans Keilson hat die erzählerische Kraft, dies auch umzusetzen. Als ich ihm vor fünf Jahren zum ersten Mal begegnete, war ich augenblicklich verzaubert von seinem Charme, seinem Humor und natürlich von dem Irrsinn seiner Zeitgenossenschaft, wie er von Straßenbahnfahrten mit Brecht in den dreißiger Jahren erzählte, von Diskussionen mit Döblin und welchen Kinofilm er sah, als Rathenau ermordet wurde und so weiter. Er hat das einmal in einem Essay über Klaus Mann geschrieben, dass er dessen Werk erst aus vollem Herzen zu lieben begann, als er ihn, seinen Generationsgenossen, aus der Ferne in einem Konzert sah. "Es bedurfte des zeitgenössischen Erlebens, um die Brücke zu schlagen zu uns selbst."

Heute ist Keilson diese Brücke. Und es wird langsam Zeit für den verdienten Ruhm auch im Land seiner Herkunft. Es wird Zeit, Hans Keilson nicht nur zu loben, sondern auch seine Bücher zu lesen und einem großen Publikum bekanntzumachen. Sein Roman "Der Tod des Widersachers" ist ein abgründiges Spiel mit den Identitäten von Opfer und Täter, ein irrsinnig beklemmender Roman, in dem der Verfolgte sich langsam in seinen Verfolger zu verwandeln scheint. Der Hass ist der Antrieb ihres Lebens. Der Hass vereint sie. Keilson vergrub den Anfang des Romans in einem Garten, als der Feind leibhaftig kam und er in den Untergrund gehen musste. Erst in den fünfziger Jahren hat er ihn vollendet. "Wenige Menschen sah ich, die dem Tod ihres Feindes gewachsen waren. Seit mich dieser Gedanke ergriffen hat, hat sich mein Leben zu einem Ziel emporgeschwungen." Seine Zeit im Untergrund, getrennt von Frau und Kind, getrennt auch von seinen Eltern, die später in Auschwitz ermordet wurden, hat er in einer Erzählung beschrieben. Es ist sein schönster literarischer Text: "Komödie in Moll". Leicht, humorvoll, knapp und unendlich traurig. Als Nico, der Held der Erzählung, von einem Paar erfährt, dass sie ihn verstecken wollen, über Jahre, bei aller Gefahr, die das bedeutete, heißt es: "Ein Leuchten zog über sein Gesicht. Alle kleinen Falten wurden lebendig, als er lachte. Zaghaft begann er sein Glück zu fassen."

Es ist die Sekunde des Triumphes des Opfers über seine Mörder. Ein Sieg, der bis in die Gegenwart hinüberreicht. In unsere Gegenwart. Ja, das Buch ist ein Meisterwerk. (Viele lesen bei Rezensionen ja nur den letzten Absatz.)

VOLKER WEIDERMANN

Hans Keilsons Werke sind bei S. Fischer erschienen.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr