Die Photographin und Performance-Künstlerin Brigitte Maria Mayer und Heiner Müller haben sich 1990 kennengelernt und 1992 geheiratet. Bis zum Tod Heiner Müllers, der sich am 30. Dezember 2005 zum 10. Mal jährt, lebten sie mit ihrer gemeinsamen Tochter zusammen in Berlin.
Die letzten Lebensjahre Heiner Müllers, die äußerlich von seinen Funktionen als Präsident der Ostberliner Akademie der Künste und als Intendant des Berliner Ensembles geprägt waren, finden ein wenig bekanntes Gegengewicht in dem gegen die tödliche Krankheit Ankämpfenden, Schreibenden und Photographierenden, und die privaten Bilder, Texte und Zeichnungen, die in dieser Zeit im Bild-Dialog mit seiner Frau entstanden, formen auch ein poetisches Gegenstück, eine Symbiographie, zu der Autobiographie Krieg ohne Schlacht.
Der Tod ist ein Irrtum ist das sehr private Buch einer Liebe, eine Declaration of Love, zugleich ein durchkomponiertes Gesamtkunstwerk. In den bewußt unprätentiösen Portraitaufnahmen im Polaroidformat, dem privaten bildnerischen Code von Heiner Müller und Brigitte Maria Mayer, in wunderbar zarten Liebesgedichten, die hier zum Teil zum ersten Mal veröffentlicht werden, und in der Wiedergabe der Handschrift gewinnt das Bild des Schriftstellers Heiner Müller eine neue Dimension.
Die letzten Lebensjahre Heiner Müllers, die äußerlich von seinen Funktionen als Präsident der Ostberliner Akademie der Künste und als Intendant des Berliner Ensembles geprägt waren, finden ein wenig bekanntes Gegengewicht in dem gegen die tödliche Krankheit Ankämpfenden, Schreibenden und Photographierenden, und die privaten Bilder, Texte und Zeichnungen, die in dieser Zeit im Bild-Dialog mit seiner Frau entstanden, formen auch ein poetisches Gegenstück, eine Symbiographie, zu der Autobiographie Krieg ohne Schlacht.
Der Tod ist ein Irrtum ist das sehr private Buch einer Liebe, eine Declaration of Love, zugleich ein durchkomponiertes Gesamtkunstwerk. In den bewußt unprätentiösen Portraitaufnahmen im Polaroidformat, dem privaten bildnerischen Code von Heiner Müller und Brigitte Maria Mayer, in wunderbar zarten Liebesgedichten, die hier zum Teil zum ersten Mal veröffentlicht werden, und in der Wiedergabe der Handschrift gewinnt das Bild des Schriftstellers Heiner Müller eine neue Dimension.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005Buch der Bilder: Brigitte Maria Mayer und Heiner Müller
"Mit der Wiederkehr der Farbe droht die Auferstehung, / Ich habe dir gesagt du sollst / nicht wiederkommen tot ist / tot. / Der Tod ist ein Irrtum." Worte von Heiner Müller stehen auf dem Frontispiz dieses Buches der Bilder. Wer spricht da? Wer ist gemeint? Wen geht dies an?
Am 30. Dezember 1995 ist Heiner Müller gestorben. Brigitte Maria Mayer, seine Frau und Mutter seiner Tochter Anna, hat in einem Band Fotografien und Skizzen, Fragmente und Gedichte aus seinen letzten fünf Lebensjahren, ihrer gemeinsamen Zeit mit ihm, zusammengestellt. Darüber wäre nichts zu sagen, handelte es sich um die pietätvolle Verbeugung vor dem deutsch-deutschen Jahrhundertdramatiker mit seinen zornmütig gemeißelten Sätzen, um die Arbeit der Witwe am Mythos.
Doch dann ist da dieses wunderschöne Buch, und es ist ein Geschenk. Denn es überschreitet die Grenze betrachteter Privatheit hin zur allgemeinen Gültigkeit, zur Wahrheit in Bildern und Sätzen von Liebe und Sterben, von Stärke und Tod. Es ereignet sich an verschiedenen Orten, ein Stationendrama des unverwandten Hinsehens, des klaren offenen Blicks. Ohne Larmoyanz, in absoluter Zuwendung - "Es bleibt Liebe ohne Bedingung" schreibt Brigitte Maria Mayer in ihrem kurzen Vorwort -, mit der Souveränität, die das reine sichere Gefühl verleiht. Es beginnt mit einer "Wegbeschreibung", die der Einundsechzigjährige für sie auf einen Notizzettel schreibt; Brigitte Maria Mayer, geboren 1965 in Regensburg, Performerin und Fotografin, zieht 1990 zu Heiner Müller nach Berlin-Lichtenberg - Nähe, Körper, Lächeln. Es gibt ein handschriftliches Gedicht von ihm, das er "Liebeserklärung (Declaration of Love)" nennt: Die zärtliche Lakonie trifft den Kern; es gibt nichts Indiskretes.
Es wird ein Abschied offenen Auges; meistens fotografiert die Frau, bis ganz zum Ende, den Mann, ihn und das Mädchen, sich selbst auch, schwanger, in Momenten des Alleinseins, zusammen mit ihrem Kind. Wenn Heiner Müller eine Niederschrift auf Papier des "Berliner Ensemble" enden läßt: "Aus deinen Augen sieht mein Kind mich an / Wie lange bleibt es v. d. Welt verschont / Wenn ich die Frau bin + du bist der Mann", dann erkennt und beschreibt er die Lage. Die meisten Bilder in diesem Buch sind Polaroids. Sie sind die empfindlichsten aller Fotografien; denn ihre Farbe ist vom Erlöschen bedroht. Sie zieht sich aus ihnen zurück, bis sie nur mehr der Abglanz des Gedächtnisses sind, dem sie dienen sollten, als sie entstanden. Aber das tut nichts; denn es ist die Liebe.
ROSE-MARIA GROPP.
Brigitte Maria Mayer / Heiner Müller: "Der Tod ist ein Irrtum". Bilder. Texte. Autographen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 160 S., geb., 78,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Mit der Wiederkehr der Farbe droht die Auferstehung, / Ich habe dir gesagt du sollst / nicht wiederkommen tot ist / tot. / Der Tod ist ein Irrtum." Worte von Heiner Müller stehen auf dem Frontispiz dieses Buches der Bilder. Wer spricht da? Wer ist gemeint? Wen geht dies an?
Am 30. Dezember 1995 ist Heiner Müller gestorben. Brigitte Maria Mayer, seine Frau und Mutter seiner Tochter Anna, hat in einem Band Fotografien und Skizzen, Fragmente und Gedichte aus seinen letzten fünf Lebensjahren, ihrer gemeinsamen Zeit mit ihm, zusammengestellt. Darüber wäre nichts zu sagen, handelte es sich um die pietätvolle Verbeugung vor dem deutsch-deutschen Jahrhundertdramatiker mit seinen zornmütig gemeißelten Sätzen, um die Arbeit der Witwe am Mythos.
Doch dann ist da dieses wunderschöne Buch, und es ist ein Geschenk. Denn es überschreitet die Grenze betrachteter Privatheit hin zur allgemeinen Gültigkeit, zur Wahrheit in Bildern und Sätzen von Liebe und Sterben, von Stärke und Tod. Es ereignet sich an verschiedenen Orten, ein Stationendrama des unverwandten Hinsehens, des klaren offenen Blicks. Ohne Larmoyanz, in absoluter Zuwendung - "Es bleibt Liebe ohne Bedingung" schreibt Brigitte Maria Mayer in ihrem kurzen Vorwort -, mit der Souveränität, die das reine sichere Gefühl verleiht. Es beginnt mit einer "Wegbeschreibung", die der Einundsechzigjährige für sie auf einen Notizzettel schreibt; Brigitte Maria Mayer, geboren 1965 in Regensburg, Performerin und Fotografin, zieht 1990 zu Heiner Müller nach Berlin-Lichtenberg - Nähe, Körper, Lächeln. Es gibt ein handschriftliches Gedicht von ihm, das er "Liebeserklärung (Declaration of Love)" nennt: Die zärtliche Lakonie trifft den Kern; es gibt nichts Indiskretes.
Es wird ein Abschied offenen Auges; meistens fotografiert die Frau, bis ganz zum Ende, den Mann, ihn und das Mädchen, sich selbst auch, schwanger, in Momenten des Alleinseins, zusammen mit ihrem Kind. Wenn Heiner Müller eine Niederschrift auf Papier des "Berliner Ensemble" enden läßt: "Aus deinen Augen sieht mein Kind mich an / Wie lange bleibt es v. d. Welt verschont / Wenn ich die Frau bin + du bist der Mann", dann erkennt und beschreibt er die Lage. Die meisten Bilder in diesem Buch sind Polaroids. Sie sind die empfindlichsten aller Fotografien; denn ihre Farbe ist vom Erlöschen bedroht. Sie zieht sich aus ihnen zurück, bis sie nur mehr der Abglanz des Gedächtnisses sind, dem sie dienen sollten, als sie entstanden. Aber das tut nichts; denn es ist die Liebe.
ROSE-MARIA GROPP.
Brigitte Maria Mayer / Heiner Müller: "Der Tod ist ein Irrtum". Bilder. Texte. Autographen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 160 S., geb., 78,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Einen privaten Blick auf die letzten Jahre Heiner Müllers sieht Jürgen Berger in diesem Text- und Fotoband, den die Fotografin und Heiner-Müller-Witwe Brigitte Maria Mayer zum zehnten Todestag des Dramatikers vorgelegt hat. Zu den Entdeckungen des Bandes zählt Berger die kleinen lyrisch-epischen Entwürfe Müllers, in denen er nach dem Grund und Nachlassen der Schreibkraft suchte. Bei den zahlreichen Bildern des Bandes hat Berger nicht immer ein gutes Gefühl. Insbesondere bei den Aufnahmen der nackten, schwangeren Ehefrau fragt er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, manches im Dunkeln des Privaten zu lassen, "um a la Lennon/Ono aus den privaten Augenblicken ein künstlerisches Manifest zu machen". Andererseits fallen ihm auch eine Reihe von Bildern auf, die er gerade in ihrer Privatheit anrührend und dabei dezent findet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Es überschreitet die Grenze betrachteter Privatheit hin zur allgemeinen Gültigkeit, zur Wahrheit in Bildern und Sätzen von Liebe und Sterben, von Stärke und Tod.« Frankfurter Allgemeine Zeitung