Die Mutter stirbt. Der Sohn erzählt. Ein bewegendes Buch über das Leben, zu dem auch der Tod gehört.
Georg Diez, Autor der Süddeutschen Zeitung, berichtet mit atemberaubender Genauigkeit vom Sterben seiner Mutter, ihrem Kampf um Selbstbestimmung und Würde und seinem eigenen Umgang mit dem Unausweichlichen.
Wenn das Sterben und der Tod ins Leben eines Menschen treten, ist die Reaktion oft Schweigen und Sprachlosigkeit. Für den unwiederbringlichen Abschied eines geliebten Menschen fehlen uns die Worte, die das Leiden und den Schmerz angemessen fassen. Der Autor und Journalist Georg Diez aber hat nach dem Krebstod seiner Mutter den Mut zu erzählen, wie sich ein solcher langer Abschied vollzieht. Mit größter Genauigkeit und Schonungslosigkeit beschreibt er, wie er als Sohn den Tod in sein Leben hereinlassen musste, während er zugleich seine Hochzeit feierte und darauf wartete, zum ersten Mal Vater zu werden. Mit liebevollem, aber präzisem Blick begleitet er den langen Weg einer Frau, deren Leben vom Kampf um Selbstständigkeit und von leidenschaftlichem sozialen und beruflichen Engagement geprägt war, bis in die Einsamkeit der Krankheit und der Schmerzen. Die langsamen Verschiebungen in den Beziehungen zu Freunden und Kollegen, die letzten Reisen, die letzten Spaziergänge, die letzten Feste, die vielen kleinen und großen Abschiede, die wiederkehrenden Hoffnungen, die praktischen Nöte bei der Organisation des Alltags: All das schildert Georg Diez so intensiv wie die Erschütterungen, die das Sterben seiner Mutter für sein eigenes Leben bedeuten.
So ist ein Buch entstanden, das im Angesicht des Todes auch das Porträt zweier Generationen auf eine ganz neue Weise zeichnet: die Generation, die von den Befreiungsideen von 68 geprägt war, und ihre Adidas-Kinder, die in der Zeit des Wohlstands und der Sorglosigkeit aufwuchsen und nun mit Krankheit und Tod der Eltern konfrontiert werden.
Georg Diez ist ein kleines Wunder gelungen: Er hat ein Buch voller Traurigkeit und Abschied geschrieben, das durch seine erzählerische Brillanz für den Leser eine befreiende Kraft entfaltet.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Georg Diez, Autor der Süddeutschen Zeitung, berichtet mit atemberaubender Genauigkeit vom Sterben seiner Mutter, ihrem Kampf um Selbstbestimmung und Würde und seinem eigenen Umgang mit dem Unausweichlichen.
Wenn das Sterben und der Tod ins Leben eines Menschen treten, ist die Reaktion oft Schweigen und Sprachlosigkeit. Für den unwiederbringlichen Abschied eines geliebten Menschen fehlen uns die Worte, die das Leiden und den Schmerz angemessen fassen. Der Autor und Journalist Georg Diez aber hat nach dem Krebstod seiner Mutter den Mut zu erzählen, wie sich ein solcher langer Abschied vollzieht. Mit größter Genauigkeit und Schonungslosigkeit beschreibt er, wie er als Sohn den Tod in sein Leben hereinlassen musste, während er zugleich seine Hochzeit feierte und darauf wartete, zum ersten Mal Vater zu werden. Mit liebevollem, aber präzisem Blick begleitet er den langen Weg einer Frau, deren Leben vom Kampf um Selbstständigkeit und von leidenschaftlichem sozialen und beruflichen Engagement geprägt war, bis in die Einsamkeit der Krankheit und der Schmerzen. Die langsamen Verschiebungen in den Beziehungen zu Freunden und Kollegen, die letzten Reisen, die letzten Spaziergänge, die letzten Feste, die vielen kleinen und großen Abschiede, die wiederkehrenden Hoffnungen, die praktischen Nöte bei der Organisation des Alltags: All das schildert Georg Diez so intensiv wie die Erschütterungen, die das Sterben seiner Mutter für sein eigenes Leben bedeuten.
So ist ein Buch entstanden, das im Angesicht des Todes auch das Porträt zweier Generationen auf eine ganz neue Weise zeichnet: die Generation, die von den Befreiungsideen von 68 geprägt war, und ihre Adidas-Kinder, die in der Zeit des Wohlstands und der Sorglosigkeit aufwuchsen und nun mit Krankheit und Tod der Eltern konfrontiert werden.
Georg Diez ist ein kleines Wunder gelungen: Er hat ein Buch voller Traurigkeit und Abschied geschrieben, das durch seine erzählerische Brillanz für den Leser eine befreiende Kraft entfaltet.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.09.2009Schreiben, um sich nicht zu verlieren
Der Journalist Georg Diez hat ein Buch über den Tod seiner Mutter geschrieben. Es erzählt vom Sterben, das wir besser begreifen, wenn wir darüber reden.
Von Tobias Rüther
Fragmente einer Sprache des Sterbens. Notizen, undatiert, ein paar Gedanken in klarer Schrift: "Aufschreiben als Beweismittel" hat Hannelore Diez auf ein Blatt Papier geschrieben. "Eines der wenigen Dinge", erinnert sich ihr Sohn Georg Diez, "die ich mitgenommen habe nach ihrem Tod." Er hat dieses Blatt Papier in seinem Buch über den Krebstod der Mutter protokolliert, eine Liste von zwölf Punkten, kürzelhaft und schwer zu verstehen, selbst für ihn, den einzigen Sohn. "Warum schon wieder zahlen," lautet zum Beispiel der dritte Punkt, den Hannelore Diez festgehalten hat, und fünftens: "S: ins Bett zurück geholfen", und elftens: "Beweismittel im Wohnzimmer aufschreiben - ein Fuß schläft ein - einer nicht - wie heute".
Aufschreiben als Beweismittel. Im Verlag, in dem jetzt "Der Tod meiner Mutter" von Georg Diez erschienen ist, wird im Frühjahr auch ein Buch von Julian Barnes folgen, das auf hundert verschiedene Arten und in fast genauso vielen Stimmen davon erzählt, wie es ist, zu sterben und darüber zu reden. Wie es ist, ein Leben im Bann des Endes zu führen. Und dagegen anzuschreiben, ohne je das letzte Wort behalten zu können. Der englische Schriftsteller Barnes, der im vorigen Herbst seine Frau Pat Kavanagh verloren hat, als "Nichts, das man fürchten müsste" schon erschienen war, schrieb vom Sterben seiner Eltern her über den Tod im Leben von Leuten, deren Beruf es ist, die Dinge in Worte zu fassen und die letzten Dinge besonders; Flaubert, Daudet, Zola. Wenn man aus dem bürgerlichen Roman des neunzehnten Jahrhunderts, den Barnes so liebt, den Tod nähme, blieben wohl nur ein paar Seiten übrig. Barnes selbst gesteht, er habe sich am Anfang der Karriere vorgenommen, so zu schreiben, als ob seine Eltern tot wären. Wie um sich zu befreien von einer Last oder von Scham.
Es soll hier aber nicht um Julian Barnes gehen, sondern um Georg Diez, vierzig Jahre alt und Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung". Und um seine autobiographische Erzählung, die vom Tod seiner Mutter berichtet, die am 3. Dezember 2006 starb, mit einundsiebzig Jahren. Seine Mutter, davon handelt der eine Teil des kurzes Buchs, stammte aus einer schwierigen Bremer Familie. Sie selbst heiratete, bekam mit ihrem Mann, einem Pfarrer, den Sohn, ließ sich Mitte der siebziger Jahre scheiden, begann ein zweites Studium, eine neue Karriere als Familienmediatorin. Und angesichts dieser Kraftanstrengung, sich ihr Leben nochmals zu erobern, angesichts der Vitalität dieser einzelgängerischen Frau, wie Diez sie beschreibt, einer Mutter, die am Tag des Abiturs ihres Sohns aus der gemeinsamen Wohnung auszieht, wirkt der schleichende Verlust der Vitalität durch den Krebs umso beklemmender.
Aber jeder Tod ist beklemmend. Nur wie er also wirkt, wie er zu einer Erzählung wird, eine Dramaturgie bekommt für jeden, der zusehen muss und versucht, das zu strukturieren und in eine Form zu bringen, klar zu kommen: Das ist der andere Teil des Buchs von Georg Diez. Aufschreiben als Beweismittel. "Ich habe mir in der Zeit bis zu ihrem Tod keine Notizen gemacht", erinnert sich Diez, als es um das Blatt Papier und die Liste seiner Mutter geht, "habe nichts aufgeschrieben, obwohl ich das wollte, dann wollte ich es wieder nicht, es schien falsch, warum eigentlich?" Auf dem Weg zur Urnenbeisetzung im Januar 2007, die Mutter wird auf dem Münchener Nordfriedhof begraben, tut er es dann doch, führt Protokoll, "denn ich wollte mir alles hier merken, ich wollte erleben, um zu schreiben".
Ist das Kitsch? Der Sohn lehnt in seinem Buch oft an Fenstern, in Wohnungen, auf der Rückbank von Taxis, und schaut hinaus. Sieht "Bäume, die meine Mutter nie mehr sehen würde und die schwarz in den Himmel stachen", verzeichnet, wie er einatmet, ausatmet. Ist das banal? Es ist aber gar nicht möglich, falsche Sätze schreiben oder banale, wenn es um den Tod der eigenen Mutter geht. Und peinlicher wäre es nur, sich noch Gedanken darüber zu machen, ob es peinlich ist, was man da denkt und schreibt.
Am Ende werden bei Georg Diez, der als Kritiker wie auch hier im Buch oft zum lakonischen Pathos neigt, die kurzen Sätze immer länger, am Anfang standen oft nur Halbsätze da: "Wie die Lebenden sich gegen den Tod schützen wollen. Wie man ihnen das überhaupt nicht vorwerfen kann." Oder: "Wie es nicht leicht ist, immer hoffnungsvoll zu sein und gut gelaunt und sensibel und still und unterhaltend und still und zuhörend und still und hoffnungsvoll." Sätze, die in ihrer Beiläufigkeit vielleicht nur Schwäche und Hilflosigkeit legitimieren wollen, Trostformeln.
Hält man die Anekdoten von Julian Barnes dagegen, der endlos kluge Sprüche kanonisierter Großschriftsteller montiert hat, merkt man schnell: Man kann vielleicht doch falsche Sätze schreiben über den Tod, solche nämlich, die sich ihn erzählend vom Leib halten. Ironische Todesangst ist da am Werk. Aber auch die kämpft letztlich nur ums Überleben, und so lernt man aus beiden Büchern, dass es keine Vorschriften gibt, wenn es um Tod und Worte geht, dass beides nur gesagt sein will, weil es davon vielleicht erträglicher wird.
"Sie schrieb, um sich nicht zu verlieren", sagt Georg Diez über seine Mutter. Aber dann ist sie doch eines Tages: fort. "Fort" schreibt Diez, als er das erste Mal von dem Augenblick erzählt, als seine Mutter gestorben war, zwölf Jahre nach der Diagnose, nach Chemotherapien, Sterbehilfegedanken, guten und schlechten Phasen, schwindender Klarheit, die Georg Diez weder sich noch seiner Mutter, noch dem Leser erspart.
Der Tod löst die Zunge, und wenn die Menschen, die überlebt haben, dann zu reden beginnen, reden sie meist von sich selbst oder davon, wie ihnen ungefähr das Gleiche passiert ist. Die bewegendste Stelle im Buch ist ein Telefonat. Georg Diez wird in einer Redaktionskonferenz von seiner Mutter angerufen, geht mit dem Handy vor die Tür, und drinnen sitzen zwei Kollegen, deren Mütter auch schwer krank sind. Woher weiß er das? Und warum fällt ihm das in diesem Augenblick ein? Teilen als Trost. Mitten im Leben sind wir - jeder weiß, wie der Satz aufhört.
Georg Diez: "Der Tod meiner Mutter". Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 200 S., geb., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Journalist Georg Diez hat ein Buch über den Tod seiner Mutter geschrieben. Es erzählt vom Sterben, das wir besser begreifen, wenn wir darüber reden.
Von Tobias Rüther
Fragmente einer Sprache des Sterbens. Notizen, undatiert, ein paar Gedanken in klarer Schrift: "Aufschreiben als Beweismittel" hat Hannelore Diez auf ein Blatt Papier geschrieben. "Eines der wenigen Dinge", erinnert sich ihr Sohn Georg Diez, "die ich mitgenommen habe nach ihrem Tod." Er hat dieses Blatt Papier in seinem Buch über den Krebstod der Mutter protokolliert, eine Liste von zwölf Punkten, kürzelhaft und schwer zu verstehen, selbst für ihn, den einzigen Sohn. "Warum schon wieder zahlen," lautet zum Beispiel der dritte Punkt, den Hannelore Diez festgehalten hat, und fünftens: "S: ins Bett zurück geholfen", und elftens: "Beweismittel im Wohnzimmer aufschreiben - ein Fuß schläft ein - einer nicht - wie heute".
Aufschreiben als Beweismittel. Im Verlag, in dem jetzt "Der Tod meiner Mutter" von Georg Diez erschienen ist, wird im Frühjahr auch ein Buch von Julian Barnes folgen, das auf hundert verschiedene Arten und in fast genauso vielen Stimmen davon erzählt, wie es ist, zu sterben und darüber zu reden. Wie es ist, ein Leben im Bann des Endes zu führen. Und dagegen anzuschreiben, ohne je das letzte Wort behalten zu können. Der englische Schriftsteller Barnes, der im vorigen Herbst seine Frau Pat Kavanagh verloren hat, als "Nichts, das man fürchten müsste" schon erschienen war, schrieb vom Sterben seiner Eltern her über den Tod im Leben von Leuten, deren Beruf es ist, die Dinge in Worte zu fassen und die letzten Dinge besonders; Flaubert, Daudet, Zola. Wenn man aus dem bürgerlichen Roman des neunzehnten Jahrhunderts, den Barnes so liebt, den Tod nähme, blieben wohl nur ein paar Seiten übrig. Barnes selbst gesteht, er habe sich am Anfang der Karriere vorgenommen, so zu schreiben, als ob seine Eltern tot wären. Wie um sich zu befreien von einer Last oder von Scham.
Es soll hier aber nicht um Julian Barnes gehen, sondern um Georg Diez, vierzig Jahre alt und Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung". Und um seine autobiographische Erzählung, die vom Tod seiner Mutter berichtet, die am 3. Dezember 2006 starb, mit einundsiebzig Jahren. Seine Mutter, davon handelt der eine Teil des kurzes Buchs, stammte aus einer schwierigen Bremer Familie. Sie selbst heiratete, bekam mit ihrem Mann, einem Pfarrer, den Sohn, ließ sich Mitte der siebziger Jahre scheiden, begann ein zweites Studium, eine neue Karriere als Familienmediatorin. Und angesichts dieser Kraftanstrengung, sich ihr Leben nochmals zu erobern, angesichts der Vitalität dieser einzelgängerischen Frau, wie Diez sie beschreibt, einer Mutter, die am Tag des Abiturs ihres Sohns aus der gemeinsamen Wohnung auszieht, wirkt der schleichende Verlust der Vitalität durch den Krebs umso beklemmender.
Aber jeder Tod ist beklemmend. Nur wie er also wirkt, wie er zu einer Erzählung wird, eine Dramaturgie bekommt für jeden, der zusehen muss und versucht, das zu strukturieren und in eine Form zu bringen, klar zu kommen: Das ist der andere Teil des Buchs von Georg Diez. Aufschreiben als Beweismittel. "Ich habe mir in der Zeit bis zu ihrem Tod keine Notizen gemacht", erinnert sich Diez, als es um das Blatt Papier und die Liste seiner Mutter geht, "habe nichts aufgeschrieben, obwohl ich das wollte, dann wollte ich es wieder nicht, es schien falsch, warum eigentlich?" Auf dem Weg zur Urnenbeisetzung im Januar 2007, die Mutter wird auf dem Münchener Nordfriedhof begraben, tut er es dann doch, führt Protokoll, "denn ich wollte mir alles hier merken, ich wollte erleben, um zu schreiben".
Ist das Kitsch? Der Sohn lehnt in seinem Buch oft an Fenstern, in Wohnungen, auf der Rückbank von Taxis, und schaut hinaus. Sieht "Bäume, die meine Mutter nie mehr sehen würde und die schwarz in den Himmel stachen", verzeichnet, wie er einatmet, ausatmet. Ist das banal? Es ist aber gar nicht möglich, falsche Sätze schreiben oder banale, wenn es um den Tod der eigenen Mutter geht. Und peinlicher wäre es nur, sich noch Gedanken darüber zu machen, ob es peinlich ist, was man da denkt und schreibt.
Am Ende werden bei Georg Diez, der als Kritiker wie auch hier im Buch oft zum lakonischen Pathos neigt, die kurzen Sätze immer länger, am Anfang standen oft nur Halbsätze da: "Wie die Lebenden sich gegen den Tod schützen wollen. Wie man ihnen das überhaupt nicht vorwerfen kann." Oder: "Wie es nicht leicht ist, immer hoffnungsvoll zu sein und gut gelaunt und sensibel und still und unterhaltend und still und zuhörend und still und hoffnungsvoll." Sätze, die in ihrer Beiläufigkeit vielleicht nur Schwäche und Hilflosigkeit legitimieren wollen, Trostformeln.
Hält man die Anekdoten von Julian Barnes dagegen, der endlos kluge Sprüche kanonisierter Großschriftsteller montiert hat, merkt man schnell: Man kann vielleicht doch falsche Sätze schreiben über den Tod, solche nämlich, die sich ihn erzählend vom Leib halten. Ironische Todesangst ist da am Werk. Aber auch die kämpft letztlich nur ums Überleben, und so lernt man aus beiden Büchern, dass es keine Vorschriften gibt, wenn es um Tod und Worte geht, dass beides nur gesagt sein will, weil es davon vielleicht erträglicher wird.
"Sie schrieb, um sich nicht zu verlieren", sagt Georg Diez über seine Mutter. Aber dann ist sie doch eines Tages: fort. "Fort" schreibt Diez, als er das erste Mal von dem Augenblick erzählt, als seine Mutter gestorben war, zwölf Jahre nach der Diagnose, nach Chemotherapien, Sterbehilfegedanken, guten und schlechten Phasen, schwindender Klarheit, die Georg Diez weder sich noch seiner Mutter, noch dem Leser erspart.
Der Tod löst die Zunge, und wenn die Menschen, die überlebt haben, dann zu reden beginnen, reden sie meist von sich selbst oder davon, wie ihnen ungefähr das Gleiche passiert ist. Die bewegendste Stelle im Buch ist ein Telefonat. Georg Diez wird in einer Redaktionskonferenz von seiner Mutter angerufen, geht mit dem Handy vor die Tür, und drinnen sitzen zwei Kollegen, deren Mütter auch schwer krank sind. Woher weiß er das? Und warum fällt ihm das in diesem Augenblick ein? Teilen als Trost. Mitten im Leben sind wir - jeder weiß, wie der Satz aufhört.
Georg Diez: "Der Tod meiner Mutter". Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 200 S., geb., 16,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Interessiert, aber nicht widerspruchslos hat Rezensentin Elisabeth Raether dieses Buch von Georg Diez über Leben und Tod seiner Mutter gelesen. Denn so exemplarisch sie Diez?'Schilderungen seiner Beziehung zur Mutter wohl findet, nimmt sie Hannelore Diez doch immer wieder vor den Vorwürfen und Interpretationen ihres Sohnes Georg in Schutz, und sympathisiert merklich mit den von ihm kritisierten Positionen seiner Mutter. Den Verlauf der Krankheit mache der Autor zur Rahmenerzählung seines Buchs. Die Binnenerzählung handele von seiner Kindheit und Jugend, in die auch Rückblicke auf Kindheit und Jugend der Mutter gewoben sind, so wir die Ausführungen der Rezensentin richtig deuten, die hier weniger literaturkritisch als ideologiekritisch argumentiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Es ist die Kunst, ambivalente Gefühle in eine im besten Sinne anrührende Prosa zu verwandeln, für die man Diez bewundern kann.« Joachim Feldmann Der Freitag