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Toby, 18 Jahre alt, lebt seit er denken kann in einer englischen Kleinstadt, geborgen im Schoß einer ungewöhnlichen Familie, genauer gesagt eines kleinen Matriarchats. Von seiner Mutter Iso, einer begabten und erfolgreichen Malerin, blond und feingliedrig wie er, trennen ihn nur 15 Jahre. Das Familienoberhaupt ist Tante Luce, Textildesignerin vom Rang und Auftreten einer Vivian Westwood; ihre Geliebte trägt den sprechenden Namen Liberty. Der junge Mann Toby ist perfekt eingepasst in diesen Amazonenstaat - bis hin zu physischer Mimikry, sein androgyner Reiz gleicht dem seiner über alles…mehr

Produktbeschreibung
Toby, 18 Jahre alt, lebt seit er denken kann in einer englischen Kleinstadt, geborgen im Schoß einer ungewöhnlichen Familie, genauer gesagt eines kleinen Matriarchats. Von seiner Mutter Iso, einer begabten und erfolgreichen Malerin, blond und feingliedrig wie er, trennen ihn nur 15 Jahre. Das Familienoberhaupt ist Tante Luce, Textildesignerin vom Rang und Auftreten einer Vivian Westwood; ihre Geliebte trägt den sprechenden Namen Liberty. Der junge Mann Toby ist perfekt eingepasst in diesen Amazonenstaat - bis hin zu physischer Mimikry, sein androgyner Reiz gleicht dem seiner über alles geliebten Mutter aufs Haar.

In diese freiheitliche Landidylle bricht plötzlich das männliche Element ein als existentielle Ruhestörung. Zunächst manifestiert sich die Störung in dem Geruch nach kaltem Rauch, den Toby an seiner Mutter wahrnimmt, doch schon bald nimmt sie unübersehbar Gestalt an, die mächtige, schwere Gestalt eines gewissen Roehm. Tobys eifersuchtsgeschärfter Blick erkennt die unbestimmte Gefahr, die von diesem zurückhaltenden und zugleich ungeheuer besitzergreifenden Mann mit den Wolfsaugen ausgeht, zumal er sich selbst auf fatale Weise von ihm angezogen fühlt. Roehms immer flüchtige, aber dadurch nicht weniger intensive Präsenz entfaltet bald ihre subversive, zerstörerische Kraft. Im doppelten Kampf um die Liebe der Mutter und die ihres Geliebten entwickelt sich Toby zum fanatischen Spitzel, der jeden ihrer Schritte bewacht und vor allem alles daran setzt, die wahre Identität Roehms aufzudecken, und je mehr Toby über den großen Unbekannten erfährt, desto unheimlicher wird er. Doch plötzlich kippt das Spiel. Toby und Iso fliehen, und es beginnt eine dramatische Verfolgungsjagd.
Autorenporträt
Patricia Duncker, geb. in Jamaika, siedelte mit dreizehn Jahren nach England über, studierte Philosophie und Literaturwissenschaften. Sie lehrt an der University of Wales und lebt in London und in Südfrankreich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gustav Seibt stellt uns die Autorin als Germanistin, Romantikforscherin und Verfasserin zweier "literaturwissenschaftlicher Lore-Romane" vor, die ganz offensichtlich nicht seinen Gefallen gefunden haben. Kann es noch ärger kommen? Kann es. Patricia Dunckers jüngster Roman "toppt" seiner Meinung nach ihren bisherigen Hang zum Hochgestochenen. "Der tödliche Zwischenraum" verarbeite auf ungeschickte Weise den Ödipus-Mythos mit dem Frankenstein-Stoff, was Seibt mit den Worten kontert, das heiße "Ossa auf Pelion wälzen", wenn man bedenke, dass schon Frankenstein eine "krude Aufarbeitung" von Faust- und Prometheus-Motiven bedeutete. Wir sehen, dass auch Rezensenten eine gewisse Vorbildung mitbringen müssen, weshalb es dann umso enttäuschender sein dürfte, auf so dürftige geistige Nahrung zu stoßen. Seibt zufolge wimmelt es in dem Roman an verqueren Deutschlandklischees (die Autorin ist Britin), die Nazitum und Frankenstein, Homosexualität und Vatermord, Sophokles und Freud, Wolfsschluchten und Wolfsschanzen zusammenrühren und kurzschließen, dass es dem Rezensenten immer unbehaglicher wird. Dass der Clou der Geschichte von vornherein klar ist und keine unvorhergesehene Wendung mehr nimmt, lässt Seibt dann nicht mehr nur stöhnen, sondern bloß staunen ob soviel hochgestochener Einfallslosigkeit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2003

Der Minotaurus, meine Mutter und ich
Patricia Dunckers Spiel mit den Genres: "Der tödliche Zwischenraum", eine Dreiecksgeschichte aus dem Geist des Schauerromans

Bücher sind immer auch das, was sich aus ihnen destillieren läßt - die Gedanken, die sie im Leser initiieren, die Stimmung, in die sie ihn versetzen. In dieser Hinsicht ist die Engländerin Patricia Duncker eine gefährliche Schriftstellerin, denn sie verfügt über eine rücksichtslose Phantasie und eine bisweilen verstörend hypnotische Sprache. So wild und unwahrscheinlich manche ihrer Handlungskonstrukte auch sein mögen, man folgt ihnen stets atemlos gespannt bis zur letzten Seite.

Patricia Duncker selbst sagt von sich, sie sei eine katholische Autorin im Sinne Graham Greenes. Wie dieser sei sie an den Abgründen interessiert, an den dunklen Stellen der Seele, an psychologischen Extremen. Die Protagonisten ihrer Romane sind androgyne Zwitterwesen, die am Rand der Gesellschaft leben, isolierte Individualisten, die ihre eigene Doppeldeutigkeit zu ergründen suchen. Patricia Dunckers Figuren bewegen sich an der Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn und ihr Thema sind die letzten Dinge: Himmel, Hölle, Tod, Verdamnis - und der Weg dahin.

Das klingt pathetisch, aufregend und vor allem nach abschüssigem literarischen Terrain. Genau das bieten Patricia Dunckers Romane. Bereits der Auftakt war alles andere als harmlos. Mit "Die Germanistin", ihrem gewagten Foucault-Roman, debütierte die damals Fünfundvierzigjährige 1997 - eine Spätberufene, die sich neben ihrer literaturwissenschaftlichen Lehrtätigkeit an der University of Wales in Aberystwyth ans Schreiben wagte. Es entstand eine Hommage an Michel Foucault in Form eines originellen, aber allzu verschachtelten Romans, der die Beziehung zwischen dem Autor und seinem Leser als große Liebesgeschichte feierte. Zwei Jahre später folgte ein noch erstaunlicheres Buch. "James Miranda Barry" schildert die abenteuerliche Geschichte eines Hermaphroditen, der im neunzehnten Jahrhundert Karriere als Mediziner macht; eine schillernde, geheimnisvolle Figur, die Männer und Frauen gleichermaßen anzieht, doch letztlich aufgrund des Geheimnisses ihrer Identität zur Einsamkeit verurteilt ist. Jetzt hat Patricia Duncker ihren dritten Roman vorgelegt: In "Der tödliche Zwischenraum" bleibt sie ihrem Thema der unheimlichen Möglichkeiten und unwiderstehlichen Bedrohung treu, auch ihrem Interesse an Figuren, die sich ihres Elements nicht ganz sicher sind.

Der Erzähler, Toby Hawk, ist ein intellektuell frühreifer, sexuell unerfahrener Achtzehnjähriger, in dessen Leben es zwei bittere Leerstellen gibt: Zum einen hat er keine gleichaltrigen Freunde, zum anderen ist er ohne Vater aufgewachsen. Um so intensiver, besitzergreifender, ödipaler ist sein Verhältnis zur Mutter, der Malerin Isobel, mit der er in der Nähe von London lebt. Als die Mutter sich in den sehr viel älteren, charismatischen, aber unheimlichen Roehm verliebt, ist Toby außer sich vor Eifersucht - jedoch nicht auf Roehm, wie er erstaunt feststellt, sondern auf seine Mutter. "Ich war nicht eifersüchtig darauf, daß der Minotaurus nach dem Körper meiner Mutter griff. Ich war eifersüchtig um meinetwillen. Warum hast du sie gewählt und nicht mich? Ich wollte an ihrer Stelle sein." Er muß nicht lange warten. Nach der Eroberung Isos macht Roehm sich daran, Toby mit Haut und Haar für sich einzunehmen. Der junge Mann verfällt dem eiskalten Hünen, kommt diesem aber letztlich ebensowenig nah wie seine Mutter.

Die Passagen, die die widerstrebenden Gefühle schildern, die Toby für Roehm entwickelt, sind die eindringlichsten, besten des Romans. Trotz oder gerade wegen der gespenstischen Fremdheit des Eindringlings, seiner merkwürdig unpersönlichen, sporadischen Beziehung zu Mutter und Sohn, kann Toby an nichts anderes mehr denken. Seine Besessenheit treibt einen Keil zwischen ihn und seine Mutter, nur um sie gleich darauf in ihrer gemeinsamen Liebe zu dem Ungeheuer übermütig zu einen. "Ich beugte mich über sie und beäugte sie wie ein lüsterner Liebhaber. Probierte aus, wie weit ich gehen konnte. Mir war klar, daß ich zu weit ging."

Roehm bemerkt Tobys Sehnsucht und stillt sie auf seine Art. Das vermeintliche gemeinsame Geheimnis macht Toby nur noch liebeshungriger. Dennoch bleibt die massige Gestalt Roehms, "strotzend vor Absicht", mysteriös, ein Unhold, der Isos und Tobys ganzes Leben erst durcheinanderbringt und schließlich, man ahnt es längst, bedroht. Doch als endlich deutlich wird, daß Mutter und Sohn sich auf ein Wesen eingelassen haben, das zwischen seinen historischen, literarischen und imaginierten Ursprüngen keine Ruhe finden kann, verpufft seine Faszination. Nur ein einziges Mal darf Roehm verraten, was ihn um- (und in dieses Buch) treibt: "Müssen wir wegen unseres Begehrens verdammt werden? Dafür, daß wir mehr wollen, als die Welt uns zu bieten hat? Daß wir neugierig sind? Nach Wissen streben? Oder die Zeit zurückdrehen wollen, um ein verlorenes Leben noch einmal zu leben?"

In ihren beiden ersten Romanen schilderte Patricia Duncker Ereignisse, die sich tatsächlich hätten zutragen können, wenngleich ihr schon in "Die Germanistin" und "James Miranda Barry" das Unwahrscheinliche Wahrheit genug war. Nach dem Spiel mit den Genres des detektivisch befeuerten Campus-Romans und der Geschichtsromanze hat sie sich diesmal den Schauerroman vorgenommen. Foucault und der historischen Fußnote über den englischen Militärarzt folgt nun Mary Shelleys "Frankenstein". Ihr geht es weniger um das Monster als um seinen Schöpfer, den Nordpolforscher Victor Frankenstein, mit dessen Zügen sie den Alpinisten Gustave Roehm ausstattet. Hinzu kommt eine tüchtige Prise Freud, ein Schuß Webers "Freischütz", das Ganze garniert mit Motiven des "Faust", und auch ein Hinweis auf den Röhm-Putsch fehlt nicht. Wie "Frankenstein" endet diese moderne gothic novel in einer Eiswüste, allerdings nicht in der Arktis, sondern in einem Gletscher der Schweizer Alpen. Doch die - durchaus subtilen - Verweise auf große Vorbilder und die von ihnen geschaffene literarische Realität lassen Patricia Dunckers Weg ins Eis, wo sich Iso und Toby schließlich Roehms Geheimnis offenbart, zu einem Wettlauf mit dem Tod werden, der den Leser zunehmend irritiert. So ist "Der tödliche Zwischenraum" zwar packend, doch gegen Ende scheint die Autorin über den psychologischen Porträts ihrer Figuren vergessen zu haben, die Handlung ebenso geschickt anzulegen. Dennoch ist der Schluß des Romans in seiner unbefriedigenden Mehrdeutigkeit auch konsequent, weil er sich weigert, Toby, Iso und letztlich auch Roehm doch noch auf eine Identität festzulegen.

Daß man dem Roman auch Schwächen verzeiht, hat vor allem einen Grund: Patricia Dunckers Schilderungen von Geisteszuständen, Orten und Stimmungen sind nicht selten meisterlich. Ihre Prosa im Spiel zwischen eingängiger Spannung und Intellektualität fordert den Vergleich mit A. S. Byatt heraus - und hält ihm oft genug stand. Allerdings konnte sich die Autorin offenbar nicht entscheiden, ob sie ein Buch schreiben wollte, das den Leser emotional fesselt oder ihn geistig herausfordert. Dennoch behauptet sich auch im dritten Roman ihre Maxime: Die Schriftstellerin versteht sich als Spion Gottes, der die dunkelsten Stellen ausleuchtet, ohne sie zu bewerten. In den nächsten Tagen kommt in Großbritannien ihr neustes Buch heraus. Der Titel: "Seven Tales of Sex and Death".

Patricia Duncker: "Der tödliche Zwischenraum". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Schaden. Berlin Verlag, Berlin 2003. 295 S., geb., 19,90 [Euro].

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"Geistreiche Verspieltheit, kombiniert mit der mörderischen Spannung eines Thrillers." (Literary Review)

"Die drohende Gefahr hält den Leser gefangen, während Duncker die dunkle Seite der menschlichen Natur beleuchtet und dabei ein philosophisches Monster schafft, das unsere geheimsten und verbotensten Sehnsüchte enthüllt." (Star Tribune)