Lange Zeit wünschte ich den Tod meiner Eltern. Ich liebte sie, und ich schämte mich für diesen Wunsch. Seine Erfüllung aber schien dem Mädchen, das ich war, die einzige Rettung für unsere Familie. Ich dachte, wenn sie tot wären, würden wir glücklich sein und ihre Sorgen hätten ein Ende. Wer sind meine Eltern gewesen, bevor sie meine Eltern wurden? Ich habe mir die Frage zu spät gestellt.Etwas stimmte mit ihnen nicht. Sie waren nicht einverstanden mit ihrem Leben. Da war diese Unruhe im Haus. Unglück in den Augen meiner Mutter. Zorn in der Stimme meines Vaters. Ihr Mund. Sein Blick. In mir ein…mehr
Lange Zeit wünschte ich den Tod meiner Eltern. Ich liebte sie, und ich schämte mich für diesen Wunsch. Seine Erfüllung aber schien dem Mädchen, das ich war, die einzige Rettung für unsere Familie. Ich dachte, wenn sie tot wären, würden wir glücklich sein und ihre Sorgen hätten ein Ende. Wer sind meine Eltern gewesen, bevor sie meine Eltern wurden? Ich habe mir die Frage zu spät gestellt.Etwas stimmte mit ihnen nicht. Sie waren nicht einverstanden mit ihrem Leben. Da war diese Unruhe im Haus. Unglück in den Augen meiner Mutter. Zorn in der Stimme meines Vaters. Ihr Mund. Sein Blick. In mir ein diffuses Schuldgefühl. Etwas schien nicht zusammenzugehen. Ich spürte das. Sie quälten sich. Aber ich wusste nicht womit.'Die Protagonistin in Barbara Bongartz' autobiografischem Roman erhält eines Tages einen versiegelten Brief, in dem ihr mitgeteilt wird, dass ihr eigentlicher, leiblicher Vater in wenigen Tagen in Paris auf dem Friedhof von Passy beerdigt wird. Nur kurz zögert sie, begibt sich dann auf den Weg nach Frankreich.Eine aufregende Suche nach den eigenen und zugleich fremden familiären Wurzeln, nach einer neuen Identität, beginnt. Immer wieder nimmt die Geschichte für die Protagonistin und für den Leser eine unvorhergesehene, überraschende Wendung, immer vielschichtiger zeigt sich der Weg in die Vergangenheit.In schnörkelloser, klarer Sprache gelingt Barbara Bongartz ein sehr leiser, eindringlicher Roman, der die Frage nach der eigenen Identität stellt, die der Leser aber am Ende doch für sich selbst beantworten muss.Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Autorenporträt
1957 in Köln geboren. Studium der Theater- und Filmwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie in Paris, München, Köln. Lebte in Düsseldorf und New York, seit 2003 in Berlin. Veröffentlichungen: Von Caligari zu Hitler - von Hitler zu Dr. Mabuse, Eine psychologische Geschichte des Deutschen Films von 1948-62, 1990. Das Böse möglicherweise, Erzählungen, 1994. Stücke fürs Herz, Erzählungen, 1995. Eine der Geschichten aus Donner & Sturm, 1997. Örtliche Leidenschaften - Compilationes, 1997. Herzbrand - Der Fall Cordelia Richter, 1999. Die Amerikanische Katze, 2001. Inzest oder Die Entstehung der Welt, Roman in Briefen von Barbara Bongartz und Alban Nikolai Herbst, 2002. Auszeichnungen u.a.: Förderpreis und Arbeitsstipendium der Stadt Düsseldorf 1998. Akademie Schloß Solitude 1999/2000. Arbeitsstipendium Künstlerhaus Lucas, Ahrenshoop 2001.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Als rein fiktionales Produkt wäre die Geschichte, die Barbara Bongartz in ihrem Roman über eine Adoptiv-Familie erzählt, zu überzogen, meint Meike Fessmann, aber dass die Autorin versichert, dass das Buch im Wesentlichen autobiografisch sei, macht die Sache nicht wirklich besser. Durch entschiedenen "Gestaltungswillen" behauptet das Buch seinen Kunst-Status, als solche befriedigt es dann aber nicht, kritisiert die Rezensentin. Sie beschwert sich, dass um der Spannung willen Handlungslogik und psychologische Glaubwürdigkeit der Ich-Erzählerin vernachlässigt werden. Und der Erzähltrick, die Leser zunächst auf eine reine Fantasie der Hauptfigur über ihre Herkunft hereinfallen zu lassen, die erst später als solche aufgelöst wird, scheint Fessmann sogar verärgert zu haben. Mit Marguerite-Duras-Pathos zudem, so Fessmann weiter, versuche Bongartz, aus ihrer Biografie einen Mythos zu machen. Insgesamt, macht die Rezensentin deutlich, überzeugt sie dieser Roman nicht.