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Daoud Hari sah mit eigenen Augen, wie die Dörfer seiner Heimat im Westen Sudans von Reitermilizen überfallen und von Kampfflugzeugen zerstört wurden, wie seine Geschwister vertrieben und getötet wurden. Er selbst konnte sich in den Tschad retten und fand seine Lebensaufgabe: die Worte der über 2,5 Millionen Flüchtlinge in Darfur jenen zu übersetzen, die über die "schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt" (UNO) berichten. "Ich bin der Übersetzer, der Journalisten nach Darfur gebracht hat. In diesem Buch möchte ich Sie mitnehmen, wenn Sie den Mut haben, mich zu begleiten." Daoud Hari vom Stamm…mehr

Produktbeschreibung
Daoud Hari sah mit eigenen Augen, wie die Dörfer seiner Heimat im Westen Sudans von Reitermilizen überfallen und von Kampfflugzeugen zerstört wurden, wie seine Geschwister vertrieben und getötet wurden. Er selbst konnte sich in den Tschad retten und fand seine Lebensaufgabe: die Worte der über 2,5 Millionen Flüchtlinge in Darfur jenen zu übersetzen, die über die "schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt" (UNO) berichten.
"Ich bin der Übersetzer, der Journalisten nach Darfur gebracht hat. In diesem Buch möchte ich Sie mitnehmen, wenn Sie den Mut haben, mich zu begleiten." Daoud Hari vom Stamm der Zaghawa verließ seine Familie, um die Schule zu besuchen, lernte Arabisch und Englisch. Er reiste illegal nach Ägypten und Israel, um Geld zu verdienen, wurde aufgegriffen und nach Darfur zurückgeschickt. Das Wiedersehen in der Heimat sollte kurz sein: Sein Dorf wurde, wie unzählige andere, ausgelöscht. Statt wie viele seiner Freunde zum Gewehr zu greifen und sich einer Rebellengruppe anzuschließen, tat Hari das, was er konnte: zuhören. Vom Tschad aus führte er Journalisten aus Europa und den Vereinigten Staaten über die Grenze in die gefährlichsten Gebiete Darfurs. Zusammen mit internationalen Beobachtern sprach er in Flüchtlingslagern mit Hunderten von Menschen und übersetzte ihre Geschichten. Im August 2006 verhaftete man ihn und einen Reporter der Chicago Tribune, bezichtigte ihn der Spionage, verhörte ihn unter Folter und drohte ihm mit Exekution. Über einen Monat später konnte er befreit werden. In seinem Buch erzählt er von Begegnungen mit dem Tod, aber auch von der unwiderstehlichen Weisheit, der Liebe und dem beinahe unzerstörbaren Humor seiner Landsleute.
Autorenporträt
Daoud Hari ist einer von nur drei Flüchtlingen aus Darfur, die seit 2003 in den USA aufgenommen wurden, und eine Stimme der Initiative Voices from Darfur . Er lebt heute in New Jersey.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2008

Brutal gefoltert

In der Provinz Darfur im Süden Sudans vollzieht sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein "Genozid auf Raten". Bei Kämpfen zwischen Rebellen und von der Zentralregierung unterstützten Milizen starben in den vergangenen fünf Jahren über zweihunderttausend Menschen, mehr als zweieinhalb Millionen sind auf der Flucht. Die Vereinten Nationen sprechen von der gegenwärtig schlimmsten humanitären Katastrophe. Daoud Hari wurde aus seinem Dorf in Darfur vertrieben, viele Familienmitglieder und Freunde fanden auf grausame Weise den Tod oder mussten flüchten. Er selbst konnte sich in den Tschad retten und arbeitete zunächst in Flüchtlingscamps als Dolmetscher. Eindringlich schildert er die schwierige Situation in den Lagern und seine Interviews mit Vertriebenen: "Diese trägen Geschichten wurden in solcher Zurückhaltung erzählt, dass meine Augen, meine Stimme anschwollen, während ich übersetzte." Bald kehrte Hari regelmäßig mit gefälschten Papieren in seine Heimat zurück, um ausländische Berichterstatter zu begleiten. Heute lebt er in den Vereinigten Staaten. Im Sommer 2006 gerieten Hari, der amerikanische Pulitzerpreisträger Paul Salopek und ihr Chauffeur Ali in die Fänge sudanesischer Regierungstruppen. Sie wurden brutal gefoltert und erst nach über einem Monat aufgrund des internationalen Drucks freigelassen. Nahezu die Hälfte seiner Darstellung ist dieser Gefangenschaft gewidmet. Mit Hilfe seiner ebenso schmucklosen wie effizienten Prosa gelingt es dem Autor auf beeindruckende Weise, die politisch komplexe, von unvorstellbarer Gewalt geprägte Situation in Darfur zu beschreiben. (Daoud Hari: Der Übersetzer. Leben und Sterben in Darfur. Karl Blessing Verlag, München 2008. 255 S.,

19,95 [Euro].)

ANDREAS ECKERT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2009

Grausames Geschäft
Die Welt hat sich an das Morden in Darfur gewöhnt
Wer will schon ein Buch über diese Gewaltorgie in Afrika lesen? Daoud Hari ist „Der Übersetzer”, und er könnte die hohe Hürde westlichen Desinteresses an Afrika mit seinem Buch über Darfur überwinden. Die Menschen in der westsudanesischen Provinz werden bei einem Völkermord von ruandischen Ausmaßen abgeschlachtet, aber weil das Töten im Auftrag der Regierung in Khartum bereits seit sechs Jahren anhält, ist die auf sensationelle Kurzkatastrophen gepolte internationale Aufmerksamkeit längst ermüdet und der Druck auf das Regime viel zu gering.
Daoud Hari aus Darfur gelingt es, seine Leser mitzunehmen in seine Heimat, ein dünn besiedeltes Wüstenland von der Größe Frankreichs an der Grenze zum Tschad, dessen Menschen in Gras gedeckten Rundhütten wohnen. Die Frauen halten das Leben in Gang, die Männer versorgen ihre Tiere, und alle gemeinsam beten seit dem 17. Jahrhundert zu Allah. Streitigkeiten um knappe Weideplätze und Wasserstellen gab es auch früher, aber sie wurden nach einem bewährten Muster beigelegt, bei dem die Ältesten verhandelten, vielleicht ein paar Kamele den Besitzer wechselten und notfalls ein Ehrengefecht zwischen ausgewählten Kämpfern ausgetragen wurde.
Doch in den 1980er Jahren gelangten hochmoderne Waffen in die Region und die Zentralregierung begann, „arabische” Hirten bei Konflikten mit „afrikanischen” Bauern zu unterstützen. Die Zuschreibungen „arabisch” und „afrikanisch” sind allerdings willkürlich, denn im Sudan leben kaum Menschen aus arabischen Ethnien. Tatsächlich verlaufen die Konfliktlinien häufig entlang konstruierter Identitäten. Die Religion fällt als Streitpunkt aus, denn auf beiden Seiten kämpfen Muslime gleicher Couleur.
Wie aus Nachbarn über Nacht Feinde werden, erzählt der Junge, der nach einem Überfall seiner Truppe auf ein Dorf verletzt zurückbleibt. Er stammt aus dem Nachbardorf, und eigentlich sei man mit den Überfallenen befreundet. Aber Regierungssoldaten hätten vor einer drohenden Attacke der Nachbarn auf sein Dorf gewarnt und außerdem Geld für den Überfall versprochen, etwa 200 Dollar. „Unsere Familien brauchen dieses Geld, und wir mussten sie beschützen”, erklärt der Vierzehnjährige. In Darfur sind viele Kämpfer Kindersoldaten.
2003 war der Konflikt eskaliert und mündete in ein Morden, bei dem bisher Hunderttausende umkamen und 2,5 Millionen Menschen flohen, die nun in riesigen Lagern im benachbarten Tschad ums Überleben kämpfen. Als Ziel der sudanesischen Regierung nennt Hari, sie wolle das Land von ihren nichtarabischen Bewohnern freiräumen, um „politischen Widerstand auszumerzen, den Weg für die ungestörte Nutzung der Ressourcen freizumachen und die arabische Minderheit zu einer arabischen Mehrheit zu machen”. Neben Kindersoldaten erledigen reguläre Truppen und Reitermilizen das grausame Geschäft.
Als die ersten Nachrichten von vergewaltigenden und mordenden Dschandschawid, was man als „Glaubenskrieger” oder „böse Geister auf Pferden” übersetzen kann, um die Welt gingen, kamen ausländische Journalisten nach Darfur, und Hari, der auf der Schule Englisch gelernt hatte, trat als ortskundiger Übersetzer in ihre Dienste. Per Handy und mit Hilfe einer immer länger werdenden Liste von Telefonnummern holte er sich beim Rebellenkommandanten, dessen Truppe gerade die Durchfahrt durch ein trockenes Flussbett kontrollierte, die Genehmigung zur Passage, und er setzte Himmel und Hölle in Bewegung, wenn der Geländewagen seines Auftraggebers an einer Straßensperre von bewaffneten Jugendlichen aufgehalten wurde.
Am Ziel der Recherchefahrten bot sich regelmäßig ein Bild des Grauens. Eine Frau hatte sich mit ihrem Kopftuch an einem Baum erhängt, neben sich die ausgetrockneten Körper ihrer kleinen Kinder, für die sie bei ihrer Flucht offenbar kein Wasser fand. Verwesende Leichen fielen aus Baumwipfeln, wo sich die Dorfverteidiger zuletzt verschanzt hatten. In den Flüchtlingslagern gehört es zum Alltag von Frauen und auch kleinen Mädchen, auf dem Weg zum Wasserholen vergewaltigt zu werden.
Hari erzählt die Geschichte vom Genozid, während das Morden weiter geht. Er lebt jetzt in den USA, nach Gefangennahme durch Rebellen, Folter im sudanesischen Gefängnis und Entlassung nach massiven Interventionen aus den USA. Sein Buch richtet sich ausdrücklich an die Menschen im Westen, weil er nur von dort Hilfe für seine Heimat erwartet. Die Anpassung an den Markt geht allerdings mitunter zu weit, wenn die USA penetrant zum Hort des Guten hochstilisiert werden. Das schmälert jedoch nicht den Wert des Buches. GABY MAYR
DAOUD HARI: Der Übersetzer – Leben und Sterben in Darfur. Aus dem Englischen von Elsbeth Ranke. Karl Blessing Verlag, München 2008. 255 S., 19,95 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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"Haris Geschichte macht einen wichtigen Unterschied zwischen Darfur und früheren Völkermorden aus: Früher hatten wir immer die schwache Ausrede, nichts gewusst zu haben, bis es zu spät war." Nicholas Kristof, The New York Times

Darfur - "unermessliches Leid, Mord und Vergewaltigung in schockierendem Ausmaß, ein Zustand, der schwer erträglich ist." Frank-Walter Steinmeier

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für Gaby Mayr ist das ein wertvolles Buch. Was der Übersetzer Daoud Hari hier an grauenhaften Fakten aus seiner Heimat Darfur zusammenträgt, scheint das Zeug zu haben, das westliche Desinteresse zu überwinden. Zu diesem Schluss kommt Mayr, weil der inzwischen in den USA lebende Autor es schafft, sie als Leserin an die Hand zu nehmen und ihr die Konfliktlage begreiflich zu machen. Mayr liest über konstruierte Identitäten, Kindersoldaten und den Genozid, während der Konflikt weiter schwelt. Insofern ist das Buch für sie ein Appell an den Westen, tätig zu werden. Dass Hari seine neue Heimat USA mitunter glorifiziert, findet sie vor diesem Hintergrund verzeihlich.

© Perlentaucher Medien GmbH