Heinrich Manns gesellschaftskritischer Roman »Der Untertan« schildert das Leben von Diederich Heßling, einem charakterschwachen und fanatischen Verehrer Kaiser Wilhelms II. als Archetyp des wilhelminischen Deutschlands. Heßling ist unreflektiert gehorsam gegenüber der Obrigkeit und hält starr an den nationalistischen Zielen des neu geschaffenen Deutschen Reiches fest. Im Laufe des Romans stehen die starren Ideale Heßlings oft im Widerspruch zu seinen Handlungen: Er predigt Tapferkeit, ist aber ein Feigling; er ist begeisterter Militarist, will aber von der Wehrpflicht befreit werden; seine größten politischen Gegner sind die marxistische Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), doch er nutzt seinen Einfluss, um den SPD-Kandidaten seiner Heimatstadt in den Reichstag zu bringen, um seine liberalen Geschäftskonkurrenten zu besiegen; er setzt bösartige Gerüchte gegen letztere in die Welt und distanziert sich dann von ihnen; er predigt christliche Moral und setzt sie gegenüber anderen durch, lügt und betrügt aber und begeht regelmäßig Ehebruch.