Worauf beruht der Staat bzw. staatliche Herrschaft? Wie sieht rechtmäßige staatliche Herrschaft aus und wie ist ihr Umfang zu legitimieren bzw. zu begrenzen? Jan Rolin untersucht Theorien zum Ursprung des Staates in zahlreichen staatstheoretischen Schriften der Neuzeit. Er verfolgt dabei einen ideengeschichtlichen Ansatz, der die Forderungen der sog. Neuen Ideengeschichte - u.a. eine konsequente Ausweitung und Kontextualisierung der Quellenbasis - konsequent umsetzt. Die Analyse beschränkt sich nicht auf die Auswertung von Texten der großen bekannten Autoren, sondern erfasst auch weniger bekannte. Inhaltlich beschränkt sich die Arbeit nicht auf einen Überblick über die Entwicklung der naturrechtlich-rechtsphilosophischen Lehren zur Legitimation von Staat und Staatsgewalt im 18. und 19. Jahrhundert, sondern widmet sich auch der Analyse der Entwicklung zentraler Topoi unserer modernen politisch-sozialen Sprache, etwa Freiheit, Souveränität, Verfassung, Volk und Nation und der Fragenach dem Zweck des Staates. Dabei zeigt sich, dass sich das moderne Rechts- und Verfassungsstaatsdenken in der politischen Theorie Deutschlands erst am Ende des 18. Jahrhunderts durchzusetzen begann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2005Jeder sorge selbst für sein Glück
Jan Rolins luzide Analyse fragt nach dem Ursprung des Staates
Mit Hobbes' Rückführung politischer Herrschaft auf die Figur des Gesellschaftsvertrags beginnt die Geschichte der neuzeitlichen Staatsphilosophie. Staatliche Autorität beruht danach nicht mehr auf göttlicher Verleihung, aber ebensowenig läßt sie sich - wie bei Max Weber - auf die tatsächliche Durchsetzungsfähigkeit des Machthabers verkürzen. Entscheidend ist vielmehr die Zustimmung und damit der Wille der Beherrschten. Das für das Denken der folgenden Jahrhunderte wichtige Verständnis von Freiheit als Selbstbestimmung wird bei Hobbes zum ersten Mal philosophisch nutzbar gemacht. Den liberalen Bewunderern des großen Mannes aus Malmesbury ist es allerdings seit je ein Dorn im Auge gewesen, daß dieser aus seinem individualistischen Ansatz eine absolutistische Staatstheorie herausgesponnen hat.
Der Souverän unterliegt bei Hobbes keinen rechtlichen Beschränkungen, insbesondere besitzen seine Untertanen keine natürlichen Rechte, auf die sie sich berufen könnten. Woher sollten solche Rechte auch kommen? Die Bürgerkriegssituation, die Hobbes unter dem Titel des Naturzustandes schildert, ist so verzweifelt, daß etwaige Rechtsbehauptungen der einzelnen Naturzustandsbewohner nicht das Papier wert wären, auf dem sie ständen. Der Souverän könnte es sich getrost leisten, derartigen Rechten die Anerkennung zu versagen, denn er hat etwas viel Attraktiveres zu bieten als große Worte, nämlich die Gewähr von Frieden.
Um ernstzunehmende vorstaatliche Rechte begründen zu können, muß man den Naturzustand freundlicher zeichnen. Damit verwickelt man sich in neue Schwierigkeiten. Wenn sich der Naturzustand durch eine hinlänglich stabile Rechtlichkeit auszeichnet, läßt sich die Frage nicht mehr beantworten, weshalb man ihn verlassen solle. Die für Hobbes' Lehre charakteristische Verbindung von methodischem Individualismus und inhaltlichem Autoritarismus ist somit nicht nur Ausdruck der idiosynkratischen politischen Präferenz eines Bürgerkriegsgeschädigten, sie ist tief in die Fundamente des Gesellschaftsvertragsdenkens eingelassen. Locke, der Vater der Menschenrechte, vermag diesem Dilemma nur mit Hilfe eines Tricks zu entkommen. Wo es darum geht, den Eintritt in den Staat zu motivieren, malt er den Naturzustand in düsteren Farben. Wo er die Existenz vorstaatlicher Rechte plausibel machen will, nimmt seine Schilderung freundlichere, beinahe idyllische Züge an. Wie das deutsche Naturrecht, in dem bis weit in das neunzehnte Jahrhundert das Gesellschaftsvertragsdenken eine gewichtige Rolle spielt, mit dieser Sachlage umgeht, zeichnet Jan Rolin in seiner höchst materialreichen Dissertation über den Ursprung des Staates nach.
Rolin weist nach, daß das deutsche Naturrecht im achtzehnten Jahrhundert sich sowohl von Hobbes' anthropologischen Prämissen als auch von dessen fundamentalem Theorem der rechtlichen Ungebundenheit des Souveräns distanziert. An die Stelle von Hobbes' Selbsterhaltungsinteresse tritt ein natürlicher Drang zur Vergemeinschaftung, die Vorstellung des im Naturzustand verbleibenden Souveräns wird durch jene einer kontraktuellen Pflichtenbindung des Herrschers ersetzt. Der politischen Zielsetzung des Engländers bleiben dessen kontinentale Erben jedoch weitgehend treu. Der Staat, bei Hobbes das Produkt eines nüchternen Kalküls, wird bei ihnen zum Endziel des menschlichen Vergesellschaftungsstrebens aufgewertet, und die vertragliche Bindung des Herrschers erweist sich nur als ein religiös-moralischer Appell, nicht jedoch als eine rechtswirksame Limitierung der Fürstengewalt. In den Worten Rolins dient das ältere deutsche Naturrecht demnach hauptsächlich "als Kampfinstrument des absolutistisch ambitionierten Fürsten".
Seit den achtziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts vollzieht die deutsche Naturrechtslehre unter dem Eindruck Kants und der Französischen Revolution einen politischen Kurswechsel. Als Begründungsziel gilt jetzt nicht mehr die Legitimation des aufgeklärt-absolutistischen Staates, sondern die Sicherung individueller Freiheit, namentlich der als unveräußerlich ausgegebenen Menschen- und Bürgerrechte.
Dementsprechend nimmt das deutsche Naturrecht Abschied von den eudämonistischen Staatszwecken des alten Obrigkeitsstaates. Für seine Glückseligkeit solle in Zukunft jeder Bürger selbst sorgen. Der Staat solle sich darauf beschränken, die Rechtspositionen seiner Bürger nach Maßgabe der Verfassung und der Gesetze zu respektieren und zu schützen. Wie aber läßt sich die Annahme natürlicher Rechte ohne innere Widersprüche in das konstruktive Gerüst der herkömmlichen Gesellschaftsvertragslehre einbauen? An dieser Frage arbeitet sich auch das deutsche Naturrecht vergeblich ab. Wie Rolin zeigt, finden sich im wesentlichen zwei Argumentationsstrategien.
Ein Teil der Autoren sucht das Problem stillschweigend zu übergehen. Zwar weise der Naturzustand zahlreiche Defizite auf. Dies ändere aber nichts daran, daß es in ihm bereits Rechte gebe, die auch in der staatlich verfaßten Gesellschaft nicht aufgehoben werden dürften. Mit derartigen Beteuerungen wird die eigentliche Begründungsaufgabe nicht gelöst, sondern allenfalls reformuliert. Andere Diskussionsteilnehmer entschließen sich deshalb zu einer Radikalkur, indem sie gänzlich auf die Konzeption eines Naturzustandes verzichten. Damit verschärft sich das Problem indessen noch. Wie will man ein Individuum, das man von vornherein im Kontext seiner gesellschaftlichen und staatlichen Existenz in den Blick nimmt, zugleich als Inhaber vorstaatlicher Rechte und Freiheiten begreifen?
Der Untergang des Gesellschaftsvertragsdenkens im neunzehnten Jahrhundert hat seinen Grund allerdings nicht in dessen Unfähigkeit, das Menschenrechtsanliegen überzeugend auszubuchstabieren. Wie Rolin nachweist, stören sich die Kritiker in erster Linie an dem voluntaristischen und individualistischen Ausgangspunkt der Sozialvertragslehren. Diesen Denkstil macht man verbreitet verantwortlich für die Staatsumwälzungen, die Europa seit dem späten achtzehnten Jahrhundert erschüttert haben. Ungerecht ist dieser Vorwurf insofern, als die Gesellschaftsvertragstheoretiker sich stets darum bemüht haben, das einzelne Individuum in seiner Unberechenbarkeit möglichst unsichtbar zu machen. So wird das Zustimmungserfordernis über die Figur der stillschweigenden Einwilligung soweit ausgedünnt, daß es von einer Fiktion kaum mehr zu unterscheiden ist. Diese Korrekturen ändern jedoch nichts an dem Grundgebrechen des ganzen Ansatzes. Unter Berufung auf individuelle Willensakte lassen sich keine stabilen Institutionen begründen. Der individualistische Voluntarismus bringt unweigerlich einen anarchischen - zur Jugendzeit der Mitglieder der scheidenden Bundesregierung hätte man gesagt: utopischen - Überschuß hervor, der zu den autoritären Zügen der Gesellschaftsvertragslehre in einem Verhältnis prästabilierter Disharmonie steht und diese Konzeption als Grundmodell der politischen Theorie disqualifiziert.
Die Kritiker aus dem neunzehnten Jahrhundert nehmen also den methodischen Ansatz der Sozialvertragslehre ernster, als es deren Vertretern recht ist. Rolins luzide, auf eigene Wertungen weitgehend verzichtende Darstellung von knapp zweihundert Jahren deutscher Ideengeschichte läßt dem Leser den Abschied vom Naturrecht gesellschaftsvertragstheoretischer Couleur leicht werden.
MICHAEL PAWLIK
Jan Rolin: "Der Ursprung des Staates". Die naturrechtlich-rechtsphilosophische Legitimation von Staat und Staatsgewalt im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2005. 298 S., br., 49,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main KTX: Hängen Menschen- und Bürgerrechte im luftleeren Raum? Lassen sie sich so begründen, daß sie nicht zum Spielball von Machtinteressen werden? Jan Rolin geht diesen Fragen in einer Arbeit nach, die knapp zweihundert Jahre deutscher Ideengeschichte bilanziert. Wer Rolins Buch genau liest, schaut auch unser aktuelles politisches Geschehen mit anderen Augen an.
Jan Rolins luzide Analyse fragt nach dem Ursprung des Staates
Mit Hobbes' Rückführung politischer Herrschaft auf die Figur des Gesellschaftsvertrags beginnt die Geschichte der neuzeitlichen Staatsphilosophie. Staatliche Autorität beruht danach nicht mehr auf göttlicher Verleihung, aber ebensowenig läßt sie sich - wie bei Max Weber - auf die tatsächliche Durchsetzungsfähigkeit des Machthabers verkürzen. Entscheidend ist vielmehr die Zustimmung und damit der Wille der Beherrschten. Das für das Denken der folgenden Jahrhunderte wichtige Verständnis von Freiheit als Selbstbestimmung wird bei Hobbes zum ersten Mal philosophisch nutzbar gemacht. Den liberalen Bewunderern des großen Mannes aus Malmesbury ist es allerdings seit je ein Dorn im Auge gewesen, daß dieser aus seinem individualistischen Ansatz eine absolutistische Staatstheorie herausgesponnen hat.
Der Souverän unterliegt bei Hobbes keinen rechtlichen Beschränkungen, insbesondere besitzen seine Untertanen keine natürlichen Rechte, auf die sie sich berufen könnten. Woher sollten solche Rechte auch kommen? Die Bürgerkriegssituation, die Hobbes unter dem Titel des Naturzustandes schildert, ist so verzweifelt, daß etwaige Rechtsbehauptungen der einzelnen Naturzustandsbewohner nicht das Papier wert wären, auf dem sie ständen. Der Souverän könnte es sich getrost leisten, derartigen Rechten die Anerkennung zu versagen, denn er hat etwas viel Attraktiveres zu bieten als große Worte, nämlich die Gewähr von Frieden.
Um ernstzunehmende vorstaatliche Rechte begründen zu können, muß man den Naturzustand freundlicher zeichnen. Damit verwickelt man sich in neue Schwierigkeiten. Wenn sich der Naturzustand durch eine hinlänglich stabile Rechtlichkeit auszeichnet, läßt sich die Frage nicht mehr beantworten, weshalb man ihn verlassen solle. Die für Hobbes' Lehre charakteristische Verbindung von methodischem Individualismus und inhaltlichem Autoritarismus ist somit nicht nur Ausdruck der idiosynkratischen politischen Präferenz eines Bürgerkriegsgeschädigten, sie ist tief in die Fundamente des Gesellschaftsvertragsdenkens eingelassen. Locke, der Vater der Menschenrechte, vermag diesem Dilemma nur mit Hilfe eines Tricks zu entkommen. Wo es darum geht, den Eintritt in den Staat zu motivieren, malt er den Naturzustand in düsteren Farben. Wo er die Existenz vorstaatlicher Rechte plausibel machen will, nimmt seine Schilderung freundlichere, beinahe idyllische Züge an. Wie das deutsche Naturrecht, in dem bis weit in das neunzehnte Jahrhundert das Gesellschaftsvertragsdenken eine gewichtige Rolle spielt, mit dieser Sachlage umgeht, zeichnet Jan Rolin in seiner höchst materialreichen Dissertation über den Ursprung des Staates nach.
Rolin weist nach, daß das deutsche Naturrecht im achtzehnten Jahrhundert sich sowohl von Hobbes' anthropologischen Prämissen als auch von dessen fundamentalem Theorem der rechtlichen Ungebundenheit des Souveräns distanziert. An die Stelle von Hobbes' Selbsterhaltungsinteresse tritt ein natürlicher Drang zur Vergemeinschaftung, die Vorstellung des im Naturzustand verbleibenden Souveräns wird durch jene einer kontraktuellen Pflichtenbindung des Herrschers ersetzt. Der politischen Zielsetzung des Engländers bleiben dessen kontinentale Erben jedoch weitgehend treu. Der Staat, bei Hobbes das Produkt eines nüchternen Kalküls, wird bei ihnen zum Endziel des menschlichen Vergesellschaftungsstrebens aufgewertet, und die vertragliche Bindung des Herrschers erweist sich nur als ein religiös-moralischer Appell, nicht jedoch als eine rechtswirksame Limitierung der Fürstengewalt. In den Worten Rolins dient das ältere deutsche Naturrecht demnach hauptsächlich "als Kampfinstrument des absolutistisch ambitionierten Fürsten".
Seit den achtziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts vollzieht die deutsche Naturrechtslehre unter dem Eindruck Kants und der Französischen Revolution einen politischen Kurswechsel. Als Begründungsziel gilt jetzt nicht mehr die Legitimation des aufgeklärt-absolutistischen Staates, sondern die Sicherung individueller Freiheit, namentlich der als unveräußerlich ausgegebenen Menschen- und Bürgerrechte.
Dementsprechend nimmt das deutsche Naturrecht Abschied von den eudämonistischen Staatszwecken des alten Obrigkeitsstaates. Für seine Glückseligkeit solle in Zukunft jeder Bürger selbst sorgen. Der Staat solle sich darauf beschränken, die Rechtspositionen seiner Bürger nach Maßgabe der Verfassung und der Gesetze zu respektieren und zu schützen. Wie aber läßt sich die Annahme natürlicher Rechte ohne innere Widersprüche in das konstruktive Gerüst der herkömmlichen Gesellschaftsvertragslehre einbauen? An dieser Frage arbeitet sich auch das deutsche Naturrecht vergeblich ab. Wie Rolin zeigt, finden sich im wesentlichen zwei Argumentationsstrategien.
Ein Teil der Autoren sucht das Problem stillschweigend zu übergehen. Zwar weise der Naturzustand zahlreiche Defizite auf. Dies ändere aber nichts daran, daß es in ihm bereits Rechte gebe, die auch in der staatlich verfaßten Gesellschaft nicht aufgehoben werden dürften. Mit derartigen Beteuerungen wird die eigentliche Begründungsaufgabe nicht gelöst, sondern allenfalls reformuliert. Andere Diskussionsteilnehmer entschließen sich deshalb zu einer Radikalkur, indem sie gänzlich auf die Konzeption eines Naturzustandes verzichten. Damit verschärft sich das Problem indessen noch. Wie will man ein Individuum, das man von vornherein im Kontext seiner gesellschaftlichen und staatlichen Existenz in den Blick nimmt, zugleich als Inhaber vorstaatlicher Rechte und Freiheiten begreifen?
Der Untergang des Gesellschaftsvertragsdenkens im neunzehnten Jahrhundert hat seinen Grund allerdings nicht in dessen Unfähigkeit, das Menschenrechtsanliegen überzeugend auszubuchstabieren. Wie Rolin nachweist, stören sich die Kritiker in erster Linie an dem voluntaristischen und individualistischen Ausgangspunkt der Sozialvertragslehren. Diesen Denkstil macht man verbreitet verantwortlich für die Staatsumwälzungen, die Europa seit dem späten achtzehnten Jahrhundert erschüttert haben. Ungerecht ist dieser Vorwurf insofern, als die Gesellschaftsvertragstheoretiker sich stets darum bemüht haben, das einzelne Individuum in seiner Unberechenbarkeit möglichst unsichtbar zu machen. So wird das Zustimmungserfordernis über die Figur der stillschweigenden Einwilligung soweit ausgedünnt, daß es von einer Fiktion kaum mehr zu unterscheiden ist. Diese Korrekturen ändern jedoch nichts an dem Grundgebrechen des ganzen Ansatzes. Unter Berufung auf individuelle Willensakte lassen sich keine stabilen Institutionen begründen. Der individualistische Voluntarismus bringt unweigerlich einen anarchischen - zur Jugendzeit der Mitglieder der scheidenden Bundesregierung hätte man gesagt: utopischen - Überschuß hervor, der zu den autoritären Zügen der Gesellschaftsvertragslehre in einem Verhältnis prästabilierter Disharmonie steht und diese Konzeption als Grundmodell der politischen Theorie disqualifiziert.
Die Kritiker aus dem neunzehnten Jahrhundert nehmen also den methodischen Ansatz der Sozialvertragslehre ernster, als es deren Vertretern recht ist. Rolins luzide, auf eigene Wertungen weitgehend verzichtende Darstellung von knapp zweihundert Jahren deutscher Ideengeschichte läßt dem Leser den Abschied vom Naturrecht gesellschaftsvertragstheoretischer Couleur leicht werden.
MICHAEL PAWLIK
Jan Rolin: "Der Ursprung des Staates". Die naturrechtlich-rechtsphilosophische Legitimation von Staat und Staatsgewalt im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2005. 298 S., br., 49,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main KTX: Hängen Menschen- und Bürgerrechte im luftleeren Raum? Lassen sie sich so begründen, daß sie nicht zum Spielball von Machtinteressen werden? Jan Rolin geht diesen Fragen in einer Arbeit nach, die knapp zweihundert Jahre deutscher Ideengeschichte bilanziert. Wer Rolins Buch genau liest, schaut auch unser aktuelles politisches Geschehen mit anderen Augen an.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Überzeugend findet Michael Pawlik diese "höchst materialreiche" Dissertation über die Legitimation von Staat und Staatsgewalt im deutschen Naturrechtsdenken des 18. und 19. Jahrhunderts, die Jan Rolin vorgelegt hat. Ausführlich rekapituliert Pawlik die Grundzüge von Hobbes' Staatsphilosophie, die politische Herrschaft auf einen Gesellschaftsvertrag zurückführt. Rolins weise nach, dass das deutsche Naturrecht im achtzehnten Jahrhundert sich sowohl von Hobbes' anthropologischen Prämissen als auch von dessen fundamentalem Theorem der rechtlichen Ungebundenheit des Souveräns distanzierte. Weiter zeige er, wie sich seit den achtziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts die deutsche Naturrechtslehre unter dem Eindruck Kants und der Französischen Revolution einen politischen Kurswechsel vollzog. Von nun an stand die Sicherung individueller Freiheit und der Menschen- und Bürgerrechte im Mittelpunkt der Erwägungen. Rolins "luzide, auf eigene Wertungen weitgehend verzichtende Darstellung", resümiert der Rezensent, "lässt dem Leser den Abschied vom Naturrecht gesellschaftsvertragstheoretischer Couleur leicht werden."
© Perlentaucher Medien GmbH
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