Der Varta-Führer gibt Auskunft über Preis- und Komfort-Kategorien ausgewählter Hotels und Restaurants sowie Informationen über hoteleigene Schwimmbäder, Garagen, Tennisplätze und vieles mehr. Die Hotels und Restaurants sind von Experten getestet und empfohlen. Mit Reisekartenteil und Cityplänen für Deutschland. Der Varta-Führer kann auch am PC genutzt werden, denn jedem Buch liegt eine CD-ROM bei.
Die neuen Restaurantführer 2002
VON JÜRGEN DOLLASE
Was würde man von einem Reiseführer halten, der die Höhe des Kölner Doms mit 72 Metern angibt? Ganz so grobe Schnitzer leisten sich die Restaurantführer nicht. Aber Probleme mit dem Maßstab sind eher die Regel als die Ausnahme. In diesen Tagen erscheinen die neuen Ausgaben aller einschlägigen Führer. Mit Sicherheit wird es die üblichen Diskussionen geben. Zum Beispiel über den Stuttgarter Fernsehkoch Vincent Klink ("Wielandshöhe"), dem man auch noch seinen letzten Stern entzogen hat.
Wie so häufig scheint alles relativ zu sein. Nur über die Frage, wer zur absoluten Spitze zu zählen ist, herrscht Einigkeit. Schon knapp darunter driften die Bewertungen aber kräftig auseinander. Das "Lorenz Adlon" in Berlin bekommt von Aral die Höchstnote, bei Varta nicht einmal eine Kochmütze. Oder nehmen wir Bour-gueils Düsseldorfer "Im Schiffchen", das im Michelin eines von nur fünf Häusern mit drei Sternen ist, bei Gault Millau hingegen mit mageren 16 Punkten abgefertigt wird und damit zirka hundert besser bewertete Restaurants vor sich hat. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Schon die Erläuterungen der Höchstnoten machen stutzig. Michelin, der zurückhaltende Klassiker, ist vorsichtig. Bei drei Sternen esse man "immer sehr gut, öfters auch exzellent". Vartas höchstes Lob, nämlich drei Kochmützen, wird dagegen abgegeben für "Küchenleistungen, die keine Wünsche mehr offenlassen". Beim Feinschmecker verdient die Höchstnote (fünf "F"), wer "in jeder Hinsicht perfekt" kocht.
Klassifizierungen dieser Art mögen subjektiv zu erleben sein, die Realität weicht davon in der Regel ab. Sind die Sterne und Punkte auch nicht direkt vergleichbar, so ist es ihre inhaltliche Begründung sehr wohl. In den jeweils zwei höchsten Rängen (die in allen Führern als Spitzenrestaurants angesehen werden) hat Michelin mit Abstand die geringste Menge (17). Feinschmecker, Aral und Gault Millau siedeln dort die doppelte Anzahl an, Bertelsmann mehr als das Vierfache (73). Die Unterschiede liegen aber nicht nur in der Bewertung, sondern auch in stilistischen Fragen und im Stellenwert der Kreativität. Das interessiert die Gäste auch viel mehr.
Der Geschmack der jüngeren Generationen ist international ausgerichtet. Die Restaurantführer bleiben indes mehr oder weniger strikt auf Kurs der Haute Cuisine. Auch das hat gute Gründe. Mit Blick auf die Zukunft sollte man allerdings Lösungen finden, die nicht einzelne Stilrichtungen völlig außer acht lassen. Der Feinschmecker listet gute Szene-Restaurants mit oft sehr schillernder Küche auf. Aral dagegen unterschlägt die gesamte japanische Kolonie in Düsseldorf. Überhaupt werden ausgefallene Restaurants und Newcomer höchst unterschiedlich bewertet. Ein Ärgernis für Freunde des Unkonventionellen. Es gibt noch andere Dinge, die nur im Quervergleich auffallen. Berlin etwa wird noch sehr distanziert beäugt - nur nicht bei Bertelsmann, der die Hauptstadt bereits als Hochburg der Gourmandise anerkennt.
Schöne Verrisse.
Die umfangreichen Texte machen den Gault Millau zur unterhaltsamen Lektüre. Wer besonders nach Verrissen sucht, kommt hier auf seine Kosten (diesmal trifft es beispielsweise "La Mairie" in Nettetal, von 17 auf 15 Punkte abgesenkt). Ungewöhnliche Küchen kommen hier besser davon als in anderen Führern. Stilistisch bieten die am besten bewerteten Restaurants eine Mischung aus Tradition und Innovation. Das obere Segment mit 19 und 18 (von 20 möglichen) Punkten ist gut besetzt, bei 17 und 16 Punkten ("Höchste Kreativität und Qualität") wird es schon etwas inflationär. Empfohlen werden hauptsächlich Restaurants, dazu einige Hotels. Keine Bilder oder Stadtpläne. Das Nonplusultra für die Gourmet-Szene.
Gault Millau. Deutschland 2002. Wilhelm Heyne Verlag, München 2001. 905 S., DM 58,67.
Buntes Beiwerk.
Der Aral Schlemmer Atlas hält sich konsequent an sein Thema, ergänzt durch Weinkunde, Fischlexikon und Fachbegriffe. Als Extra findet der Leser je ein Rezept der am höchsten gelobten Köche. Besonderheiten des Schlemmer-Atlasses sind die Karten, Fotos und der übersichtliche Aufbau. In der Spitze zeigen sich mit Hauser/Hotel Adlon, Berlin, und Alfred Klink/Colombi, Freiburg, ungewöhnliche Bewertungen. Im großen und ganzen urteilen die Aral-Tester konservativ. Die Sprache der kurzen Artikel ist allerdings oft euphorisch. Bessere Orientierung als die Texte bieten die verliehenen Kochlöffel. Formulierungen wie: "Das Menü ging als Höhepunkt der europäischen Küchenkultur in die Geschichte ein", wirken laienhaft.
Aral Schlemmer Atlas 2002. Busche Verlag, Dortmund 2001. 671 S., DM 51,83.
Reichlich Lob.
Der umfangreiche Bertelsmann-Führer versucht alles zusammen zu bieten: Viel Text, viele Bilder und Karten, dazu - sehr lobenswert - ein kompletter Schweiz- und Österreich-Führer. Die extrem breit besetzte Spitze mit 73 Restaurants in den beiden obersten Kategorien erscheint übertrieben. Auffallend ausführlich wird über das Ambiente der Restaurants berichtet, bis hin zum Fabrikat der Gläser. Das Essen wird meist nur beschrieben, weniger bewertet. Jeden Teller einzeln vorzuführen läßt zwar den Eindruck von Sicherheit entstehen, doch der Gesamteindruck verrät das Gegenteil. Einhundert Seiten "Wellness-Ressorts" deuten auf die Zielgruppe: Lifestyle der gehobenen Art.
Der große Bertelsmann Restaurant und Hotel Guide 2002. Mosaik-Verlag, München 2001. 1883 S., DM 58.-
Ewiger Champion.
Der Michelin bleibt unangefochten der Branchenführer, auch ohne Bilder. Anders als die französische Ausgabe tritt die deutsche nach wie vor ohne Texte auf. Es gibt Empfehlungen für Hotels und Restaurants in allen Kategorien sowie gute Karten. Durch die zurückhaltende Bewertung bilden Zwei- und Drei-Sterne-Häuser eine realistische Spitze. Drei Sterne bedeuten definitiv internationales Format. Ein einzelner Stern sollte aber nicht als Ausweis der Weltklasse gesehen werden, sondern eher als Basis gehobener Küche. Die Orientierung ist im weiteren Sinne klassisch, Newcomer und "abweichende" Küchen werden trotz (oder wegen?) genauer Beobachtung zurückhaltend bewertet. Nonplusultra für die Köche.
Der Rote Michelin-Führer, Deutschland 2002. Michelin Reise-Verlag, Karlsruhe 2001. 269 S., DM 52.
Nüchterner Stil.
Beim Varta-Führer findet sich das dreistufige Michelin-System (hier: Kochmützen) der Bewertung der besten Küchen. Die Auswahl ist ähnlich streng. Wo Varta zwei von drei Mützen verteilt, nennt er freilich Namen, die man üblicherweise in dieser Klasse nicht antrifft. Zum Beispiel das Restaurant Remise in Monschau oder das Kastell im Hotel Burg Wernberg in Wernberg-Köblitz.
Der Führer wirkt nüchtern und ist wegen der primären Gliederung nach Hotels und Ortsteilen unübersichtlich für den Gourmet. Zudem gibt es keinerlei Texte, es zählen also - wie bei Michelin - Vertrauen und Relevanz. Für Leute, die seriös essen wollen, ohne dem besondere Bedeutung zuzumessen.
Der Varta-Führer. Hotels und Restaurants. Deutschland 2002. Varta, Ostfildern 2001.1. 208 S., DM 59.
Wenig Reife.
Im Feinschmecker-Guide überrascht die eher konservative Ausrichtung bei gleichzeitig zurückhaltender Bewertung von "Neuigkeiten" und "Abweichungen", die Betonung liegt offensichtlich auf "fein". Die kurzen Texte sind im Gutachter-Stil gehalten und wirken eher distanziert. Erfreulich ein Rundblick durch alle angrenzenden Länder, der allerdings merkwürdige Lücken (in Holland fehlen etliche Spitzenrestaurants) und überraschende Bewertungen zeigt: In Paris schenkt man dem Drei-Sterne-Koch Gagnaire lediglich drei von fünf "F", stellt ihn also auf eine Stufe mit über hundert deutschen Restaurants. Der Führer wirkt noch nicht recht ausgereift, vor allem in stilistischen Fragen.
Der Feinschmecker Guide 2002. Hotels und Restaurants. Gräfe und Unzer, München 2001. 592 S., DM 49,90
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