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In seinem letzten vollendeten Werk, 1980 postum erschienen, kehrt Alfred Andersch in seine Jugend zurück. München, Mai 1928. Der Schüler Franz Kien erleidet eine Unterrichtsstunde bei Herrn Himmler, Direktor des Wittelsbacher Gymnasiums, Altphilologe, großbürgerlicher Katholik und Vater des späteren Reichsführers der SS. Im Nachwort stellt der Autor die Frage: »Schützt Humanismus denn vor gar nichts?« "

Produktbeschreibung
In seinem letzten vollendeten Werk, 1980 postum erschienen, kehrt Alfred Andersch in seine Jugend zurück. München, Mai 1928. Der Schüler Franz Kien erleidet eine Unterrichtsstunde bei Herrn Himmler, Direktor des Wittelsbacher Gymnasiums, Altphilologe, großbürgerlicher Katholik und Vater des späteren Reichsführers der SS. Im Nachwort stellt der Autor die Frage: »Schützt Humanismus denn vor gar nichts?« "
Autorenporträt
Alfred Andersch, geboren 1914 in München, wurde 1933 wegen seiner politischen Aktivität im Kommunistischen Jugendverband im KZ Dachau interniert. Nach seiner Desertion aus der Wehrmacht 1944 verbrachte er über ein Jahr in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Zurück in Deutschland, arbeitete er als Journalist und Publizist, namentlich beim Radio. Andersch zählt zu den bedeutendsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur, seine Bücher sind längst Schullektüre. Er starb 1980 in Berzona/Tessin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.06.2008

Ein humanistisch gebildeter Sadist
Alfred Andersch: „Der Vater eines Mörders”
Eine Schulstunde, wer hat es nicht schmerzvoll am eigenen Leib erfahren, kann entsetzlich lang sein. Ganz besonders dann, wenn der Lehrer so langweilig ist, dass man sich, um nicht einzuschlafen, einen Brand erfleht, eine Revolution, wenigstens ein Erdbeben. Diese dramatischen Umstände treten freilich nur selten ein, seltener jedenfalls als der unangemeldete Besuch des Schuldirektors, der sich persönlich von den Leistungen „seiner” Schüler ein Bild machen will.
Alfred Anderschs autobiographische Erzählung – die letzte abgeschlossene Arbeit zu Lebzeiten – schildert eine Griechisch-Stunde am Wittelsbacher Gymnasium in München im Mai 1928. Während des Unterrichts mit dem langweiligen „Klaßlehrer”, Studienrat Kandlbinder, betritt plötzlich Oberstudiendirektor Himmler das Klassenzimmer, ein humanistisch gebildeter Sadist, dem es Freude macht, „seine” Schüler zu erniedrigen und zu quälen. Franz Kien – wie Andersch sich in seinem Buch nennt –, ein ziemlich miserabler, grundfauler Schüler, soll, als Gipfel der Demütigung, den Satz übersetzen: „Es ist verdienstvoll, Franz Kien zu loben” – nicht einmal das Vaterland. Er kann es nicht. Er hat, weil er kein Interesse aufbringen kann, nicht zugehört und nicht gelernt – und stattdessen lieber Karl May gelesen. Er möchte nämlich, wie er selbstbewusst verkündet, Schriftsteller werden – was ihm ja Gott sei Dank auch gelungen ist.
Franz Kien kommt aus einem deutschnationalen Elternhaus, in dem vom jungen Himmler geschwärmt wird, von des Oberstudiendirektors Sohn, einem eifrigen Hitler-Verehrer und eingefleischten Antisemiten und damit Antipode des alten Himmler, der – „schwarz bis in die Knochen” – der Bayerischen Volkspartei nahesteht. Franz träumt sogar davon, den jungen Himmler von seinem Antisemitismus abzubringen, was ihm bekanntlich nicht gelang: Heinrich Himmler, Sohn des stockkonservativen, katholischen Paukers (der das Tragen von politischen Abzeichen in der Schule verbot, auch das des Hakenkreuzes), wurde sehr bald Reichsführer der SS und hat sich auf der Liste der bestialischen Männer einen der prominentesten Plätze gesichert.
Die Frage, die sich Alfred Andersch unterschwellig mit dieser Erzählung, explizit in seinem (etwas pedantischen) Nachwort vorgelegt hat, lautet: Musste der Sohn des zynischen Oberstudiendirektors Himmler notwendigerweise ein noch ekelhafterer Mensch und Massenmörder werden – wo doch der Sohn des deutschnationalen Vaters Andersch ein linksliberaler Schriftsteller geworden ist?
Dies ist natürlich nur eine Scheinfrage, ein Trick – wie übrigens auch der Titel: 1928 konnte Franz Kien nicht einmal ahnen, dass der Sohn seines Quälgeists je ein Mörder (und Selbstmörder) werden würde. Und dass auch Kinder sogenannter „ganz normaler” Eltern im 20. Jahrhundert zu Mördern und Massenmördern geworden sind, diese quälende Frage kann uns auch die Literatur nicht beantworten. MICHAEL KRÜGER
Alfred Andersch Foto: Brigitte Friedrich
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»Alfred Andersch ist aus der Literatur und dem geistigen Leben Deutschlands nach 1945 nicht wegzudenken.« Karl Otto Conrady / Frankfurter Rundschau Frankfurter Rundschau