Dass ein junger Mann, der nach Israel fliegt, die Bibel liest, ist vielleicht nicht ungewöhnlich, doch dass er bei dieser Lektüre lacht, findet Barbara, die im Flugzeug neben diesem seltsamen Menschen sitzt, befremdlich. Da beginnt er, ihr die Passage, die er gerade gelesen hat, auf seine Weise zu erzählen, so, als wäre er dabei gewesen. Barbara hält das vorerst für eine schräge Art von Humor, doch seine Ernsthaftigkeit wird ihr schließlich unheimlich. Wieso sie sich nach einer außerplanmäßigen Zwischenlandung in Rom von Myschkin - so nennt er sich - zum Essen einladen lässt, bleibt ihr selbst ein Rätsel. Am nächsten Tag, auf dem Flughafen von Tel Aviv, ist sie froh, ihn loszuwerden. Doch nach ihrer Rückkehr erwartet sie zu Hause der erste einer Serie von Briefen aus Israel, in denen ein Mann, der sich mit Jesus identifiziert, herauszufinden versucht, warum die Erlösung nicht stattgefunden hat - bis heute.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2009Jesus war ein Frühchen
Die Wandlung des biblischen Mythos in aufregende Prosa: Peter Henisch hat einen sensiblen Sensationsroman geschrieben, der uns Weihnachten verbittersüßt.
Ungeheuerlich, dass niemand bislang darauf gekommen ist. Dabei erklärte das vieles, das Ausbleiben des Weltendes zum Beispiel, vor allem aber das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom: bis zuletzt ruhelos, von einer Wunderlichkeit zur nächsten jagend. Jetzt ist es also heraus: Jesus war ein Frühchen, deshalb auch so unbequem zur Welt gekommen, verfrüht um die kosmische Winzigkeit von zweitausend Jahren: "Konnte es wirklich so gewesen sein? Dass er damals einfach zu früh in die Welt gefallen war? Dem Mädchen Mirjam in den Schoß gefallen? Das wäre ein Navigationsfehler mit fatalen Folgen."
Wer fragt sich das? Es ist der hochsensible, dreißigjährige Mischa, der nicht umsonst Myschkin heißt wie Dostojewskis "Idiot", die große Erlösergestalt der Moderne, sondern der sich auch Jeschua nennt, Mischa also, der Berufene, der Wiedergekehrte, der verirrte Messias auf tiefenpsychologischer Regressionsreise: "Und indem er vorwärtsging, hatte er das Gefühl, eigentlich zurückzugehen, zurück, zurück ... Und nachdem er dann vorne, im Chor, über eine der Treppen (die linke), in die sogenannte Geburtsgrotte hinuntergestiegen war, habe er das Gefühl gehabt, endgültig im Uterus angelangt zu sein." In der Geburtskirche wird er heimgesucht vom Geist der Erinnerung - eigenen und kollektiven: "Die tragen wir doch alle in uns, wir müssen sie nur aktivieren. Manchmal werden sie uns vielleicht auch gesandt" - und es wiederholt sich die augustinische Urszene, jedoch in leichter Abwandlung: Statt "Nimm und lies" befiehlt ihm der Geist zu schreiben. Empfängnis ist in der Postmoderne zwar immer schon Sendung, hier aber geht es darum, dass die Tradition ab ovo überschrieben, dass ein ungeheuerlicher Irrtum korrigiert werden muss.
Mit viel theologischem Sachverstand und einer wohltuenden Portion Humor hat Peter Henisch Platons Anamnesis-Konzept mit der Heilsgeschichte kurzgeschlossen und daraus ein so bibelfestes wie den christlichen Glauben erschütterndes Mythos-Märchen geschaffen. Es ist charmant, dass sein leicht autistischer Held sich selbst erst im Laufe der Geschichte immer sicherer wird, was er im Gelobten Land eigentlich will: das größte Rätsel lösen nämlich. Die Frühchen-These zu Ende zu denken hieße schließlich, dass das Ende der Geschichte (in jeder Hinsicht) noch nicht erreicht wurde, dass man in einem Interim gefangen ist seit zwei Jahrtausenden. So wird es eine "Fahrt, von der viel, vielleicht alles, abhängt". Und noch charmanter ist es, die imitatio christi ebenfalls in die andere Richtung auszubuchstabieren, alle Selbstzweifel, Sensibilität und Verwirrung auch dem Vorläufer, dem Bautischler aus Nazareth zuzugestehen, der hier gleichfalls orientierungslos durch die ganze Affäre stolpert. So kann über viele hundert Seiten eine Pointe reifen, die es in sich hat.
Wir erfahren vom Heiland 2.0 - wie es sich gehört - nur über eine Vermittlungsinstanz und insofern sehr konjunktivisch: Die Literaturkritikerin Barbara lernt den neurotischen Protagonisten auf einem Flug nach Tel Aviv kennen, bei einer Zwischenlandung im heiligen Rom noch näher kennen und empfängt nach ihrer Rückkehr Briefe des (so oder so) Erwählten. Im ersten Brief erklärt er, wann die Stigmata bluten, nur in bestimmten Erregungszuständen nämlich: Das hatte Barbara in der römisch-elegischen Nacht einen Schock versetzt. Mischa erweist sich dabei durchaus als Ironiker, ausgerechnet die Drogen- und Sexhymne "Let It Bleed" der Rolling Stones nämlich habe ihm geholfen, die Bluterei zu ertragen. Von nun an berichtet er Barbara - und diese uns - detailliert über seine Reise zum Mittelpunkt der Lehre.
Von Nazareth aus pilgert dieser Jesus-Freak Jesu Leben ab, über das alte Sepphoris, Kana, vorbei am See Genezareth, den Jordan entlang, über Bethlehem, Tiberias und weitere geschichtsträchtige Orte bis nach Jerusalem, weicht aber immer häufiger von der vorgegebenen Route ab, auf der Flucht vor einem immer wieder auftauchenden "mutmaßlichen Clown", dem Bösen in aktueller Gestalt: "Hingegen ähnelte er immer mehr dem nicht allzu lange Zeit zuvor gefeuerten amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld." Ebenso durchlebt der von Rumsfeld Gejagte in Wiederholung die Annäherung Jesu an seine Gefährtin. Hier hält es der Autor, der überhaupt dem Körperlichen sein Recht zukommen lässt, mit den Apokryphen: Die Rolle der Maria Magdalena spielt Olga, die Frau eines russischen Oligarchen. Mehr und mehr wandelt sich die Reise im gegenwärtigen Israel allerdings zu einer Passionsgeschichte eigener Couleur. Der perpetuierte Kriegszustand, "die Kontinuität des alltäglichen Horrors", spielt dabei eine gewisse Rolle, doch nicht daran verzweifelt der Held zuletzt.
Wir erfahren all das aber nicht mehr chronologisch, denn es gibt eine Zäsur in der Überlieferung: Bevor die Briefe nicht mehr eintreffen, hat sich die eifersüchtige Adressatin von ihnen bereits abgewandt. Mischa begegnet erst wieder als Gebrochener, die Konversion zum Islam erwägend. Verlottert, den Drogen ergeben und von seinen letzten Euros lebend, vegetiert er verängstigt in Rom vor sich hin: Es ist etwas geschehen in Israel. Mischa ist auf die Lücke im Heilsplan gestoßen. Sie war immer da, doch erst jetzt, in der nihilistischen Gegenwart, wird sichtbar, warum die Evangelien so unbefriedigend abreißen.
Damit aber bohrte sich eine alles aufsprengende Skepsis in die zuvor so tiefe Überzeugung Myschkins hinein: War vielleicht auch die Frömmigkeit des Vorläufers eine zu naive? "Und alles hatte mit der Auferweckung des Lazarus begonnen. Die eben vielleicht, ja wahrscheinlich, nur Illusion war. Eine Inszenierung, auf die der dumme Rabbi hineinfiel ... Ein Fake der Jünger." Von hier ist es nicht mehr weit zum größtmöglichen Selbstzweifel, der totalen Häresie: Wäre er ohnmächtig, aber lebendig vom Kreuz genommen und nach Rom verbracht worden? Und tatsächlich: Bittet nicht, wie Markus im fünfzehnten Kapitel berichtet, der ehrbare Ratsherr Josef von Arimathia, um den Leichnam Jesu, den er auch erhält, obwohl sich Pilatus wundert, "dass er schon tot war"? "Nicht am Kreuz gestorben, nicht wirklich begraben, nicht abgestiegen zu den Toten, folglich nicht auferstanden! Wenn das die Wahrheit ist, dann bin ich ein Versager." Es bleibt aber natürlich - gut cartesianisch - dieses Ich (ich versage, also bin ich), um dessen Wiederaufrichtung inmitten religiöser Trümmer es im Folgenden zu tun ist.
Diese Handlung ist derart verquer, grellbunt, intelligent, aufdringlich, unlogisch und herrlich, mit einem Wort: christlich, dass man Peter Henisch die etwas altbacken wirkende Rahmenhandlung, in der eine ideale - und zwar diesseitige - Liebe aus Adoration, Begehren und Fürsorge entworfen wird, gern verzeiht. Der immer ein wenig unterschätzte Autor aus Wien führt damit fort, was er vor vier Jahren mit der Erzählung "Die schwangere Madonna" - einer schwangeren Teenagerin nimmt sich hier ein freier Journalist an - begonnen hat: die poetologische Transsubstantiation des biblischen Mythos in aufregend gegenwärtige Prosa.
Am Ende wird Henisch lächelnd milde, stellt anheim, lässt Hintertüren weit offen. Aber auch, wer durch sie entwischt, wer diesen Mischa-Myschkin-Jeschua mit der klassischen Diagnose Schizophrenie loszuwerden gewillt ist, wird von nun an von einer Erinnerung eingeholt werden können, die jenen Urtext hiermit so klug überschrieben hat. Und scheint es nicht tatsächlich so, als würde die kleine Unstimmigkeit im allerhöchsten Zeitplan gerade behoben, als stehe die Apokalypse so unmittelbar bevor, dass selbst die größte Versammlung von Weltherrschern soeben in Kopenhagen die Welt einfach aufgegeben hat? Peter Henisch, dem Christkind sei es geklagt, hat uns das Weihnachtsfest mit einem großartigen Buch infernalisch versaut.
OLIVER JUNGEN
Peter Henisch: "Der verirrte Messias". Roman. Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2009. 400 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Wandlung des biblischen Mythos in aufregende Prosa: Peter Henisch hat einen sensiblen Sensationsroman geschrieben, der uns Weihnachten verbittersüßt.
Ungeheuerlich, dass niemand bislang darauf gekommen ist. Dabei erklärte das vieles, das Ausbleiben des Weltendes zum Beispiel, vor allem aber das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom: bis zuletzt ruhelos, von einer Wunderlichkeit zur nächsten jagend. Jetzt ist es also heraus: Jesus war ein Frühchen, deshalb auch so unbequem zur Welt gekommen, verfrüht um die kosmische Winzigkeit von zweitausend Jahren: "Konnte es wirklich so gewesen sein? Dass er damals einfach zu früh in die Welt gefallen war? Dem Mädchen Mirjam in den Schoß gefallen? Das wäre ein Navigationsfehler mit fatalen Folgen."
Wer fragt sich das? Es ist der hochsensible, dreißigjährige Mischa, der nicht umsonst Myschkin heißt wie Dostojewskis "Idiot", die große Erlösergestalt der Moderne, sondern der sich auch Jeschua nennt, Mischa also, der Berufene, der Wiedergekehrte, der verirrte Messias auf tiefenpsychologischer Regressionsreise: "Und indem er vorwärtsging, hatte er das Gefühl, eigentlich zurückzugehen, zurück, zurück ... Und nachdem er dann vorne, im Chor, über eine der Treppen (die linke), in die sogenannte Geburtsgrotte hinuntergestiegen war, habe er das Gefühl gehabt, endgültig im Uterus angelangt zu sein." In der Geburtskirche wird er heimgesucht vom Geist der Erinnerung - eigenen und kollektiven: "Die tragen wir doch alle in uns, wir müssen sie nur aktivieren. Manchmal werden sie uns vielleicht auch gesandt" - und es wiederholt sich die augustinische Urszene, jedoch in leichter Abwandlung: Statt "Nimm und lies" befiehlt ihm der Geist zu schreiben. Empfängnis ist in der Postmoderne zwar immer schon Sendung, hier aber geht es darum, dass die Tradition ab ovo überschrieben, dass ein ungeheuerlicher Irrtum korrigiert werden muss.
Mit viel theologischem Sachverstand und einer wohltuenden Portion Humor hat Peter Henisch Platons Anamnesis-Konzept mit der Heilsgeschichte kurzgeschlossen und daraus ein so bibelfestes wie den christlichen Glauben erschütterndes Mythos-Märchen geschaffen. Es ist charmant, dass sein leicht autistischer Held sich selbst erst im Laufe der Geschichte immer sicherer wird, was er im Gelobten Land eigentlich will: das größte Rätsel lösen nämlich. Die Frühchen-These zu Ende zu denken hieße schließlich, dass das Ende der Geschichte (in jeder Hinsicht) noch nicht erreicht wurde, dass man in einem Interim gefangen ist seit zwei Jahrtausenden. So wird es eine "Fahrt, von der viel, vielleicht alles, abhängt". Und noch charmanter ist es, die imitatio christi ebenfalls in die andere Richtung auszubuchstabieren, alle Selbstzweifel, Sensibilität und Verwirrung auch dem Vorläufer, dem Bautischler aus Nazareth zuzugestehen, der hier gleichfalls orientierungslos durch die ganze Affäre stolpert. So kann über viele hundert Seiten eine Pointe reifen, die es in sich hat.
Wir erfahren vom Heiland 2.0 - wie es sich gehört - nur über eine Vermittlungsinstanz und insofern sehr konjunktivisch: Die Literaturkritikerin Barbara lernt den neurotischen Protagonisten auf einem Flug nach Tel Aviv kennen, bei einer Zwischenlandung im heiligen Rom noch näher kennen und empfängt nach ihrer Rückkehr Briefe des (so oder so) Erwählten. Im ersten Brief erklärt er, wann die Stigmata bluten, nur in bestimmten Erregungszuständen nämlich: Das hatte Barbara in der römisch-elegischen Nacht einen Schock versetzt. Mischa erweist sich dabei durchaus als Ironiker, ausgerechnet die Drogen- und Sexhymne "Let It Bleed" der Rolling Stones nämlich habe ihm geholfen, die Bluterei zu ertragen. Von nun an berichtet er Barbara - und diese uns - detailliert über seine Reise zum Mittelpunkt der Lehre.
Von Nazareth aus pilgert dieser Jesus-Freak Jesu Leben ab, über das alte Sepphoris, Kana, vorbei am See Genezareth, den Jordan entlang, über Bethlehem, Tiberias und weitere geschichtsträchtige Orte bis nach Jerusalem, weicht aber immer häufiger von der vorgegebenen Route ab, auf der Flucht vor einem immer wieder auftauchenden "mutmaßlichen Clown", dem Bösen in aktueller Gestalt: "Hingegen ähnelte er immer mehr dem nicht allzu lange Zeit zuvor gefeuerten amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld." Ebenso durchlebt der von Rumsfeld Gejagte in Wiederholung die Annäherung Jesu an seine Gefährtin. Hier hält es der Autor, der überhaupt dem Körperlichen sein Recht zukommen lässt, mit den Apokryphen: Die Rolle der Maria Magdalena spielt Olga, die Frau eines russischen Oligarchen. Mehr und mehr wandelt sich die Reise im gegenwärtigen Israel allerdings zu einer Passionsgeschichte eigener Couleur. Der perpetuierte Kriegszustand, "die Kontinuität des alltäglichen Horrors", spielt dabei eine gewisse Rolle, doch nicht daran verzweifelt der Held zuletzt.
Wir erfahren all das aber nicht mehr chronologisch, denn es gibt eine Zäsur in der Überlieferung: Bevor die Briefe nicht mehr eintreffen, hat sich die eifersüchtige Adressatin von ihnen bereits abgewandt. Mischa begegnet erst wieder als Gebrochener, die Konversion zum Islam erwägend. Verlottert, den Drogen ergeben und von seinen letzten Euros lebend, vegetiert er verängstigt in Rom vor sich hin: Es ist etwas geschehen in Israel. Mischa ist auf die Lücke im Heilsplan gestoßen. Sie war immer da, doch erst jetzt, in der nihilistischen Gegenwart, wird sichtbar, warum die Evangelien so unbefriedigend abreißen.
Damit aber bohrte sich eine alles aufsprengende Skepsis in die zuvor so tiefe Überzeugung Myschkins hinein: War vielleicht auch die Frömmigkeit des Vorläufers eine zu naive? "Und alles hatte mit der Auferweckung des Lazarus begonnen. Die eben vielleicht, ja wahrscheinlich, nur Illusion war. Eine Inszenierung, auf die der dumme Rabbi hineinfiel ... Ein Fake der Jünger." Von hier ist es nicht mehr weit zum größtmöglichen Selbstzweifel, der totalen Häresie: Wäre er ohnmächtig, aber lebendig vom Kreuz genommen und nach Rom verbracht worden? Und tatsächlich: Bittet nicht, wie Markus im fünfzehnten Kapitel berichtet, der ehrbare Ratsherr Josef von Arimathia, um den Leichnam Jesu, den er auch erhält, obwohl sich Pilatus wundert, "dass er schon tot war"? "Nicht am Kreuz gestorben, nicht wirklich begraben, nicht abgestiegen zu den Toten, folglich nicht auferstanden! Wenn das die Wahrheit ist, dann bin ich ein Versager." Es bleibt aber natürlich - gut cartesianisch - dieses Ich (ich versage, also bin ich), um dessen Wiederaufrichtung inmitten religiöser Trümmer es im Folgenden zu tun ist.
Diese Handlung ist derart verquer, grellbunt, intelligent, aufdringlich, unlogisch und herrlich, mit einem Wort: christlich, dass man Peter Henisch die etwas altbacken wirkende Rahmenhandlung, in der eine ideale - und zwar diesseitige - Liebe aus Adoration, Begehren und Fürsorge entworfen wird, gern verzeiht. Der immer ein wenig unterschätzte Autor aus Wien führt damit fort, was er vor vier Jahren mit der Erzählung "Die schwangere Madonna" - einer schwangeren Teenagerin nimmt sich hier ein freier Journalist an - begonnen hat: die poetologische Transsubstantiation des biblischen Mythos in aufregend gegenwärtige Prosa.
Am Ende wird Henisch lächelnd milde, stellt anheim, lässt Hintertüren weit offen. Aber auch, wer durch sie entwischt, wer diesen Mischa-Myschkin-Jeschua mit der klassischen Diagnose Schizophrenie loszuwerden gewillt ist, wird von nun an von einer Erinnerung eingeholt werden können, die jenen Urtext hiermit so klug überschrieben hat. Und scheint es nicht tatsächlich so, als würde die kleine Unstimmigkeit im allerhöchsten Zeitplan gerade behoben, als stehe die Apokalypse so unmittelbar bevor, dass selbst die größte Versammlung von Weltherrschern soeben in Kopenhagen die Welt einfach aufgegeben hat? Peter Henisch, dem Christkind sei es geklagt, hat uns das Weihnachtsfest mit einem großartigen Buch infernalisch versaut.
OLIVER JUNGEN
Peter Henisch: "Der verirrte Messias". Roman. Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2009. 400 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Angesichts der Geschichte, die Peter Henisch in "Der verirrte Messias" erzählt, wird dem Rezensenten Karl-Markus Gauß nach eigenem Bekunden bange: "Kann das gut gehen?" Henisch erzählt, wie Jesus in Gestalt eines Flüchtlings namens Mischa Myschkin wiederkehrt, sich seiner messianischen Mission durch eine Reise nach Israel und Palästina zu versichern sucht, dabei eine Liebesgeschichte mit einer rationalistischen deutschen Literaturkritikerin beginnt und sehr bestürzt ist über den Unfrieden im Heiligen Land. Uff. Desto verblüffender das Fazit des Rezensenten: Das Buch ist gelungen. Einerseits dank der Beschlagenheit des Autors in theologischen Dingen. Andererseits dank seiner souveränen Handwerkskünste als Romancier. So wird der Roman nicht nur ein "theologisches Gedankenspiel" und eine "interkulturelle Liebesgeschichte", sondern gar noch eine "kundige Reportage über den Nahen Osten", findet der Rezensent. Und das ist kein messianisches Wunderwerk, sondern "gewissenhafte Erzählkunst", versichert Karl-Markus Gauß.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Was da geboten wird, ist politische und Kulturkritik, ironisch, sarkastisch, bis an die Grenze zum Slapstick." Walter Grünzweig, Der Standard, 25.07.09
"Der Schriftsteller, der sich auch in seiner neuen Arbeit als souveräner und unaufgeregt präziser Erzähler erweist, präsentiert sich obendrein als Fachkraft des Formalen." Profil, 27.07.09
" Das Sympathische an diesem Buch ist, daß es nicht abschließend erklärt. Eher setzt es eine nachhaltige Verstörung in Gang." Brigitte Schwens-Harrant, Die Presse, 01.08.09
"Henisch, ein exzellenter Kenner der Evangelien, beherrscht nicht nur seinen Stoff, sondern vor allem das Handwerk des Romanciers." Karl Markus Gauss, Neue Zürcher Zeitung, 12.10.2009
"Ein faszinierender Text. Er changiert zwischen Ernst und Ironie, ein Lesegenuß." Stefan Rammer, Passauer Neue Presse, 09.10.09
"Der Schriftsteller, der sich auch in seiner neuen Arbeit als souveräner und unaufgeregt präziser Erzähler erweist, präsentiert sich obendrein als Fachkraft des Formalen." Profil, 27.07.09
" Das Sympathische an diesem Buch ist, daß es nicht abschließend erklärt. Eher setzt es eine nachhaltige Verstörung in Gang." Brigitte Schwens-Harrant, Die Presse, 01.08.09
"Henisch, ein exzellenter Kenner der Evangelien, beherrscht nicht nur seinen Stoff, sondern vor allem das Handwerk des Romanciers." Karl Markus Gauss, Neue Zürcher Zeitung, 12.10.2009
"Ein faszinierender Text. Er changiert zwischen Ernst und Ironie, ein Lesegenuß." Stefan Rammer, Passauer Neue Presse, 09.10.09